Benedikt XVI. trat als zweites katholisches Kirchenoberhaupt nach Johannes Paul II. auf dem traditionsreichen ARD-Sendeplatz auf.

München. Zum zweiten Mal hat ein Papst ein „Wort zum Sonntag“ in der ARD gesprochen. Wenige Tage vor seiner Deutschlandreise betonte Papst Benedikt XVI. am Samstagabend, es handele sich bei seinem Besuch nicht um religiösen Tourismus oder gar eine Show. Es gehe darum, „dass Gott wieder in unser Blickfeld tritt, der so oft ganz abwesende Gott, dessen wir doch so sehr bedürfen“.

Benedikt XVI. betonte, er freue sich insbesondere auf Berlin, die Rede im Bundestag und den großen Gottesdienst im Olympiastadion. Auch die Begegnung mit der Spitze der evangelischen Kirche im Erfurter Augustinerkloster, wo Luther seinen Weg begonnen habe, werde ein Höhepunkt der Reise sein.

„Wir erwarten keine Sensationen“, dämpfte der Papst zugleich Erwartungen. „Das eigentlich Große daran ist eben dies, dass wir miteinander an diesem Ort denken, das Wort Gottes hören und beten, und so inwendig beieinander sind und sich wahrhaft Ökumene ereignet.“ Das Kirchenoberhaupt würdigte auch die Menschen im thüringischen Eichsfeld, die „durch alle Verwirrungen der Geschichte hindurch katholisch geblieben“ seien.

Benedikt XVI. appellierte an die Deutschen, sensibler für Gottes Wort zu werden. „Wir müssen die Wahrnehmungsfähigkeit für Gott, die in uns da ist, wieder neu entwickeln“, sagte er. Die Größe Gottes sei etwa in der Größe des Kosmos, in den Worten der Bibel und in Begegnungen mit Menschen erfahrbar, die von Gott angerührt worden seien.

1987 hatte Papst Johannes Paul II. erstmals das „Wort zum Sonntag“ gesprochen. Benedikt XVI. besucht von Donnerstag bis Sonntag die Erzbistümer Berlin und Freiburg sowie das Bistum Erfurt. (kna/abendlatt.de)

Ströbele kritisiert geplante Papst-Rede im Bundestag

Vor allem der Auftritt des Papstes im Bundestag polarisiert. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hält die geplante Rede in der kommenden Woche für "unangemessen“. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dapd in Berlin übte er heftige Kritik an der Einladung: "Dass der Deutsche Bundestag seine Sitzungswoche verschiebt, damit mehr Abgeordnete anwesend sind, wenn der Papst kommt, ist nicht mit der Trennung von Kirche und Staat zu vereinbaren.“

Es sei in Ordnung, dass der Papst sein Heimatland besuche und hier Messen abhalte, betonte Ströbele. "Aber im Deutschen Bundestag vor den Vertretern des gesamten deutschen Volkes zu reden, gebührt Personen, die besondere Verdienste in der Politik erworben haben.“

Das sei bei Papst Benedikt XVI. nicht der Fall, "ganz im Gegenteil“, sagte Ströbele. "Er hat in politischen Dingen vieles gesagt und getan, was ich nicht für richtig halte, etwa seine Äußerungen zur Familienplanung, zur Kondombenutzung oder seine negative Einstellung zur Kirche der Befreiung in Lateinamerika.“

Er kritisierte zudem, dass der Papst offiziell als Staatsoberhaupt des Vatikans eingeladen worden war. "Er spricht als Oberhaupt der katholischen Kirche. Alles andere stimmt nicht“, sagte Ströbele. "Den Präsidenten eines Staates von knapp 1.000 Einwohnern würde man, selbst wenn er demokratisch gewählt worden wäre, nicht anfragen, um im Deutschen Bundestag sprechen.“

Er halte es sich aber weiter offen, ob er bei der Rede anwesend sein werde, sagte der Parlamentarier.

