Berlin. Griechenland will bis Montag Reformpläne vorlegen. Oppermann hält Grexit weiter für möglich. Urlaub auf Ägäis-Inseln soll teurer werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras haben fast ‎fünf Stunden über die Lage in Griechenland und die Beziehungen in der EU gesprochen. ‎Regierungssprecher Steffen Seibert teilte in der Nacht zum Dienstag mit: „Die Bundeskanzlerin und der griechische Ministerpräsident hatten in guter und ‎konstruktiver Atmosphäre eine umfassende Aussprache über die Situation ‎Griechenlands, die Arbeitsweise der Europäischen Union und die künftige deutsch-‎griechische Zusammenarbeit.“‎ Nähere Angaben machte Seibert nicht. Das Gespräch hatte gegen 19 Uhr begonnen und endete kurz ‎vor Mitternacht.

Zuvor waren Merkel und Tsipras bei dessen Antrittsbesuch trotz versöhnlicher Töne in wesentlichen Fragen der Schuldenkrise nicht vorangekommen. Tsipras sagte zu, dass Athen Vereinbarungen einhalten wolle. Er forderte aber andere Prioritäten. „Wir brauchen einen neuen politischen Mix.“ Merkel drängte den Euro-Partner angesichts des drohenden Staatsbankrotts, Reformen auch umzusetzen. Forderungen nach weiteren Entschädigungen für Nazi-Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs wies die Kanzlerin zurück.

Grüne: Tsipras sehr besorgt wegen Zahlungsnot

18 Uhr: Im Gespräch mit führenden Grünen-Politikern hat Tsipras akute Geldprobleme seines Landes eingestanden. "Er hat uns gegenüber deutlich gemacht, dass die Liquiditätsprobleme große sind", sagte Grünen-Co-Chefin Simone Peter nach einem mehr als einstündigen Gespräch. Auch auf ein mögliches drittes Hilfspaket hätten die Grünen ihn angesprochen. "Das Ziel von Herrn Tsipras ist, das zu vermeiden", sagte Peter.

"Wir haben einen Ministerpräsidenten vorgefunden, mit dem man reden kann", beschrieb Co-Parteichef Cem Özdemir seinen Eindruck nach dem Gespräch. Durch das Treffen des Regierungschefs mit Kanzlerin Angela Merkel sei offenbar ein Stück Entspannung gelungen. Damit sei ein Neuanfang in den Beziehungen eingeleitet und Vertrauen zurückgewonnen worden, und das sei positiv. Was den Streit um Reparationszahlungen aus dem Zweiten Weltkrieg an Griechenland angeht, so wird sich "das pauschale Nein" der deutschen Seite nicht halten lassen, sagte Özdemir. Hier müsse ein Format gefunden werden, in dem man darüber sprechen könne.

Gabriel: Deutsch-griechisches Verhältnis normalisiert sich

16.15 Uhr: Deutschland und Griechenland sind nach den Worten von Sigmar Gabriel dabei, ihr angespanntes Verhältnis wieder in Ordnung zu bringen. Nach einem gut einstündigen Gespräch mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras sagte der Minister am Dienstag: "Ich glaube, was wir erleben, ist Gott sei Dank eine Normalisierung des Verhältnisses zwischen Griechenland und Deutschland." Es gehe nicht um einen deutsch-griechischen Konflikt, sondern darum, wie man insgesamt in Europa weiterkomme. "In der Realität geht es um die Stabilität Griechenlands, aber auch die Stabilität der ganzen Euro-Zone", ergänzte er.

"Uns allen ist klar, Deutschland und dem Rest der Euro-Zone: Wir wollen helfen. Aber das setzt voraus, dass die griechische Regierung selbst eine Politik betreibt, bei der die verabredeten Ziele und Programme eingehalten werden", sagte Gabriel. Das von der Regierung in Athen erwartete Reformpaket werde noch in der griechischen Regierung beraten. Die Gespräche darüber müssten mit der Eurogruppe geführt werden.

