Im speziellen Fall sollen die Verantwortlichen für das Massaker in Al-Hula mit mehr als 100 Toten benannt und vor Gericht gestellt werden.

Genf/Damaskus/Beirut. Die Uno-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, fordert, die Verantwortlichen für Gräueltaten in Syrien vor das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zu bringen. „Ich fordere den Uno-Sicherheitsrat dringend auf, den Fall Syrien dem Internationalen Strafgerichtshof zu übertragen“, erklärte Pillay am Freitag bei einer Sondersitzung des Uno-Menschenrechtsrates in Genf. Deutschland unterstützt die Forderung. Die Bundesregierung hat Russland unterdessen eindringlich zum diplomatischen Einlenken aufgefordert, um die eskalierende Gewalt im Assad-Staat zu stoppen. In Syrien gingen am Freitag Tausende Syrer auf die Straßen, um bei Protestmärschen an die massakrierten Kinder von Al-Hula zu erinnern. Aktivisten berichten derweil von der Ermordung von 15 Arbeitern in der Provinz Homs.

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Dem Uno-Menschenrechtsrat lag am Freitag eine Resolution vor, mit der die Regierung in Damaskus einmal mehr verurteilt werden sollte. Zudem sollte eine umfassende unabhängige Untersuchung des Massakers in der syrischen Ortschaft Al-Hula beschlossen werden, dem vor einer Woche mehr als 100 Menschen zum Opfer fielen. Die Verantwortlichen sollen laut Beschlussvorlage benannt und möglichst vor Gericht gestellt werden. Der Vertreter Syriens sagte zu Beginn der Sitzung: „Die syrische Regierung ist verantwortlich für den Schutz der Zivilisten in Syrien.“ Im Resolutionsentwurf heißt es, das Massaker in Al-Hula stelle eine empörende Verletzung internationalen Rechts dar. Die syrische Regierung verstoße weiterhin gegen ihre Verpflichtung, auf Gewalt in allen Formen zu verzichten, darunter auch auf den Einsatz von Artillerie gegen Wohngebiete. Das syrische Regime behauptete am Donnerstagabend, die Kinder und ihre Eltern seien am Freitag vergangener Woche nicht von Soldaten und Milizionären des Regimes getötet worden, sondern von „bewaffneten Terroristen“.

Die Resolution wurde von der Türkei, den USA und Katar eingebracht. Zahlreiche Staaten unterstützen sie, auch Deutschland und anderen Mitgliedsländern der EU. In diplomatischen Kreisen wurde damit gerechnet, dass Russland und China gegen die Resolution stimmen. Anders als im Sicherheitsrat haben sie im Uno-Menschenrechtsrat jedoch kein Veto-Recht. Deutschland befürwortet nach Angaben seines Genfer Uno-Botschafters Hanns Schumacher, dass die mutmaßlichen Verantwortlichen für das Massaker von Al-Hula vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag gestellt werden. „Darauf würde eine Untersuchung wohl hinauslaufen“, sagte er am Rande der Sitzung. Im Resolutionstext wird dies nicht ausdrücklich gefordert, da neben Russland und China auch die USA nicht zu den Mitgliedstaaten des Haager Gerichtshofes gehören.

Die Bundesregierung hat Russland unterdessen eindringlich zum diplomatischen Einlenken aufgefordert, um die eskalierende Gewalt in Syrien zu stoppen. „Das kann nur gelingen, wenn die internationale Gemeinschaft zusammensteht“, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) der Zeitung „Die Welt“. Moskau widersetzt sich im Uno-Sicherheitsrat schärferen Sanktionen wie auch einem möglichen Eingreifen der Vereinten Nationen zur Beendigung des Blutvergießens in dem Land. Syrien sollte auch ein zentrales Gesprächsthema zwischen Kanzlerin Angela Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sein, der am Freitag zu seinem Antrittsbesuch in Berlin eintraf. Es gelte, einen Flächenbrand in der gesamten Region zu verhindern, mahnte Westerwelle. Moskau sollte „erkennen, dass wir nicht gegen strategische russische Interessen arbeiten, wenn wir die Gewalt in Syrien beenden möchten“. Merkel hatte vor ihrem Treffen mit Putin gesagt, sie setze auf Moskaus Kooperation bei der Suche nach einer Lösung. Die Lage in Syrien, wo weiter mit Gewalt gegen Regimegegner vorgegangen wird, sei eine „Katastrophe“.

Westerwelle warnte zugleich vor einer Diskussion über eine militärische Intervention: „Man darf in dieser schwierigen Lage nicht den Eindruck erwecken, als wäre eine militärische Intervention der Königsweg zu einer schnellen Lösung.“ Der Friedensplan von Kofi Annan als Uno-Sonderbeauftragtem sei „immer noch die beste Grundlage für eine politische Lösung“. Er müsse eine Chance bekommen. Aus Berlin wollte Putin am Abend nach Paris zu einem Treffen mit dem neuen französischen Präsidenten François Hollande weiterreisen. Aus Sicht der Grünen gibt es trotz der Eskalation der Gewalt in Syrien nur eine Lösung über Verhandlungen. Parteichefin Claudia Roth forderte Merkel auf, Druck auf Putin auszuüben, um dem Sechs-Punkte-Plan Annans doch noch zum Erfolg zu verhelfen. „Sie darf nicht nur Russisch mit ihm plaudern, sie muss Tacheles reden“, sagte Roth. „Wenn sich die Weltgemeinschaft und Russland hinter die Uno stellen, dann glaube ich sehr wohl, dass es eine Möglichkeit gibt.“

Amnesty International forderte Putin zum sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen an Syrien auf. Wegen der besonderen Beziehungen zu Damaskus komme Russland eine Schlüsselrolle bei den internationalen Bemühungen zu, dem Morden in Syrien endlich ein Ende zu setzen, erklärte die Menschenrechtsorganisation in Berlin. Von Merkel verlangte Amnesty, bei dem Treffen auch die Lage der Menschenrechte in Russland anzusprechen. „Die Bilanz der zwölf Jahre, in denen der russische Präsident in verschiedenen Ämtern dafür Verantwortung getragen hat, ist ernüchternd“, sagte der Russland- Experte von Amnesty, Peter Franck.

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Unterdessen werden in Syrien weiter Menschen massakriert. Aktivisten berichteten am Freitag, in der Provinz Homs seien am Vortag 15 Angestellte eines Saatgut-Betriebes aus einem Bus gezerrt und in einer Kaserne des Militärs umgebracht worden. Nach Angaben der sogenannten Revolutionskomitees wurden die Arbeiter im Dorf Al-Bueidha verschleppt und in die Kaserne von Katiene gebracht. Dort sollen sie gefoltert und getötet worden sein. Ein Offizier habe angeordnet, die Leichen zu einer nahe gelegenen Straßensperre zu bringen.

Tausende Syrer haben am Freitag bei Protestmärschen an die massakrierten Kinder von Al-Hula erinnert. Aktivisten verbreiteten auch Videos von den Demonstrationen. Die Protestaktionen, die in mehreren Städten nach dem islamischen Freitagsgebet begannen, standen unter dem Motto „Die Kinder von Al-Hula, Fackeln des Sieges“. Auf einer Islamisten-Website tauchte ein Aufruf von Extremisten zu Attacken auf die Armee in Syrien auf. In der Audio-Botschaft hieß es, nach dem Massaker von Al-Hula sollten Muslime in aller Welt Geld spenden für den Kampf gegen den „ungerechten Tyrannen“ in Syrien.

Mit Material von dpa/dapd