20 Jahre nach dem Beginn des Bosnienkriegs muss sich der serbische General Ratko Mladic vor dem UN-Tribunal in Den Haag verantworten.

Den Haag. Fast genau ein Jahr ist es her, dass er verhaftet wurde: Nun muss sich der serbische General Ratko Mladic in einem Völkermordprozess vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten. Dem ehemaligen Militärchef der bosnischen Serben im Bürgerkrieg (1992-1995) werden "57 genau spezifizierte Verbrechen“ zur Last gelegt, "für die Mladic persönlich verantwortlich ist“, erklärte Staatsanwalt Dermot Groome. Der 70 Jahre alte Mladic, der im Gerichtssaal in Anzug und Krawatte erschien, folgte der Verlesung der Anklage regungslos.

Der Ankläger eröffnete seine auf sechs Stunden angesetzte Anklage mit einem Verbrechen von November 1992, als Mladic-Truppen "150 muslimische Männer ermordet hatten“. Er zeigte weiter, wie Mladic und seine politischen Gesinnungsgenossen ihre Landsleute mit Lügen und Schauergeschichten über ihre drohende Auslöschung durch die Muslime an die Waffen gebracht hatten. Er nannte es "die Mobilisierung friedlicher Menschen durch ihre Verängstigung“.

+++ Anonymer Hinweis enttarnt Kriegsverbrecher Ratko Mladic +++

Die Staatsanwaltschaft beschrieb weiter, wie die Mladic-Soldaten mit Hilfe paramilitärischer Gruppen aus Serbien "brutale ethnische Säuberungen“ mit Hilfe von Massakern und grausamen Gefangenenlagern erzwungen hatten. Auf Landkarten wurde "eine dramatische Veränderung der Bevölkerung“ zugunsten der Serben dokumentiert. "400.000 Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben“, damit die Serben ein zusammenhängendes Territorium in Bosnien schaffen konnten.

+++ Serbische Staatsanwaltschaft will Ratko Mladic vernehmen +++

Die Anklage zitiert auch aus dem Tagebuch von Mladic, das der General während des Krieges mit akkurater Schrift verfasst hatte. Darin wird als "strategisches Ziel“ die Verbindung der serbischen Teile Bosniens mit der benachbarten Mutterrepublik Serbien zu einem Großserbien aufgeführt. Der Staatsanwalt beschrieb anhand von Videoaufnahmen, Dokumenten und Zitaten, wie Mladic und sein ebenfalls vor dem UN-Tribunal stehender politischer Vorgesetzter Radovan Karadzic die Kriegsverbrechen geplant und in die Tat umgesetzt hätten.

Um das Riesenverfahren zu beschleunigen, hat sich die Anklage auf wenige besonders schwere Kriegsverbrechen konzentriert. Darunter sind der jahrelange Beschuss von Sarajevo mit mehr als 11.500 Toten, das Massaker an muslimischen Jungen und Männern im Juli 1995 im ostbosnischen Srebrenica mit bis zu 8000 Toten sowie der Geiselnahme von UN-Blauhelmen 1995, die als "lebende Schutzschilde“ gegen mögliche Nato-Angriffe missbraucht worden waren.

Für die Anklageverlesung waren sechs Stunden angesetzt. Die Staatsanwaltschaft will 413 Zeugen aufbieten. Um das Verfahren abzukürzen, werden die meisten Augenzeugen nicht persönlich im Gerichtssaal erscheinen, vielmehr werden ihre Aussagen aus früheren Prozessen lediglich verlesen. Die Verteidigung und Mladic selbst wollen sich erst zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher äußern.

In Serbien wurde der Beginn des Prozesses von keiner TV-Anstalt übertragen. Demgegenüber war das Verfahren live im Fernsehen des serbischen Teils von Bosnien zu verfolgen. (dpa)