Tsipras spricht mit Gysi und Kipping

14.45 Uhr: Nach den Worten von Gysi hat sich Tsipras bei einem Gespräch "klipp und klar" gegen Privatisierungen und höhere Verbrauchssteuern ausgesprochen. Diese Maßnahmen würden der griechischen Regierung zwar von außen immer wieder empfohlen, Athen wolle aber einen anderen Weg gehen, sagte Gysi nach dem Treffen. Das politische Problem bestehe ohnehin darin, dass 18 Regierungen der Eurozone den neoliberalen Weg fortsetzen wollten, die griechische Regierung aber nicht. Tsipras habe versichert, seine Regierung werde einen "anti-neoliberalen Kurs" fahren.

Katja Kipping sagte, es stimme nicht, dass Griechenland keine Reformvorschläge vorgelegt habe. Eine vertrauliche Liste mit 18 Maßnahmen enthalte vor allem Vorschläge zur Steuergerechtigkeit und Reichtumsbeteuerung. Kipping ergänzte, das Gespräch zwischen Tsipras und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag habe offenbar dazu beigetragen, mehr Verständnis für die Situation in Griechenland zu schaffen.

Tsipras besucht Holocaust-Mahnmal

14.18 Uhr: Tsipras hat das Holocaust-Mahnmal in Berlin besucht. Der Rundgang sei ihm offenbar ein Herzenswunsch gewesen, sagte der Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Uwe Neumärker. Tsipras habe sich wohl kurzfristig zu dem Besuch entschlossen. Er selber habe von den Plänen erst am Morgen erfahren. Tspiras blickte bei seinem Besuch zunächst über das Stelenfeld und ging anschließend durch die Ausstellung unter dem Mahnmal. Über aktuelle politische Fragen im Zusammenhang mit griechischen Reparationsforderungen sei nicht gesprochen worden, sagte Neumärker.

Steinmeier freut sich über Entspannung

12.26 Uhr: Außenminister Steinmeier sieht eine deutliche Entspannung im Verhältnis zu Griechenland. "Ich freue mich darüber, dass sich die Tonlage in den deutsch-griechischen Gesprächen in den letzten Tagen deutlich verändert und deutlich verbessert hat", sagte Steinmeier nach seinem Treffen mit Tsipras.

Dies sei zwar noch nicht die Lösung der finanzpolitischen Probleme Griechenlands, aber eine Voraussetzung für weitere ernsthafte Gespräche in den nächsten Tagen, sagte Steinmeier weiter. Die Gespräche in Berlin mit Tsipras sowie zuvor mit dem griechischen Außenminister Nikos Kotzias hätten hoffentlich "dazu beigetragen, dass mancher Missklang, den es in den deutsch-griechischen Beziehungen gab, jedenfalls nicht weiter in die Zukunft getragen wird".

"Ich habe mich bemüht, heute und auch in dem Gespräch mit dem griechischen Außenminister deutlich zu machen, dass die finanzpolitischen Probleme Griechenlands im Rahmen eines europäisch-griechischen Gesprächs überwunden werden müssen", hob der Außenminister hervor. Es sollte in Griechenland nicht der Eindruck entstehen, dass hier alles im deutsch-griechischen Verhältnis zu klären wäre. "Das ist nicht der Fall."

Steinmeier verwies in diesem Zusammenhang auch auf die von ihm bereits mit Kotzias vereinbarte Einsetzung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe. Darin wollten sich beide Seiten "über den Stand der deutsch-griechischen Beziehungen verständigen" und auch danach suchen, "wo wir dieses Verhältnis sogar intensivieren können".

In diesem Zusammenhang könnte auch die Aufarbeitung von NS-Unrecht in Griechenland eine Rolle spielen, für das die griechische Regierung Entschädigungen fordert. Steinmeier ging auf diese Frage aber nicht ein. Die deutsche Regierung beharrt bislang darauf, dass alle Reparationsfragen mit Griechenland abschließend geklärt seien.

Wagenknecht wirft Merkel Heuchelei vor

12.12 Uhr: Sahra Wagenknecht von der Linkspartei hat Merkel Heuchelei im Umgang mit Griechenland vorgeworfen. Merkel wolle Tsipras immer noch zwingen, die Kürzungsdiktate der Troika umzusetzen und „das griechische Tafelsilber zu verramschen“, schrieb die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag am Dienstag auf der Website ihrer Fraktion.

