Die in der Haft erkrankte Politikerin will sich im März behandeln lassen. Die ukrainischen Behörden suchen noch immer nach Präsident Janukowitsch. Zugleich braucht das Land Milliardenhilfe.

Kiew. Die in der Haft erkrankte ukrainische Politikerin Julia Timoschenko will sich im März wegen ihres Rückenleidens in der Berliner Charité behandeln lassen. Die Ex-Regierungschefin habe eine Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel angenommen, teilte Timoschenkos Vaterlandspartei (Batkiwschtschina) am Montag mit. Demnach will die 53-Jährige zunächst den Gipfel der Europäischen Volkspartei am 6. und 7. März in Dublin besuchen. „Danach fährt sie in die Charité für eine unverzügliche Behandlung.“ Timoschenko war bereits während ihrer Haft von Experten der Charité behandelt worden. Sie leidet an den Folgen eines Bandscheibenvorfalls.

Unterdessen bemüht sich wenige Tage nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch die neue Führung des Landes um eine rasche Lösung der dringendsten Probleme. Der geschäftsführende Finanzminister Juri Kolobow teilte am Montag mit, sein Land benötige bis zum Ende des Jahres 25,5 Milliarden Euro und er hoffe auf Hilfe aus den USA oder Europa. Russland, das bislang die Macht Janukowitschs auch finanziell stützte, stellte jedoch die Legitimität der neuen Führung infrage. Der Ex-Präsident wird inzwischen mit einem Haftbefehl gesucht, sein Aufenthaltsort ist unbekannt.

Arseni Jazenjuk, einer der Anführer der Protestbewegung, sagte bei einer Rede im Parlament, die Staatsfinanzen lägen darnieder, das Land stehe kurz vor dem Bankrott. Finanzminister Kolobow appellierte vor allem an die USA und Polen, die Ukraine mit Krediten zu stützen. Zudem rief er zu einer internationalen Geberkonferenz auf.

In Berlin reagierte Regierungssprecher Steffen Seibert und sagte, das Angebot eines Partnerschaftsabkommens mit der EU sei noch nicht vom Tisch. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton traf sich derweil mit den Anführern der Protestbewegung in Kiew.

Übergangspräsident Alexander Turtschinow erklärte, er wolle bis Dienstag eine Interimsregierung aufstellen. Seibert mahnte, dabei auch die pro-russischen Gruppen im Osten und auf der Krim zu berücksichtigen. Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew zweifelte indes die Legitimität der neuen ukrainischen Führung an. Die neuen Spitzen seien aufgrund eines „bewaffneten Aufruhrs“ an die Macht gekommen, sagte Medwedew nach Berichten russischer Nachrichtenagenturen. Daher gebe es „große Zweifel“ an ihrer Legitimität und Russlands Interessen seien in Gefahr. Russland wisse derzeit nicht, wer sein Ansprechpartner in Kiew sei. Westliche Staaten kritisierte Medwedew scharf für ihre rasche Anerkennung der neuen Staatsführung nach dem Sturz von Janukowitsch.

Wegen Massenmordes gesucht

Der gestürzte Präsident hielt sich weiterhin versteckt. Berichten zufolge wurde er auf der Krim gesehen. Ein Haftbefehl sei erlassen worden, Janukowitsch werde wegen der „Massentötung von Zivilisten“ gesucht, teilte der Innenminister, Arsen Awachow, über das soziale Netzwerk Facebook mit. Awachow erklärte, Janukowitsch sei am Sonntag auf der Krim eingetroffen und halte sich seitdem an einem unbekannten Ort auf. Er zitierte aus einem mutmaßlich von Janukowitsch stammenden Brief, wonach dieser inzwischen keine Leibwachen mehr haben soll.

„Wir müssen Janukowitsch finden und vor Gericht stellen“, sagte Leonid Schowtak, ein 50-jähriger Demonstrant in Kiew. Bei den Kämpfen zwischen Regierungsgegnern und Sicherheitskräften in der vergangenen Woche waren mindestens 82 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden. Danach hatten sich die Ereignisse überschlagen. Janukowitsch war am Freitag in den Osten des Landes geflohen und untergetaucht. Die Abgeordneten erklärten ihn für abgesetzt und terminierten Neuwahlen für den 25. Mai, sie setzten die Freilassung der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko durch und wählten schließlich am Sonntag ihren Vertrauten Turtschinow zum Übergangspräsidenten.

Die Lage auf der Krim war indessen angespannt. Pro-russische Kräfte demonstrierten dort und forderten die Abspaltung von der Ukraine. In der Stadt Kerch marschierten Protestierende zum Rathaus, rissen die ukrainische Flagge ab und skandierten „Russland, Russland!“. In Sewastopol trat zudem der Chef der Stadtverwaltung zurück. Ein Kosaken-Verband rief zur Verteidigung der Krim auf und bat Russland um Hilfe.