Der Chef des UN-Umweltprogramms UNEP: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hätte beim Umweltgipfel wichtige Rolle gespielt.

Rio de Janeiro. Der Direktor des UN-Umweltprogramms UNEP, Achim Steiner, hat die Absage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an den Umweltgipfel im brasilianischen Rio de Janeiro bedauert. Deutschland spiele eine wichtige Rolle bei diesen Verhandlungen. Deshalb sei die Enttäuschung bei vielen Ländern groß, sagte Steiner in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Montagausgabe). Der Gipfel „Rio+20“ beginnt an diesem Mittwoch.

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Es sei ein großer Irrtum anzunehmen, die Märkte regelten den Naturschutz, betonte der Experte: „Das führt die Welt vielmehr in eine Sackgasse.“ Die Energiewende hätte nicht ohne eine gezielte Förderung der Erneuerbaren stattgefunden. Die Ausweisung von Naturschutzgebieten sei ein weiteres Beispiel dafür, dass die Politik ordnend eingreifen müsse.

Steiner übte scharfe Kritik an der Entwicklung der Landwirtschaft in den vergangenen 200 Jahren. Sie habe die Menschheit an einen Punkt gebracht, wo Natur nicht mehr nachhaltig genutzt, sondern zunehmend durch synthetische und chemische Prozesse ersetzt werde, wie etwa bei der Düngung: „Landwirtschaft, wie sie heute in vielen Teilen der Welt betrieben wird, arbeitet nicht mit der Natur, sondern oft gegen sie.“ Landwirte sollten nach seiner Ansicht für den Erhalt von Natur und Ökosystemen entlohnt werden.

Die Stadt am Zuckerhut wartet derweil auf die Staffelübergabe aus Los Cabos in Mexiko. Wenn dort der G20-Gipfel der führenden Volkswirtschaften am Dienstag zu Ende geht, fällt wenige Stunden später am Mittwoch der Startschuss für der UN-Gipfel zur nachhaltigen Entwicklung „Rio+20“. Rund 15 000 Polizisten und Soldaten sind im Einsatz, um die Mammutkonferenz zu sichern. Einige der über 130 Staats- und Regierungschefs werden besonders beschützt und abgeschirmt, etwa Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird in Rio nicht dabei sein. Zu den Sicherheitsvorkehrungen gehört eine strikte Überwachung des Luftraums. Der Tagungsort wird faktisch für Flugbewegungen im Umkreis von vier Kilometern gesperrt, andere Zonen dürfen nur in einer Mindesthöhe von 6000 Metern überflogen werden. Einige Hauptverkehrsstraßen werden während des Gipfels nur in eine Richtung freigegeben, um die alltäglichen Megastaus in Rio zu umgehen.

Viele ausländische Delegationen sind in den Glitzervierteln Ipanema, Leblon und Copacabana in der „Zona Sul“, der südlichen Zone, in Strandnähe untergebracht. Von dort zum Tagungsgelände „Riocentro“ im westlich gelegenen Viertel Barra da Tijuca sind es 40 bis 50 Kilometer. „Barra“ ist auch das Zentrum für die Olympischen Spiele 2016. Die Hotels in der Nähe des Tagungsgeländes sind voll belegt, ebenso wie in anderen Vierteln der Sechs-Millionen-Metropole am Atlantik. Auch in kleinen Pensionen, sogenannten „Pousadas“, etwa im dem pittoresken Viertel Santa Teresa heißt es seit Wochen meist: „Nichts geht mehr.“ Die Hotelpreise stiegen zuletzt ins Astronomische – bis zu 800 Dollar die Nacht wurden verlangt. Die Delegation des Europaparlamentes sagte aus Kostengründen ihre Teilnahme ab.

Die Cariocas, wie die Einwohner Rios heißen, sind Touristen gewohnt. Die Stadt ist nicht nur zur Karnevalszeit ein beliebtes Reiseziel für Urlauber aus dem Ausland. Viele nutzen den Gipfel dazu, ein Appartement unterzuvermieten. 50 000 Gipfel-Gäste werden in dieser Woche erwartet. Vor allem die Teilnehmer der Gegenveranstaltung „Gipfel der Völker“ greifen auf moderate alternative Quartiere zurück. Das Zentrum des Gegengipfels und der Veranstaltungsort für Hunderte von Foren, Seminaren und Workshops liegt in dem Parkgelände Aterro do Flamengo, rund 50 Kilometer vom offiziellen Gipfel entfernt. Rios Taxi-Fahrer dürfen in den kommenden Tagen gute Geschäfte machen. (abendblatt.de/dpa/epd)