„Neu ist, dass Merkel eine gute Miene zu diesem bösen Spiel macht“, fügte sie hinzu. Der Plan der Kanzlerin für Europa laute: „Die Schulden sollen als Hebel genutzt werden, um einen Ausverkauf öffentlichen Eigentums zugunsten deutscher Konzerne zu organisieren.“

Urlaub auf griechischen Inseln wird teurer

10.59 Uhr: Wer seinen Urlaub auf einer griechischen Ferieninsel in der Ägäis verbringen will, muss mit einem höheren Mehrwertsteuersatz rechnen. Die Regierung in Athen plant den auf beliebten Inseln wie Mykonos, Santorin oder Paros seit Jahrzehnten geltenden ermäßigten Steuersatz auf das Festlandsniveau von 23 Prozent anzuheben. Dies teilte am Dienstag die stellvertretende Finanzministerin Nadja Valavani im Fernsehen mit. „Wir überlegen uns das. Wer würde sich daran stören, wenn auf Mykonos und Santorin gleiche Mehrwertsteuern gezahlt werden?“, fragte Valavani.

Wichtig sei, dass der geminderte Mehrwertsteuersatz für die abgelegenen und ärmeren Inseln erhalten bleibt, sagte sie weiter. In Griechenland gelten auf den rund 180 Inseln der Ägäis (außer Kreta) Mehrwertsteuersätze, die 30 Prozent unter denen im Rest des Landes liegen. Ziel ist es, die teuren Transportkosten für diese Inseln auszugleichen, den Tourismus zu fördern und ärmeren Inselbewohnern zu helfen.

Tsipras trifft auch Steinmeier und Gabriel

10.40 Uhr: Am zweiten Tag seines Berlin-Besuchs ist Alexis Tsipras am Vormittag auch mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zusammengekommen. Die Begegnung fand in einem Hotel am Potsdamer Platz statt. Später will Tsipras dort auch Vertreter der linken und grünen Opposition treffen. Am frühen Nachmittag ist auch ein Gespräch mit Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geplant.

Zudem will der linke Ministerpräsident das Mahnmal zur Erinnerung an die mehreren Millionen Juden besuchen, die von Nazi-Deutschland ermordet wurden. Nach Angaben der griechischen Botschaft ist der Rückflug erst am Abend geplant.

Amnestie für griechische Steuersünder

10.32 Uhr: Griechische Bürger, die Schwarzgeld aus dem Ausland wieder ins Land zurücküberweisen, sollen eine teilweise Steueramnestie erhalten. Im Gegenzug sollen sie eine einmalige Steuerabgabe zahlen. Diesen Plan der Regierung in Athen bestätigte am Dienstag die stellvertretende Finanzministerin Nadja Valavani im griechischen Fernsehen ANT1. „Ihnen (den Inhabern der Schwarzgelder) soll eine Möglichkeit gegeben werden, sie auf freiwilliger Basis anzumelden und dafür eine Steuer zu bezahlen“, sagte Valavani. Die griechische Presse hatte in den vergangenen Tagen von einer Besteuerung in Höhe von 15 Prozent berichtet. Valavani hielt sich bedeckt, wie und wann dies gesetzlich geregelt werden soll.

Die Entwicklung des Schuldendramas

April/Mai 2010

Die Euro-Länder einigen sich auf ein Rettungspaket. Griechenland soll über drei Jahre Kredithilfen der Eurostaaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF) von 110 Milliarden Euro bekommen. Athen beschließt ein Sparprogramm, Massenproteste folgen.

Juni 2011

Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone einigen sich auf ein weiteres milliardenschweres Hilfsprogramm.

Oktober 2011

Die Euroländer beschließen, Griechenlands private Gläubiger wie Banken und Versicherer sollten auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten.

November 2011

Regierungschef Giorgos Papandreou tritt zurück. Sein Nachfolger Lucas Papademos soll die verlangten Reformen durchsetzen.

Februar 2012

Das Parlament in Athen billigt ein neues Sparpaket, um weitere Hilfen zu erhalten. Es folgen schwere Ausschreitungen.

