Zwischen Union und FDP droht gewaltiger Zoff. Die neue Börsensteuer findet bei den Liberalen wenig Freunde, sagt der Fraktionsvizechef.

Berlin. Beim Thema Finanztransaktionssteuer auf Börsengeschäfte droht der Koalition in Berlin gewaltiger Zoff. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) signalisierte am Wochenende seine Bereitschaft, die Steuer nur in der Euro-Zone einzuführen. Der wichtigste Finanzplatz London bliebe damit außen vor. Die FDP will sich dagegen nur zusammen mit allen 27 EU-Ländern auf die neue Abgabe einlassen. Die Privatbanken lehnten die Belastung als sinnlos ab, weil Händler mit einem Mausklick auf andere Börsenplätze ausweichen könnten. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) warnte deshalb vor einem Verlust von rund 70.000 Arbeitsplätzen in Frankfurt am Main.

Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas hatten zuvor vereinbart, die Steuer in der EU mit Macht voranzutreiben. Im September wollen sie einen Vorschlag machen. Am Dienstag berät Finanzminister Wolfgang Schäuble mit seinem Amtskollegen François Baroin darüber. Im Gespräch ist ein Steuersatz bis zu 0,05 Prozent je Transaktion. Die Pläne hatten Finanzaktien abstürzen lassen.

Eine wichtige Frage ist die Einbeziehung Londons. Bisher sperren sich die Briten gegen eine zusätzliche Belastung ihres Finanzplatzes, der die wichtigste Wachstumslokomotive des Landes ist. In EU-Kreisen hieß es, ob die Regierung von Premierminister James Cameron bei einem strikten Nein bleibe, sei noch nicht ausgemacht. Schließlich brauche das hoch verschuldete Land dringend Einnahmen. Strikt gegen die Steuer hat sich bisher auch Schweden ausgesprochen.

Schäuble sagte der "Welt am Sonntag“, wenn es nicht gelinge, die Steuer in der gesamten EU einzuführen, plädiere er "ganz persönlich für die Steuer in der Euro-Zone“. Darüber werde dann gegebenenfalls mit der FDP zu diskutieren sein. Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler hatte die Zustimmung seiner Partei zuvor kategorisch an eine Einführung in allen 27 EU-Ländern geknüpft. Fraktionsvizechef Florian Toncar sagte Reuters, bei den Liberalen finde die neue Steuer wenig Freunde. Er halte sie für keine gute Idee, weil sie nicht zwischen riskanten und risikoarmen Geschäfte unterscheide: "Sie macht Spekulationen attraktiver.“ Außerdem erfasse sie nicht die Schattengeschäfte, die an regulierten Börsen vorbeigehen.

Die direkt betroffenen Privatbanken argumentieren, sowieso wären nur Sparer und Kleinanleger gekniffen, die Geld für ihre Rente in Deutschland anlegten. "Denn Börsenprofis ist es egal, ob sie ihr Geschäft über die Börsen in Europa, Asien oder USA abwickeln“, sagte Bankenverbandspräsident Andres Schmitz der "Bild am Sonntag“. Die großen Steuereinnahmen blieben damit aus. Befürworter gehen dagegen - je nach Gestaltung der Steuer - von rund 30 bis 50 Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr aus. Wie Hessens Ministerpräsident warnte Schmitz vor einem Verlust von Jobs. Bouffier sagte, der Finanzplatz Frankfurt müsse erhalten werden. Sonst werde es keine Zustimmung geben.

Befürworter findet die Steuer dagegen seit Jahren bei der SPD und den Grünen sowie in globalisierungskritischen Kreisen. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Merkel vor, sie habe in Wahrheit kein Interesse an einer Beteiligung der Märkte an den Kosten der Finanzkrise: "Angela Merkel und ihre jeweiligen Wirtschaftsminister haben diese Finanzmarktbesteuerung in Europa immer verhindert“, sagte er der "Welt“. "So wird es auch dieses Mal sein.“