Berlin. Wirtschaftsweise Monika Schnitzer will die Witwenrente abschaffen – und erntet Zorn. Dabei wäre eine Rentendebatte längst notwendig.

Die Chefin der Wirtschaftsweisen will die Witwenrente abschaffen – das Netz schäumt, die Union spricht von einem „Frontalangriff auf Familien“. Wie so oft hilft: einmal durchatmen. Denn die Ökonomin Monika Schnitzer fordert mitnichten eine ersatzlose Streichung einer Leistung, auf die viele – zumeist Frauen – mit schmalen Geldbeuteln aufgrund ihrer Erwerbsbiografie angewiesen sind. Stattdessen spricht sie sich perspektivisch für diejenigen, die große Teile ihre Erwerbsplanung noch vor sich haben, für ein verpflichtendes Rentensplitting aus: Rentenansprüche würden hälftig geteilt werden.

Das Ziel des Vorschlags ist richtig: Die Erwerbsquote von Frauen muss sich insbesondere mit Blick auf den Fachkräftemangel weiter erhöhen. Das ist aber keine einseitige Aufgabe. Es kommt auf die Männer an. Denn zwischen Anspruch und Wirklichkeit, wie Mann sich in der Kinderbetreuung und der Pflege von Angehörigen einbringt, klafft eine große Lücke.

Rente: Vertrauensverlust in den Generationenvertrag schadet auch der Wirtschaft

Tobias Kisling, Wirtschaftsredakteur
Tobias Kisling, Wirtschaftsredakteur © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Schnitzers Vorschlag zur Witwenrente ist unbequem, für gewisse Lebenssituationen sicher auch ungerecht. Trotzdem sind solche Forderungen, die Diskussionen auslösen, dringend nötig. Schon heute muss ein Viertel des Bundeshaushaltes für die Rentenversicherung aufgebracht werden, Tendenz steigend. Geld, das in Investitionen in den Wirtschaftsstandort Deutschland, in die Infrastruktur und Bildung fehlt.

Eine Reform der Witwenrente löst das Problem nicht. Aber sie ist Teil einer größeren Debatte, um die sich die Politik drückt: Wie wird die Rente zukunftsfest? Der zaghafte Einstieg in die Aktienrente war zumindest ein Versuch, gegenzusteuern. Der große Wurf war es noch nicht. Das hat Folgen.

Viele junge Menschen verlieren den Glauben an die staatliche Alterssicherung. Die Konsequenzen werden in Diskussionen wie der 4-Tage-Woche sichtbar: Wenn ich im Alter ohnehin nichts habe, dann kann ich es mir jetzt gutgehen lassen und kürzer treten. Im Gegensatz zur Witwenrente scheint dieser besorgniserregende und letztlich auch die Wirtschaft bremsende Vertrauensverlust in den Generationenvertrag vielen aber egal zu sein. Dabei kommt es auf diese Generation an, wenn es um die Zukunft der Rente geht.