Juni 2012

Der Konservative Antonis Samaras wird Ministerpräsident.

Juli 2012

Die neue griechische Regierung macht Ernst mit der Verschlankung des Staates: Mehr als 200 Behörden werden geschlossen.

November 2012

Das griechische Parlament billigt ein neues Sparpaket als Voraussetzung für weitere Hilfen aus dem Ausland.

Juli 2013

Das Parlament billigt ein weiteres Sparpaket, das unter anderem die Entlassung von 15.000 Staatsbediensteten ermöglicht.

März 2014

Nach langen Verhandlungen Griechenlands mit den internationalen Geldgebern ist der Weg für weitere Hilfsmilliarden frei. Das Parlament in Athen billigt weitere Reformgesetze.

April 2014

Griechenland feiert eine erfolgreiche Rückkehr an den Kapitalmarkt und sammelt mit Staatsanleihen drei Milliarden Euro ein.

Januar 2015

Die Linkspartei Syriza unter Alexis Tsipras gewinnt die Parlamentswahl in Griechenland. Seine Popularität verdankt er der Ablehnung des vereinbarten Sparkurses.

Februar 2015

Finanzminister Gianis Varoufakis beantragt in einem Brief an Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem weitere Hilfen. Im dritten Anlauf einigen sich die Euro-Finanzminister grundsätzlich auf eine Verlängerung der dringend benötigten Finanzhilfen.

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Griechischer Verteidigungsminister kündigt Untersuchungen an

9.41 Uhr: Der griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos will alle Korruptionsfälle im Rüstungssektor und andere staatliche Beschaffungen neu untersuchen lassen. Dabei seien zahlreiche deutsche Unternehmen verwickelt gewesen, sagte der Chef der rechtspopulistischen Koalitionspartei Anel am Dienstag. Seine Regierung wolle die Korruption bekämpfen. Die Deutschen sollten nun mitteilen, wer bestochen wurde, „damit wir das Geld zurückfordern“, sagte er im Fernsehen. Für Korruption brauche man immer zwei Seiten.

Die Anel-Partei ist der kleinere Bündnispartner des Linksbündnisses Syriza von Ministerpräsident Tsipras.

Kammenos hatte kürzlich auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Schäuble dessen Verwicklung in die CDU-Parteispendenaffäre vorgehalten und mehrfach gedroht, Mittelmeer-Flüchtlinge nach Westen zu schicken, falls sein Land aus dem Euro gedrängt werde. Auch fordert er Entschädigungen Deutschlands für die während des Zweiten Weltkrieg verübten Verbrechen und eine Zwangsanleihe, die Nazi-Deutschland Griechenland abgepresst hatte.

Schulz rechnet mit rascher Einigung

9.22 Uhr: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz rechnet noch in dieser Woche mit einer Einigung im Schuldenstreit zwischen Griechenland und seinen europäischen Partnern. "Ich glaube, dass bis Ende der Woche ein neuer Vertrag erreicht wird, der ausreicht, um den dringendsten Finanzbedarf zu lösen", sagte Schulz in einem am Dienstag von der italienischen Zeitung "La Repubblica" veröffentlichten Interview. Griechenland blieben danach "höchstens drei Monate Zeit", um einen "glaubwürdigen, detaillierten und endgültigen" Plan vorzulegen.

Griechenland ist auf finanzielle Hilfen von außen angewiesen. Andernfalls droht dem hoch verschuldeten Land die Staatspleite und sogar der Abschied aus der Währungsunion. Die Euro-Länder verlangen im Gegenzug für Hilfen verbindliche Reformzusagen.

Kipping äußert sich vor Tsipras-Treffen

9.14 Uhr: Die Parteichefin der Linken, Katja Kipping, hofft auf mehr Verständnis für die Situation in Griechenland. Die Menschen des hoch verschuldeten Landes hätten "unter enormen sozialen Problemen zu leiden", sagte Kipping im ARD-"Morgenmagazin". Darauf versuche die Regierung in Athen zu reagieren.

