Hamburg. Es gibt Kinder, die nicht wissen, was die Geborgenheit einer Familie bedeutet. Sie wissen auch nicht, was es heißt, mit anderen Kindern zu spielen oder sich über Geschenke zu freuen. Sie wissen nur, wie man tötet. 300 000 dieser Kinder gibt es nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef) weltweit. Allein 30 000 von ihnen sind an Afrikas größtem Krieg im Kongo beteiligt. Sie bilden - etwa im Nordosten Kongos - zum Teil mehr als die Hälfte aller Soldaten. Voll gestopft mit Drogen - meist Opium oder Valium - sind sie bereit, alle Befehle auszuführen. Der ehemalige liberianische Kindersoldat James (18) beschreibt diesen Zustand so: "Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich das gar nicht bin, der alle diese furchtbaren Dinge tut - es ist jemand anders. Ich fühlte mich wie von einem Dämon beherrscht." James kämpfte fünf Jahre lang im liberianischen Bürgerkrieg - bis er elf Jahre alt war. Heute geht er zur Schule und will irgendwann Mediziner werden. Derzeit werden laut Unicef in Liberia 10 000 Kinder als Soldaten missbraucht. Das Schicksal der Kindersoldaten gleicht sich oft, wie Reinhard Schlagintweit, Vorsitzender von Unicef-Deutschland, gestern erklärte. "Diese Kinder sind von skrupellosen Kriegsherren zu Tätern gemacht worden. Sie leiden unter ihren seelischen Wunden - und denen, die sie anderen zugefügt haben." Die Kleinen werden zwangsrekrutiert und oft mit Gewalt zum Kämpfen gezwungen. Mädchen werden sexuell missbraucht. Manche Milizenchefs wie in Sierra Leone bringen die Kinder sogar dazu, Angehörige umzubringen. So soll eine Rückkehr nach Hause unmöglich gemacht werden. Für manche Kinder aus armen Familien reicht oft schon die Aussicht auf regelmäßiges Essen aus, um sich der Truppe anzuschließen. Die jüngsten Bilder von Knirpsen mit umgehängten Kalaschnikows aus der liberianischen Hauptstadt Monrovia haben einen Eindruck dieses schrecklichen Daseins vermittelt. Es gibt Tausende Kinder in Afrika - wo allein 120 000 der insgesamt 300 000 Mini-Kämpfer tätig sind - die ein Leben in Frieden gar nicht kennen. Deshalb will Unicef verstärkt mit Hilfprogrammen zur so genannten "Demobilisierung" der Kinder beitragen. Im Kongo laufe derzeit ein solches Hilfsprogramm in Zusammenarbeit mit den UNO-Truppen an. Freigelassene oder desertierte Kinder werden registriert, entwaffnet und in zwei Zentren untergebracht. Dort bekommen sie Unterkunft, Kleidung und medizinische Versorgung. Ziel ist es, sie so schnell es geht, wieder zu ihren Familien zurückzubringen. Vorbilder für erfolgreiche Wiedereingliederungsprogramme gibt es. In Mosambik musste etwa eine ganze Generation von Kindern und Jugendlichen nach dem Ende des jahrzehntelangen Bürgerkriegs Anfang der 90er-Jahre wieder "gesellschaftsfähig" gemacht werden. Das Land war berüchtigt für seine Kindersoldaten. Heute, zehn Jahre nach dem Krieg, hält der Frieden immer noch. Kinder in Mosambik wissen deshalb, was es heißt, zu spielen.