Wege aus der Krise: Mit einem neuen Anlauf soll der Umfragen-Sinkflug gestoppt werden. Außenminister Westerwelle soll Parteichef bleiben.

Berlin. Die FDP will ohne großen Kurswechsel, aber mit einem pragmatischeren Regierungskurs ihr schlechtes Image überwinden. In der Steuerdebatte der Liberalen sind auch Einnahmeverbesserungen für den Staat nicht mehr tabu. Guido Westerwelle bleibt trotz der schlechten Umfrage- und Sympathiewerte Parteichef und Außenminister. In der Parteiführung wird er allerdings entlastet.

„Wir Freien Demokraten machen einen neuen Anlauf“, sagte er am Montag nach einer zweitägigen Klausur der FDP-Führung in Berlin. „Aber wir bleiben bei unseren Themen und unserem Kurs.“ Westerwelle gab auch eigene Fehler zu. Die FDP kommt nach knapp 15 Prozent bei der Bundestagswahl in Umfragen derzeit nur noch auf rund 5 Prozent. Westerwelle hat so schlechte Werte wie kein Außenminister je zuvor.

Bei der Klausur sah sich Westerwelle nach Angaben von Teilnehmern nicht mit der Forderung nach einer Ämtertrennung konfrontiert. Der 48-Jährige soll aber in der Parteiführung von Arbeit entlastet werden. Dabei richtet sich das Augenmerk vor allem auf Generalsekretär Christian Lindner (31), der auch das neue FDP-Grundsatzprogramm erarbeiten soll.

Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki, der oft zu den Kritikern der Parteiführung gehört, sieht die Rolle Westerwelles, aber auch Lindners gestärkt. Die Partei müsse jetzt inhaltlich und personell breiter auftreten als bisher, erklärte er.

Westerwelle sagte dazu: „Wir waren keine Ein-Thema-Partei, wir waren keine Ein-Mann-Partei, und wir werden es auch nicht werden.“ Als Regierungspartei müsse man die Arbeit aber auf mehr Schultern verteilen als in der Opposition.

Zur Arbeit der schwarz-gelben Koalition sagte der Vizekanzler, in den vergangenen Monaten sei „zu oft zu tief gestritten“ worden. „Was sich ändern muss, sind Form und Stil der Auseinandersetzungen.“ Die Bürger müssten erkennen können, dass man einem „gemeinsamen Ziel“ verpflichtet sei. „Wir wollen uns neues Vertrauen und neue Glaubwürdigkeit erarbeiten.“ Man müsse aus einer „schwierigen Phase“ zu neuen Erfolgen kommen.

In der Steuerpolitik drängt die Partei jetzt auf rasche Entscheidungen zum Abbau von Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer und zur Vereinfachung des Steuerrechts. Dazu wurde eine Kommission eingesetzt, die bis Herbst neue Vorschläge erarbeiten soll. Dann könnten eine Erhöhung der Reichensteuer oder des Spitzensteuersatzes wieder zur Diskussion stehen, berichteten Klausur-Teilnehmer. Westerwelle sagte dazu: „Es gibt keine Denkverbote.“ Am Ziel der Steuerentlastungen für die Mittelschicht hält die FDP ausdrücklich fest.

Als Themen, die jetzt stärker als bisher in den Vordergrund gestellt werden sollen, nannte die Parteispitze neben den Steuern auch die Bürgerrechte und die Bildungspolitik. Westerwelle zählte dazu auch die Außenpolitik und eine „rationale Umweltpolitik“. Die Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger sprach von einer „Neujustierung“ der gesamten Themenpalette.

Zur bisherigen Arbeit von Partei und Koalition äußerte sich der FDP-Chef selbstkritisch. Bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai habe Schwarz-Gelb viele Themen nicht schnell und nicht energisch genug angepackt. „Das gilt für alle und für mich persönlich auch.“ Am Sparkurs der Koalition will die FDP unbedingt festhalten. Forderungen nach Steuersenkungen sollen zeitlich „etwas entzerrt“ werden.

Zu seiner eigenen Rolle sagte Westerwelle, die Parteiführung sei ein Team. Es sei selbstverständlich, dass „jeder Vorsitzende von anderen Teammitgliedern entlastet werden will und entlastet werden muss“. Generalsekretär Lindner wurde damit beauftragt, ein neues Grundsatzprogramm zu erarbeiten, das 2012 verabschiedet werden. Das aktuelle Grundsatzprogramm der FDP stammt von 1997.

Lindner sagte, die Klausur habe Westerwelle eindeutig den Rücken gestärkt. Gesundheits-Staatssekretär Daniel Bahr - auch ein Mitglied der jüngeren FDP-Generation - stellte sich ebenfalls hinter den Parteichef. „Westerwelle hat als Trainer, wenn, dann ja nur ein einziges Spiel nicht gewonnen: die NRW-Wahl. Da wechselt man den Trainer nicht so schnell.“