"Ich hoffe, dass es im Ergebnis dieses Gespräches mehr Verständnis für die Situation in Griechenland gibt", fügte sie mit Blick auf das Treffen von Tsipras mit Merkel hinzu. "Ich glaube, eine gewisse sprachliche Abrüstung war sehr hilfreich."

"Im Vorfeld konnte man sehen, dass dieser ganze Besuch als Showdown inszeniert worden ist", sagte die Linke-Chefin, die am Dienstagvormittag mit Tsipras zu einem Gespräch zusammenkommt. "Aber das Ringen um die Zukunft Europas sollte man nicht wie einen Boxkampf inszenieren, wo einer am Ende k.o. gehen muss."

Weitere Pressestimmen zum Tsipras-Besuch

8.09 Uhr: Die „Neue Zürcher Zeitung“ kommentiert am Dienstag das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in Berlin: „Die Kreativität, von der Merkel in ihrer Regierungserklärung am Donnerstag sprach, stösst im innenpolitischen Alltag an Grenzen. Die öffentlichen Gedankenspiele darüber, was bei einem Austritt Griechenlands aus dem Euro-Raum geschehen würde, sind salonfähig geworden, auch bei Spitzenpolitikern. Genauso offen wird aber auch über die geopolitischen Folgen einer derartigen Entwicklung nachgedacht - Merkel sprach davon, dass die Welt genau hinschaue, wie Europa seine Krisen bewältige. An der zerstörerischen Wirkung der Missverständnisse und Verleumdungen kann keiner Seite gelegen sein.

Die französische Tageszeitung „Le Monde“ schreibt: „Angela Merkel scheint entschlossen, eine schwere Krise mit Athen vermeiden zu wollen. Sie will auf keinen Fall als Verantwortliche für einen "Grexit" gelten, der sich als fatal für den europäischen Aufbau herausstellen könnte. Und wenn sie grünes Licht gibt (was allerdings nur bei wirklichen Fortschritten Griechenlands möglich erscheint), dann werden sich alle ihrer Meinung anschließen – so ist es bisher immer geschehen.“

Die konservative britische „Times“ kommentiert das Treffen zwischen Merkel und Tsipras wie folgt: "The Times" schreibt: „Die von Alexis Tsipras geführte populistische Syriza-Regierung sollte sich darüber klar werden, dass Griechenland seine Verpflichtungen gegenüber anderen demokratischen Staaten erfüllen muss. Tsipras will in allererster Linie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel dazu bewegen, die Anforderungen an Griechenland abzuschwächen, öffentliche Ausgaben zu senken und die Staatsschulden zu verringern. Doch in Wirklichkeit hat Tsipras nicht begriffen, wieso Griechenland wirtschaftlich leidet. Das Land hat während der langen Jahre des Wohlstands mehr ausgegeben, als es sich leisten konnte, und hat so unermessliche Schulden angehäuft. Um zu gesunden, muss Griechenland seine Finanzen in Ordnung bringen.“

Der linksliberale „Guardian“ schreibt: „Zum Konflikt kam es zwischen beiden Politikern über das Thema Zweiter Weltkrieg. Und über den grundlegenden Streit um weitere Gelder und die Gegenleistungen Griechenlands, um eine Staatspleite innerhalb der nächsten Wochen zu vermeiden, schien es keine Annäherung gegeben zu haben. Weder (der griechische Ministerpräsident Alexis) Tsipras noch (Bundeskanzlerin Angela) Merkel wollen einen Austritt Griechenlands aus dem Euro. Doch die fehlende Einigung in Berlin deutet auf eine Verschärfung des harten Kurses auf beiden Seiten hin, die zu einem Scheitern der Verhandlungen führen könnte.“

Auch die französische Wirtschaftszeitung „Les Echos“ kommentiert den Tsipras-Besuch in Berlin: „Beide Politiker wollten nicht öffentlich über die neue Liste der Reformen Griechenlands sprechen, die die Finanzminister der Eurozone in den nächsten Tagen prüfen sollen. Deutschland will die Eurozone erhalten, doch Merkels christdemokratische Partei und die deutsche Bevölkerung liebäugeln zunehmend mit einem Austritt Griechenlands aus dem Euro. (Der griechische Ministerpräsident Alexis) Tsipras hat seinerseits für die Einhaltung der Verträge und die Anerkennung demokratischer Abstimmungsergebnisse plädiert.“

