Es sind schon jetzt die schwersten Gefechte sei November 2012. Der palästinensische Präsident Abbas spricht angesichts der vielen zivilen Opfer von Völkermord, während Israel Vorbereitungen für eine Bodenoffensive trifft.

Jerusalem. Mit massiven Luftangriffen geht Israel im Gazastreifen gegen die radikalislamischen Hamas vor. Am zweiten Tag der Großoffensive griffen Kampfflugzeuge am Mittwoch rund 200 Ziele an. Binnen 24 Stunden wurden mindestens 49 Menschen getötet. Der Raketenbeschuss auf israelisches Territorium ging trotzdem weiter. Israelische Spitzenpolitiker signalisierten, dass schon bald eine Bodenoffensive beginnen könnte.

„Die Armee ist für alle Möglichkeiten bereit“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts. „Die Sicherheit der israelischen Bürger steht an erster Stelle. Die Operation wird ausgedehnt und fortgesetzt, bis der Beschuss auf unsere Städte aufhört und wieder Ruhe einkehrt.“

Ägypten in der Vermittlerrrolle

Ägypten, das in der Vergangenheit bereits mehrfach als Vermittler zwischen Israel und den Palästinensern agiert hat, signalisierte, dass es mit allen Seiten in Kontakt stehe. Es gehe darum, dem palästinensischen Volk eine israelische Militäraktion zu ersparen, teilte das Büro von Präsident Abdel-Fattah al-Sisi mit. Ob es sich um formelle Bemühungen um einen Waffenstillstand handelt, blieb unklar.

Ohnehin ist Israel offenbar fest entschlossen, mit aller Härte gegen die Hamas vorzugehen. Die Regierung hat die Armee autorisiert, bis zu 40 000 Reservisten für eine Bodenoffensive zu mobilisieren. „Ungeachtet der Tatsache, dass es hart sein wird, schwierig und kostspielig, werden wir Gaza zeitweise übernehmen müssen, wohl für einige Wochen, um die Stärkung dieser Terrorarmee zu unterbinden“, sagte der für die Geheimdienste zuständige Kabinettsminister Juwal Steinitz Radio Israel. „Wenn sie mich nach meiner bescheidenen Meinung fragen, dann kommt eine solche bedeutende Operation immer näher.“

Mindestens 15 Tote Zivilisten

Nach Angaben palästinensischer Mediziner waren unter den 49 Todesopfern mindestens 15 Zivilisten und zehn militante Hamas-Anhänger. Israel griff seit Dienstag insgesamt rund 560 Ziele an, vor allem mutmaßliche Raketenabschussstellen, aber auch Gebäudekomplexe, Kommandozentralen, Waffenlager sowie zahlreiche Tunnel unter der seit Monaten geschlossenen Grenze zu Ägypten, über die die Hamas mit Waffen und anderen Gütern versorgt wird.

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas warf Israel angesichts der wachsenden Zahl ziviler Opfer Völkermord vor. Zugleich stellte er infrage, ob Israel wirklich Frieden mit den Palästinensern wolle. „Sollen diese Aktionen etwa deutlich machen, dass wir in zwei Staaten leben sollen?“, sagte er am Mittwoch in Ramallah.

Hamas-Funktionär Muschir al-Masri erklärte, Israel habe sämtliche roten Linien überschritten. Seine Organisation werde mit aller Härte zurückschlagen. „Was wir heute an Widerstand gezeigt haben, ist nur ein Teil dessen, wozu wir fähig sind“, sagte er.

Mehr als 160 Geschosse gehen in Israel nieder

Insgesamt gingen seit Dienstag mehr als 160 Geschosse in Israel nieder. Am Mittwoch wurden nach offiziellen Angaben zunächst sieben weitere Raketen auf Israel geschossen. In Tel Aviv und im Süden Israels gaben die Sirenen mehrfach Luftalarm.

Zwei aus dem Gazastreifen abgefeuerte Raketen sind am Mittwoch nach Armeeangaben in der Nähe der israelischen Atomanlage Dimona eingeschlagen. „Palästinensische Terroristen“ hätten insgesamt drei Geschosse auf die Stadt Dimona in der Negev-Wüste abgefeuert, teilte das israelische Militär am Abend mit. Zwei Raketen seinen in offenem Gebiet niedergegangen, eine weitere vom israelischen Abwehrsystem „Eiserne Kuppel“ abgefangen worden.

Der bewaffnete Arm der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas, die Essedin-al-Kassam-Bridgaden, erklärte, er habe drei Raketen vom Typ M75 auf Dimona abgefeuert. Es handelt sich dabei um Geschosse, die im Gazastreifen selbst hergestellt werden und eine Reichweite von rund 80 Kilometern haben.

Israel hat zwei Atomreaktoren, einer steht in Dimona in der Negev-Wüste und der andere in einer Forschungseinrichtung in Nahal Sorek, westlich von Jerusalem. Das Land gilt schon lange als Atommacht und verfügt Expertenschätzungen zufolge über etwa 200 Atomsprengköpfe. Die israelische Regierung lehnt aber eine offizielle Stellungnahme zu der Frage ab. Israelische Wissenschaftler und Politiker fordern schon seit langem die Schließung der rund 50 Jahre alten Anlage in Dimona, weil sie durch ihr Alter ein erhöhtes Unfallrisiko aufweisen könnte.

Die Hamas ist derzeit deutlich schwächer als beim letzten militärischen Konflikt mit Israel im Jahr 2012 – auch weil die Muslimbruderschaft in Ägypten, einst ein großer Unterstützer, im vergangenen Jahr von der Macht geputscht wurde. Aus israelischen Regierungskreisen hieß es am Mittwoch, man könne die Hamas heute deutlich mehr schwächen als damals, weil ihr Waffennachschub inzwischen beschränkt sei.