Je näher die Wahlen rücken, um so mieser wird die politische Stimmung. Unter der Last der Finanzkrise rückt das Land immer näher an den Abgrund.

Athen. Die Griechen stehen vor der wichtigsten Wahl seit dem Zweiten Weltkrieg. Sie müssen ihren Politikern klar vorgeben, wohin der Weg führen soll. Die Frage ist nur: Wollen die Volksvertreter zuhören?

Je näher die Wahlen rücken, desto mieser wird die politische Stimmung in Griechenland. Denn das Land rückt unter der Last der schweren Finanzkrise immer näher an den Abgrund heran, doch die Politiker haben nichts anderes zu tun, als sich zu beschimpfen. In der Bevölkerung herrscht längst nackte Angst um die Zukunft des Landes. Denn schließlich könnte alles, was die Griechen in den vergangenen 30 Jahren errungen haben, bald zusammenbrechen. Das Gesundheitssystem bröckelt bereits gefährlich.

Die wichtigsten Fragen – wer rettet das Land und wie kann man es retten – werden kaum noch diskutiert. Die Zeit läuft davon. „Am Ende könnten alle anderen im Euroland gerettet werden, außer uns“, orakelt ein hoher Beamter des Finanzministeriums.

Am 17. Juni wird nun wieder gewählt. Am 6. Mai hatten die Wähler keiner Partei die absolute Mehrheit gegeben. Diesen Aufruf des Volkes zur Kooperation aller Strömungen haben die griechischen Parteien allerdings ignoriert oder auch nicht verstanden. Ihnen gelang es nicht, eine Regierung zu bilden. Stattdessen muss nun das Volk noch einmal an die Urnen.

Während die Politiker streiten, bricht der griechische Staat Stück für Stück auseinander. Die Apotheken geben Medikamente nur gegen Bargeld ab. Der Staat hat sie seit Monaten nicht mehr bezahlt. Die Auszahlung von Renten und Löhnen der Staatsbediensteten ist nur bis Mitte Juli gesichert. Die Angst um das Ersparte bringt die Menschen dazu, ihr Geld aus den Banken zu nehmen. „Zwischen 100 bis 500 Millionen Euro täglich“, sagt ein ranghoher Angestellter der zweitgrößten griechischen Privatbank.

„Es ist eine Landschaft im Nebel, und wir können nicht sehen, dass vor uns ein Sumpf liegt“, sagt eine griechische Journalistin zu den Wahlen. Alles deutet auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Konservativen der Nea Dimokratia (ND) und dem Bündnis der radikalen Linken (Syriza) hin. Alle Umfragen sagen voraus, dass keine der beiden Parteien am 17. Juni eine absolute Mehrheit von 151 der insgesamt 300 Sitze im griechischen Parlament schaffen wird.

Diverse Szenarien sind möglich. Sollten die Bürgerlichen und die Sozialisten – die Befürworter des europäischen Kurses des Landes - genug Stimmen für die Regierungsbildung erhalten, befürchten Beobachter, dass die Linksradikalen und die Kommunisten mit massiven Streiks alle Reformbemühungen zunichte machen könnten. Sollten die Linksradikalen eine Regierung mit anderen linken Kräften bilden und ihr Versprechen halten, das Sparprogramm zu anullieren, droht dem Land die Sofortpleite. Denn die Geldgeber haben für diesen Fall bereits angekündigt, den Geldhahn abzudrehen.

+++ Sparer ziehen täglich Millionenbeträge von Konten ab +++

+++ Regierungsbildung gescheitert: Griechen müssen neu wählen +++

Der Chef der Linksradikalen, Alexis Tsipras, macht Konservative und Sozialisten für die Vetternwirtschaft verantwortlich, die das Land über Jahrzehnte hinweg schließlich an den Rand der Katastrophe geführt hat. Sie könnten das Land nicht retten mit einem Sparprogramm, das die Wirtschaft abgewürgt und jeden zweiten jungen Menschen arbeitslos gemacht habe, argumentiert er. Die Chefs der Konservativen und Sozialisten seien „politische Gauner“.

Die Konservativen wehren sich und bezeichnen Tsipras als „Zauberlehrling“. Er verwechsele „Politik mit Pokern“ und spiele mit der Zukunft des Landes, wenn er droht, einseitig das Sparprogramm zu annullieren, sagt ND-Parteichef Antonis Samaras.

Für die Griechen werden die Auswirkungen der Krise im Alltag immer drastischer spürbar. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter an. Die Quote betrug im März 21,9 Prozent – der höchste Stand in der Geschichte des Landes, wie die Statistikbehörde (ELSTAT) mitteilte.

Schwerkranke stehen in den wenigen staatlichen Apotheken stundenlang nach teuren Medikamenten an, die sie anderswo nur gegen Bares bekämen. Aber auch die staatlichen Stellen stehen bei den Pharmafirmen in der Kreide. Den Apotheken schulden die Krankenkassen inzwischen Summen in dreistelliger Millionenhöhe.

Gewerkschaftsmitglieder der vom Staat kontrollierten Elektrizitätsgesellschaft (DEI) befürchten zudem, dass es bald zu Stromausfällen kommen könnte, weil für Gas aus Russland kein Geld mehr da sei. In Griechenland drohen die Lichter auszugehen.

(dpa/abendblatt.de)