Träumerei oder Realitätssinn? Russland und UN-Sondervermittler Brahimi glauben weiter an eine politische Lösung in Syrien.

Moskau/Damaskus/New York. Russland und der UN-Sonderbeauftragte Lakhdar Brahimi halten eine politische Lösung des Syrienkonflikts trotz der mehr als 40 000 Todesopfer weiter für möglich. Es gebe nur die Wahl zwischen einem politischen Prozess und der Hölle, sagte der algerische Diplomat am Sonnabend in Moskau. Zuvor hatte der wichtigste syrische Oppositionsblock Verhandlungen mit dem Regime von Baschar al-Assad in Moskau abgelehnt. Russlands Außenminister Sergej Lawrow kritisierte diese Entscheidung als Weg in die Sackgasse, weil Assad bis zum Ende auf seinem Posten bleiben werde. „Es gibt keine Möglichkeit, diese Position zu verändern“, sagte Lawrow nach Angaben der Agentur Interfax.

Der Ton zwischen Moskau und der syrischen Opposition wird zunehmend rauer. Der Vorsitzende der Nationalen Syrischen Koalition, Moas al-Chatib, forderte Russland auf, sich für seine Pro-Assad-Politik zu entschuldigen. Moskau müsse sich deutlich für den Abgang Assads aussprechen, sagte er dem Sender Al-Dschasira. Die Forderungen der Opposition, Russland müsse sich für seine Position entschuldigen, seien überraschend, sagte Lawrow. Wenn die Gegner von Machthaber Assad auf dessen Rücktritt beharrten, verschlimmere das die Situation in dem Land nur noch weiter. Er wiederholte zugleich die Haltung, wonach Russland weder Sanktionen noch einer militärischen Intervention zustimmen werde.

Forderung nach Waffenruhe

Trotz der nicht enden wollenden Gewalt sieht Lawrow Chancen auf eine friedliche Lösung. Die Lage sei aber sehr schwierig. „Die Auseinandersetzung eskaliert, die Zahl der toten Zivilisten steigt“, sagte der Moskauer Außenminister. Er forderte eine Rückkehr der UN-Beobachter nach Syrien nach einer Waffenruhe. Nötig sei aber ein größeres Kontingent. Russland gilt als einer der letzten verbliebenen engen Partner des Regimes in Damaskus. Russland und China haben im Weltsicherheitsrat mit ihrem Veto Strafmaßnahmen gegen Syrien verhindert.

UN-Sondervermittler Brahimi erklärte, er wolle mit einem politischen Prozess Syrien davor bewahren, ein gescheiterter Staat wie Somalia zu werden. Brahimi warnte erneut vor einem Religionskonflikt, der die gesamte Region in eine Katastrophe stürzen könnte. Ägyptens Präsident Mohammed Mursi stärkte hingegen der Opposition den Rücken. Für das derzeitige Regime gebe es in der Zukunft Syriens keinen Platz, sagte der Islamist während einer Rede vor dem Oberhaus des Parlaments in Kairo. Zugleich sprach sich das Oberhaupt des bevölkerungsreichsten arabischen Staates gegen eine ausländische Militärintervention aus.

Kämpfe dauern an

In Syrien dauerten die Kämpfe auch am Sonnabend weiter an. Allein bis zum frühen Nachmittag kamen nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mindestens 70 Menschen ums Leben. Dreizehn verwundete Syrer wurden über die Landgrenze in die Türkei transportiert und in verschiedene Krankenhäuser der Provinz Hatay verlegt. Ein Verwundeter erlag dabei seinen Verletzungen, meldete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Die Verletzten stammen aus den Dörfern um die syrische Stadt Idlib, in denen es erneut Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen gab. Das türkische Amt für Katastrophenschutz bezifferte auf seiner Webseite Zahl der syrischen Flüchtlinge in der Türkei auf 147 107.

Angesichts eines nicht enden wollenden Flüchtlingsstroms aus Syrien haben die Vereinten Nationen zum 30. Januar 2013 zu einer Geberkonferenz in Kuwait-Stadt eingeladen. Die UN hatten zuvor einen Hilfsappell in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar (1,13 Milliarden Euro) gestartet. Die UN gehen davon aus, dass sie in der ersten Hälfte des kommenden Jahres rund einer Million Flüchtlinge helfen müssen.