Der chinesische Dissident Liu Xiaobo erhält den Friedensnobelpreis. Chinesische Medien berichten bisher nicht über die Entscheidung aus Oslo.

Peking. Die chinesische Regierung reagierte nur äußert knapp auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an den Dissidenten Liu Xiaobao. “Liu Xiaobo ist ein Krimineller, der von der chinesischen Justiz wegen Verstößen gegen chinesisches Recht verurteilt wurde“, sagt der Sprecher des Außenministeriums Ma Zhaoxu rund eineinhalb Stunden nach Bekanntgabe der Entscheidung. Die Auszeichung Lius laufe "völlig dem Prinzip des Preises zuwider" und stelle zudem eine "Schmähung des Friedenspreises" dar. Sie werde sich negativ auf die Beziehungen zwischen China und Norwegen auswirken.

Die staatlichen Medien in China berichten bisher nicht über die Entscheidung des Nobelpreiskomitees. Viele Chinesen haben von der Ehrung des Menschenrechtlers aber schon über das Internet erfahren. Im Twitter-Account von Liu Xiaobos Frau Liu Xia laufen jede Minute neue Mitteilungen ein, die ersten Gratulationen erschienen dort schon um 11 Uhr MEZ, direkt nachdem die Entscheidung verkündet wurde.

Liu Xiaobo selbst weiß noch nichts von seiner Ehrung. Seine Frau Liu Xia sagte, die Polizei habe ihr mitgeteilt, dass sie in die Provinz Liaoning reisen könne, um am Sonnabend ihrem dort inhaftierten Mann von der Ehrung zu berichten. Der verurteilte Menschenrechtler war in diesem Frühjahr von Peking in das weit entfernte Gefängnis verlegt worden. Seine Frau darf ihn einmal im Monat besuchen und ihm Bücher mitbringen. Seine Haftzeit endet, sollte das Urteil nicht revidiert werden, am 21. Juni 2020. Liu Xia verlangt von der chinesischen Regierung die Freilassung ihres Mannes.

Auch die Bundesregierung fordert seine Freilassung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe sich in der Vergangenheit dafür eingesetzt und werde das auch jetzt tun, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Regierung wünsche sich, dass Liu „diesen Preis selber in Empfang nehmen kann.“

Auf Twitter wird schon spekuliert, ob Liu Xiaobo an der Verleihung des Friedensnobelpreises im Dezember teilnehmen wird. "Xiaomi2020" schreibt, man müsse für ihn so schnell wie möglich eine ärztliche Behandlung außerhalb des Gefängnisses ermöglichen, sonst sei Xiaobao im Dezember vielleicht gar nicht in der Lage, nach Oslo zu reisen.

"CXZJ" twittert, die chinesische Regierung müsse jetzt Mut und politische Weisheit zeigen und mit Dissidenten und Kritikern offene Gespräche führen.

Cui Weiping, Professorin der Filmakademie Beijing freut sich über die Entscheidung der Nobelpreisjury. Es sei gut, dass der Westen zu seinen Überzeugungen stehe und sich nicht einschüchtern lassse.

Liu Xia dankte den Gratulanten auf Twitter. Ihr Telefon stehe nicht mehr still, denn dutzende Fernsehsender und Zeitungen wollten nun Interviews mit ihr führen. Die Staatssicherheit hatte sie gestern Abend wegen des großen internationalen Medieninteresses aufgefordert, Peking zu verlassen, doch sie weigerte sich. Nun sitzt sie in ihrer Wohnung fest. Der Apartmentkomplex wurde von der Polizei abgeriegelt.

„Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er den Nobelpreis gewinnen würde“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. „Deswegen ist es umso schwerer, mir vorzustellen, wie sich alles entwickeln wird, nachdem er ihn bekommen hat.“ Kurz vor der Verleihung hatte sie die geistige Verfassung ihres Mannes als "recht gut" beschrieben. Er leide in der Haft aber immer wieder unter Magenproblemen.

Es gibt aber auch kritische Stimmen im Internet: So hofft etwa Twitter-User "Ralfwu", dass sich die Regierung Chinas durch die Entscheidung in Europa nicht aus der Ruhe bringen lässt.

Der pensionierte Philosophieprofessor der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaft Xu Youyu hatte zuvor in einem Interview vorhergesagt, dass der Nobelfriedenspreis dieses Jahres an Liu Xiaobo gehen werde. „Was er tut, zielt stets darauf ab, Freiheit und Demokratie friedlich und vernünftig voranzutreiben; Hass, Gewalt und Gegengewalt zu vermeiden, um schließlich eine friedliche Gesellschaftsumwandlung in China zu realisieren", sagte er.

Während des Prozesses am 23. Dezember 2009, in dem Liu Xiaobo zu elf Jahren haft verurteilt wurde, durfte er nur vier Minuten reden. Er sagte damals, der große Fortschritt Chinas könne nur darin liegen, sich Schritt für Schritt von der Kampfesideologie zu entfernen und Menschen und Menschenwürde ins Zentrum der Regierungsarbeit zu rücken.

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