Berliner Bischof Dröge begrüßt Papstbesuch

Zustimmung zu seinem Besuch erhält der Papst dagegen vom Berliner evangelischen Bischof Markus Dröge. Das Zusammentreffen von Benedikt XVI. mit Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kommenden Freitag in Erfurt sei eine"„einmalige Gelegenheit für das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, die Errungenschaften der Reformation zu würdigen“, sagte Dröge am Sonnabend im RBB-Hörfunk.

Benedikt XVI. sei der erste Papst seit der Reformationszeit, der in Deutschland Theologieprofessor war und somit die evangelische Theologie aus ihrem Ursprungsland kennt. Zudem sei er eine eindrucksvolle und glaubwürdige Persönlichkeit, bescheiden und intellektuell redlich, sagte Dröge.

Auch sein Auftritt im Bundestag sei ein gutes Zeichen, denn damit werde deutlich, dass der christliche Glaube eine große öffentliche Bedeutung für Deutschland hat. "Wir Evangelischen sehen es eher kritisch, dass der Papst als Staatsoberhaupt auftritt. Als Religionsvertreter hat seine Stimme aber Gewicht“, so der Bischof.

Kauder: Boykott-Ankündigung "beschämend"

Die knappe Mehrheit der Deutschen ist einer Umfrage zufolge für den Auftritt von Papst Benedikt XVI. im Bundestag. 51 Prozent finden es laut einer Emnid-Umfrage für den "Focus“ richtig, dass der Papst dort eine Rede hält, berichtet das Münchner Nachrichtenmagazin. 39 Prozent hielten das für falsch. Das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid befragte den Angaben zufolge für "Focus“ 1.008 repräsentativ ausgewählte Personen.

Rund 100 Abgeordnete von Grünen, Linkspartei und SPD wollen der Rede von Benedikt XVI. am 22. September fernbleiben. Bei katholischen Bischöfen war diese Ankündigung auf Kritik gestoßen. Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann sagte der "Frankfurter Rundschau“ (Sonnabendausgabe), wenn Abgeordnete dem Auftritt fernblieben, sei dies "schäbig und primitiv“. Im Hinblick auf Proteste gegen den Papstbesuch riet Lehmann zur Gelassenheit.

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), kritisierte den angekündigten Boykott der Papstrede durch Abgeordnete von SPD, Grünen und Linkspartei als "beschämend“. In einer Demokratie könne jeder Kritik an einer Person äußern, heißt es in einem Gastkommentar Kauders für die "Bild am Sonntag“: "Man muss ihm aber zuerst zuhören. Das ist ein Gebot des Anstands - und gerade einem deutschen Papst gegenüber sollten sich alle Parlamentarier daran erinnern.“

Kauder betonte, der Papst spreche vor dem deutschen Parlament als Staatsoberhaupt, er komme nicht allein als Oberhaupt der größten christlichen Kirche mit über einer Milliarde Gläubigen. "Er wird in dieser Funktion im Bundestag sprechen – als erster Papst überhaupt. Seine Rede ist eine Ehre für das Parlament. Zumindest sollten aber alle Parlamentarier dem Papst Respekt entgegenbringen“, fügte der CDU-Politiker hinzu.

Abgeordnete der Grünen wollen mit Aids-Schleifen am Donnerstag bei der Rede von Papst Benedikt XVI. im Bundestag protestieren. "Wir möchten uns mit Aidskranken solidarisieren vor dem Hintergrund der aus unserer Sicht kritikwürdigen Verhütungspolitik des Vatikans“, sagte der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour dem "Focus“. An der Sitzung teilzunehmen sei aber ein "Akt der Höflichkeit.“

Auf die Kritik der Oppositionspolitiker am Auftritt des Papstes im Bundestag hatte der Vatikan mit Gelassenheit reagiert. Das Kirchenoberhaupt spreche dort auf Einladung von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), sagte Vatikansprecher Federico Lombardi am Freitag. "Er wird seine Rede für die Personen halten, die ihn anhören möchten und die seine Ansprache mit Respekt aufnehmen möchten.“ Der Papst wird Deutschland vom 22. und 25. September in Berlin, Erfurt und Freiburg erstmals einen offiziellen Besuch abstatten. (dpa/kna/epd/abendblatt.de)