Oppermann hält Grexit weiter für möglich

8 Uhr: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann schließt ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone trotz aller Bemühungen zur Lösung der Probleme des Landes nicht aus. "Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone wäre ein politisches Desaster", sagte Oppermann am Morgen im Deutschlandfunk. Das gelte auch mit Blick auf die "Idee von Europa" und die Lösung internationaler Krisen. "Da müssen wir alles dafür tun, dass Europa zusammenbleibt". Auf die Frage, ob ein Euro-Aus Griechenlands dennoch denkbar sei, antwortete er: "Natürlich kann man das nicht ganz ausschließen".

Der SPD-Politiker unterstrich, es liege vorrangig an der griechischen Regierung, die Voraussetzungen für einen Verbleib im Euro zu erfüllen und die eingegangenen Vereinbarungen einzuhalten. "Was wir jetzt brauchen ist natürlich eine Regierung, die die Probleme im eigenen Land, die auch nur im eigenen Land lösbar sind, endlich angeht", sagte Oppermann. Wenn sich die Regierung in Athen auf diesen Weg begebe, müsse man sie unterstützen. "Diese Regierung verdient in diesem Punkt eine ehrliche Chance."

Das Thema Reparationen und Entschädigungen für Griechenland sollte nicht mit der aktuellen Debatte um die Finanzprobleme vermengt werden, sagte Oppermann. "Ich teile die Auffassung der Bundesregierung, dass das rechtlich und politisch geklärt ist", sagte er. "Gleichwohl, wir müssen etwas tun, um das Verhältnis zwischen Deutschen und Griechen zu verbessern". Ein Ansatzpunkt sei möglicherweise der Zukunftsfonds zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Griechenland. Es habe in der Vergangenheit Versäumnisse bei der Aufarbeitung des deutsch-griechischen Verhältnisses gegeben, räumte Oppermann ein.

Oppositioneller stichelt gegen Tsipras

7.56 Uhr: Der Sprecher der Parlamentsfraktion der griechischen konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND), Adonis Georgiadis, hat nach dem Tsipras' Treffen mit Merkel erklärt: „Willkommen im Klub der Merkelisten.“ Tsipras hatte in den vergangenen Jahren die damals regierenden Konservativen und Sozialisten als „Merkelisten“ bezeichnet, weil sie seiner Meinung nach bedenkenlos alle Spardiktate aus Berlin in die Tat umsetzten.

Griechen wollen bis Montag Reformpaket vorlegen

7.49 Uhr: Nach Angaben eines Regierungssprechers der Eurogruppe will Griechenland bis Montag sein Reformpaket vorlegen. "Das wird bis spätestens Montag geschehen", sagte Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis dem Fernsehsender Mega TV am Dienstag.

Tsipras lädt Merkel nach Griechenland ein

7.45 Uhr: Tsipras hat Merkel eingeladen, Griechenland zu besuchen. Dies sagte der Sprecher der Regierung, Gabriel Sakellaridis, am Dienstag im griechischen Fernsehen. „Ja, Tsipras hat die Bundeskanzlerin eingeladen“, sagte der Sprecher. Ein Datum für den Besuch nannte er nicht.

Bei den Gesprächen am Vorabend in Berlin habe Tsipras keine genaue Liste der geplanten griechischen Reformen Merkel vorgelegt. Alle Themen seien aber angesprochen worden, hieß es. Die Liste der Maßnahmen werde in den nächsten Tagen fertig sein. Sie werde keine Maßnahmen beinhalten, die den Bürger finanziell belasten werden, hieß es.

