Das Weiße Haus ist noch nicht frei, das Blair-Haus für Staatsgäste ist belegt - also ziehen die Obamas zunächst in das geheimnisvolle Hay-Adams-Hotel.

Hamburg/Washington. Wenige Tage vor seiner Inauguration als Präsident der Vereinigten Staaten am 20. Januar zieht Barack Obama - widerstrebend, wie man weiß - vom geliebten Chicago nach Washington.

Er und seine Frau Michelle können die US-Hauptstadt nicht ausstehen, aber die Arbeitsplatzbeschreibung eines US-Präsidenten umfasst nun mal das Wohnen im Weißen Haus. Bis zum 20. Januar ist das Gebäude an der Pennsylvania Avenue Nummer 1600 aber noch belegt - durch Vorgänger George W. Bush, der es - ebenfalls widerstrebend, wie man weiß - verfassungsgemäß räumen muss.

Obama kommt ein paar Tage früher als nötig nach Washington, weil seine Töchter Sasha (7) und Malia (10) rechtzeitig ihr Schuljahr in der Sidwell Friends School in der Hauptstadt beginnen müssen. Das ehrwürdige, von Quäkern 1883 gegründete Institut unweit des Weißen Hauses gilt als "Harvard der Privatschulen" und hat bereits den Kindern der US-Präsidenten Theodore Roosevelt, Richard Nixon und Bill Clinton sowie von Vizepräsident Al Gore einiges beibringen können. Das Motto der Schule lautet: Eluceat Omnibus Lux, auf Deutsch: "Lasst das Licht aus allen scheinen".

Eigentlich wollten die Obamas, aus einem Urlaub auf Hawaii kommend, zunächst ins Blair-House ziehen, dem Gästehaus der amerikanischen Regierung. Doch die amtierende Bush-Administration, offenbar völlig überrascht vom Wechsel im Präsidentenamt, hat das Blair-Haus bis zum 15. Januar mit allerlei Staatsgästen belegt, denen man eine Verlegung nicht zumuten könne. Bis dahin müssen die Obamas erst einmal mit dem Hay-Adams-Hotel vorliebnehmen, einer Luxusunterkunft unweit des Blair-Hauses.

Im vierten Stock des 1928 eröffneten Hotels könnte Obama bereits eine der interessantesten Begegnungen seines Leben haben, noch bevor er Präsident wird. Eine Frau namens Marian Hooper Adams, genannt "Clover", könnte auf ihn zutreten und ihn entrüstet fragen: "Was wollen Sie?" Das tut sie nämlich gelegentlich mit Gästen. Und ihr Verhalten ist insofern besonders ungewöhnlich, als sie bereits 1885 Selbstmord begangen hat. "Clover" Adams war die Frau von Henry Adams, einem bekannten Schriftsteller und direktem Abkömmling der Präsidenten John Adams und John Quincy Adams. Sein Haus erhob sich einst an der Stelle, an der heute das Hay-Adams-Hotel steht. Daneben stand das Haus von John Hay, Assistent von Präsident Abraham Lincoln und später US-Außenminister. 1927 kaufte der Baulöwe Harry Wardman die beiden Häuser, ließ sie abreißen und das Hotel errichten. Daher die Entrüstung von "Clover" Adams, die mehrfach von Hotelangestellten gesichtet wurde.

Immerhin ehrt das Hotel mit seinem Namen die beiden Vorbesitzer, die mit ihren Frauen zusammen einst die gesellschaftliche Elite Washingtons in ihren Häusern empfing.

Das Hay-Adams-Hotel an der 16. Straße Nummer 800, das für einige Tage den bald mächtigsten Mann der Welt beherbergen wird, hat sich ungeachtet allen Luxus einen privaten Charakter bewahrt. Eingerichtet ist es in einem Stil, der der italienischen Renaissance nachempfunden ist - mit viel Marmor und Stuck, Balkonen und Kaminen. Es hat 145 Zimmer, darunter 21 Suiten. Inaugurations-Preise: von 495 bis 6500 Dollar pro Nacht. Aus dem Fenster seiner Suite hat Barack Obama einen prächtigen Blick auf sein künftiges Zuhause - das Weiße Haus. Auf Wunsch kann der Gast antiallergische Bettwäsche bekommen - Malia Obama zum Beispiel hat Allergien.

Manager des Hay-Adams ist übrigens ein gebürtiger Deutscher: der 58 Jahre alte Hans Bruland aus dem westfälischen Lippborg im Kreis Soest. Der Herr über 120 Angestellte sei ein Mann ohne Furcht, schrieb die "Berliner Zeitung". Selbst angesichts des Inaugurations- und Obama-Ansturms. Kunststück - wer mit einem Geist unter einem Dach lebt, den kann selbst der prominenteste lebendige Gast nicht aus der Ruhe bringen.