Immer mehr Assad-Getreue laufen zu den Rebellen über. Auch militärisch gerät das Regime in Bedrängnis. Zahl der Toten im Bürgerkrieg steigt.

Istanbul/Beirut. Syriens Präsident Baschar al-Assad laufen allmählich die hochrangigen Mitarbeiter davon. Zuletzt desertierte nun der Chef der Militärpolizei. In einer von dem arabischen Nachrichtensender Al-Arabija ausgestrahlten Videobotschaft begründete er den Schritt mit dem brutalen Vorgehen der Regierungstruppen. Generalmajor Abdelasis al-Schalal kritisierte, die Armee sei von ihrer Mission, das Volk zu schützen, abgekommen. Sie sei zu einer marodierenden, mordenden Bande geworden.

Al-Schalal ging davon aus, dass noch weitere wichtige Offiziere sich vom Regime lossagen wollten. Aktivisten meldeten aus der Region Al-Sabadani bei Damaskus ebenfalls, dass Dutzende Soldaten und rund 17 Offiziere zu den Rebellen übergelaufen seien.

Assad hat in den vergangenen Monaten bereits mehrere wichtige Mitstreiter verloren. Im August setzte sich sein Ministerpräsident Riad Hidschab nach nur zweimonatiger Amtszeit ab und schloss sich der Opposition an. Im Juli desertierte der Brigadegeneral Manaf Tlass mit Hilfe des französischen Geheimdienstes. Tlass war lange ein Vertrauter Assads gewesen.

Verwirrung gab es derweil erneut über den Aufenthaltsort des ebenfalls flüchtigen Sprechers des syrischen Außenministeriums, Dschihad Makdissi, der Anfang Dezember mit seiner Familie aus dem Bürgerkriegsland ausgereist war. Wie die Zeitung „Guardian“ berichtete, floh Makdissi nach Washington, nachdem er dem US-Geheimdienst wichtige Informationen über den Machtapparat Assads übermittelt habe. Von offizieller Seite wurde das in den USA nicht bestätigt. Syrische Behörden bestritten, dass Makdissi desertiert sei. Vielmehr habe er drei Monate Urlaub genommen, zitierte das Blatt syrische Kreise.

Auch militärisch gerät Assad zunehmend in Bedrängnis. Nach Angaben von Aktivisten vertrieben Rebellen die Regimesoldaten von einem strategisch wichtigen Stützpunkt an der türkischen Grenze. Auch bei Damaskus dauerten die Gefechte an. In der Provinz Rakka wurden nach Angaben der Opposition bei Militärangriffen am Mittwoch mindestens 20 Zivilisten getötet – unter ihnen acht Kinder. Seit Beginn des Aufstandes gegen Assad im März 2011 sind in Syrien nach Angaben von Aktivisten bereits mehr als 45 000 Menschen getötet worden.

Die Nato dementierte unterdessen eine Zeitungsbericht, nach dem sich die USA, Großbritannien und die Türkei ein militärisches Eingreifen in Syrien vorbereiteten. „Die Position der Nato ist unverändert. Nato hat keine Absicht, militärisch in Syrien zu intervenieren“, sagte ein Nato-Mitarbeiter am Mittwoch zu einem Online-Bericht der „Welt“. Wie das Blatt schrieb, plädierten die Regierungen in Washington, London und Ankara dafür, mit einer „vorsichtigen Planung“ zu beginnen.

Nach mehreren gescheiterten Anläufen hat der UN-Sonderbeauftragte Lakhdar Brahimi derweil einen neuen Versuch zur Lösung des Konflikts gestartet. Nach Beratungen mit Assad am Montag kam er am Dienstag mit der vom Regime geduldeten Opposition zusammen. Der algerische Diplomat nannte die Situation in dem Land „beunruhigend“. Am Samstag wurde Brahimi zu Gesprächen in Moskau erwartet, wie der russische Vize-Außenminister Michail Bogdanow am Mittwoch erklärte.

Der Vorsitzende des Nationalen Koordinationskomitees für den Demokratischen Wandel, Hassan Abdul Asim, sagte der dpa nach dem Treffen, Brahimi wolle einen Konsens zwischen USA und Russland erreichen, um den Weg für einen friedlichen Übergabe der Macht zu ebenen. Brahimi reiste zum dritten Mal nach Syrien, seit er im August sein Amt angetreten hat. In westlichen Diplomatenkreisen wird gemunkelt, dass dies auch sein letzte Besuch gewesen sein könnte, falls es keine Bewegung in dem Konflikt gibt. Sein Vorgänger Kofi Annan hatte im Sommer aufgegeben.

Auch Benedikt XVI. widmete sich am ersten Weihnachtsfeiertag in Rom dem Konflikt: „Noch einmal rufe ich dazu auf, das Blutvergießen zu beenden, die Hilfeleistungen für die Flüchtlinge und Evakuierten zu erleichtern und auf dem Weg des Dialogs eine politische Lösung für den Konflikt zu verfolgen“, sagte er.