AfD-Chef Lucke kritisiert Tsipras

7.29 Uhr: AfD-Chef Bernd Lucke übt weiter Kritik an den griechischen Reformplänen. "Der Reformliste, die Herr Tsipras nun präsentiert, muss man Mangel an Ernsthaftigkeit vorhalten", sagte der Hamburger Politiker am Dienstag laut Mitteilung. Und weiter: "Eine Steueramnestie für Griechen, die ihr Vermögen ins Ausland verlagert haben, ist bereits 2010 als eine der ersten Reformmaßnahmen beschlossen worden. Eine nennenswerte Verbesserung der griechischen Staatsfinanzen hat es dadurch nicht gegeben. (...) Die Regierungen der Eurozone wissen natürlich, dass die Liste nichts taugt und nur dem Ziel dient, weitere Hilfszahlungen der EU zu erhalten. Aber solange Frau Merkel daran festhält, dass Griechenland unbedingt in der Eurozone bleiben muss, muss sie gute Miene zum bösen Spiel machen."

Das sind die griechischen Pressestimmen

7.12 Uhr: Der erste offizielle Besuch von Tsipras ist nach Ansicht des größten Teils der griechischen Presse einen gelungener Versuch, die Eiszeit zwischen Berlin und Athen zu beenden. So schreiben die Blätter am Dienstag:

„Merkel (rollte den) Roten Teppich aus - Tsipras (entfaltete eine) Realpolitik“, meint die Zeitung der politischen Mitte „Ta Nea“. Tsipras habe klargestellt, man brauche einen anderen politischen Mix. Er habe aber auch zugegeben, dass auch Positives in den vergangenen Jahren geschaffen wurde (durch die von den Geldgebern durchgesetzten Reformen in Griechenland) und dies dürfe nicht „niedergerissen werden.“

Das Boulevardblatt „Ethnos“ schreibt auf der Titelseite: „Das Eis ist gebrochen“. Das Treffen habe den Weg für die Verständigung geebnet. Merkel habe klargestellt: Die Griechen müssen die Reformen selbst in die Tat umsetzen. Die Bewertung und damit auch die Entscheidung für weitere Hilfen treffe nicht Berlin sondern die Eurogruppe.

„Lebenspartnerschafts-Abkommen“, titelt das linke Blatt „Efimerida ton Syntakton.“ Alles sei auf dem Tisch gelegt worden. Die Reparationen, die Korruption, in die aber auch deutsche Firmen verstrickt sind. Tsipras habe gestanden, dass viele Probleme hausgemacht seien.

Die konservative Traditionszeitung „Kathimerini“ titelt: „Versuch das Eis zu brechen“. Tsipras verspricht, Griechenland werde die Auflagen erfüllen. Merkel klärt, die Institutionen werden die Entscheidung für weitere Hilfen treffen.

„Stunde des Realismus“ überschreibt die „Kathimerini“ einen Leitkommentar. „Griechenland würde in einer viel besseren Position sein, wenn er (Tsipras) von Anfang an die gestrige Taktik gehabt hätte“, meint das Blatt. Athen steckte bislang in der Falle ihrer früheren Oppositionsrhetorik. Tsipras muss den antieuropäischen Populismus einiger Regierungsmitglieder beenden. Es sei die Stunde für alle gekommen, reif zu werden, meint die „Kathimerini.“

Konservativer ruft zum Dialog auf

7.02 Uhr: Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), hat die griechische Regierung zum Dialog aufgerufen. „Mit den Ankündigungen und der lauten Rhetorik in Athen muss es ein Ende haben“, sagte Weber in Brüssel. Offenbar beginne auch Tsipras zu verstehen, dass es weder ihm noch seinem Land helfe, die Partner in der Eurozone zu provozieren und einen „Kopf-durch-die-Wand-Stil“ anzuwenden. „So weiter vorzugehen, würde Griechenland in eine sehr schwierige Situation bringen“, sagte der EVP-Fraktionsvorsitzende.

Weber nannte den Besuch Tsipras' in Berlin und das Gespräch mit der Bundeskanzlerin einen „atmosphärisch wichtigen Schritt für die kommenden Gespräche zur Zukunft Griechenlands“. Die Regierung in Athen müsse alle Vereinbarungen mit den Institutionen uneingeschränkt anerkennen und so schnell wie möglich Reformen vorschlagen und umsetzen, um Griechenland wieder in die Spur zu bringen. „Zu viel ist von der Tsipras-Regierung bereits beschädigt worden“, kritisierte Weber. „Seinem Land hat er damit einen Bärendienst erwiesen.“ (HA/dpa/rtr/afp)