Kanzlerin stärkt Ministerin nach Plagiatsvorwürfen den Rücken. Schavan kritisiert Universität. Opposition fordert rasche Aufklärung.

Berlin. In der Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit erhält Bildungsministerin Annette Schavan Rückendeckung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU). „Die Ministerin hat mein vollstes Vertrauen“, sagte Merkel am Montag in Berlin. Mit einer ersten Prüfung der Beschuldigungen gegen Schavan ist nun der Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf befasst. Die Opposition hält die Ressortchefin für politisch erledigt, sollten sich die Plagiatsvorwürfe bestätigen.

Nach einem Bericht des „Spiegel“ kommt ein Gutachter der Heinrich-Heine-Universität zu dem Schluss, dass etliche Stellen von Schavans Dissertation das „charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise“ tragen. Insgesamt soll es auf 60 der 351 Seiten langen Doktorarbeit beanstandete Textstellen geben. Zuvor hatte bereits ein Blogger erklärt, er habe zahlreiche Stellen mit falsch gekennzeichneten Zitaten gefunden.

Merkel mahnte eindringlich, nun zunächst die Stellungnahme von Schavan abzuwarten. Auch wolle sie der Entscheidung des Düsseldorfer Promotionsausschusses nicht vorgreifen. Vor der unabhängigen Arbeit habe sie den notwendigen Respekt, betonte die Kanzlerin. Ähnlich hatte Merkel bereits in der Plagiatsaffäre um den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) reagiert.

Schavan sagte der „Rheinischen Post“: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt bei der Arbeit an meiner Dissertation versucht zu täuschen. Sobald mir der Promotionsausschuss Gelegenheit dazu gibt, werde ich zu den Vorwürfen Stellung nehmen.“ Zugleich kritisierte sie die Universität. „Es ist ein bemerkenswerter Vorgang, dass ein vertrauliches Gutachten eines Hochschullehrers der Presse vorliegt, bevor die Betroffene von der Existenz des Gutachtens weiß.“

Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf will sich derzeit nicht zu den Plagiatsvorwürfen gegen Schavan äußern und verweist auf das laufende Verfahren. „Die zuständigen Organe und Gremien dieses Verfahrens haben zu keiner Zeit öffentlich Stellungnahmen abgegeben oder sich an Spekulationen beteiligt und werden es auch weiterhin nicht tun“, teilte die Hochschule auf Anfrage mit.

Die Beratungen an der Philosophischen Fakultät befinden sich den Angaben zufolge „noch im laufenden Verfahren“. Dabei gehe es darum, ob bei Schavans Doktorarbeit der „fachliche begründete Verdacht eines Plagiates“ bestehe und deswegen ein Verfahren zur Rücknahme des Doktortitels eingeleitet werden solle. Mit der Voruntersuchung sei der Promotionsausschuss der Fakultät beauftragt, der dem Fakultätsrat eine Empfehlung vorlegen werde.

Oppositionspolitiker verlangten von Schavan rasche Aufklärung. Die Ressortchefin müsse „jetzt schnell und ohne weitere Verzögerung alle Fakten auf den Tisch legen“, verlangte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. „Herumdrucksen reicht jetzt nicht mehr aus.“ SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte nach einer Sitzung des Parteivorstandes über Schavan: „Sie kann als Wissenschaftsministerin nicht mehr glaubwürdig ihre Arbeit tun, sollten sich diese Vorwürfe wirklich verhärten.“

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast nannte es beschämend, dass die Ministerin die Sache aussitzen wolle. Noch habe Schavan ihr Amt formal inne. „Aber die Glaubwürdigkeit, die sie für eine gute Amtsführung braucht, hat sie schon verloren“, sagte Künast der „Rheinischen Post“. „Eine für Wissenschaft zuständige Ministerin muss doch die Regeln des ehrlichen wissenschaftlichen Arbeitens hochhalten.“

Die forschungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Petra Sitte, sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“, für Rücktrittsforderungen sei es noch zu früh. Auch sie betonte aber: „Wenn Frau Schavan die Vorwürfe nicht entkräften kann, dann hat sie praktisch keinen Handlungsspielraum mehr.“

Unions-Fraktionsvize Michael Kretschmer (CDU) forderte daraufhin die Opposition auf, Schavan „das Recht auf ein faires Verfahren“ zuzubilligen. Es sei ein „verstörender Vorgang, dass ein noch unveröffentlichtes Gutachten an die Presse gespielt wurde, noch bevor der Beteiligten Gelegenheit gegeben wurde, das Gutachten zu lesen und zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen“.

Die Zahl der Plagiate steigt

Plagiate bei wissenschaftlichen Arbeiten sind keine Einzelfälle, ihre Zahl steigt kontinuierlich. „Seit etwa fünf Jahren nimmt die Zahl der Plagiate, die entdeckt werden, zu. Wobei die Dunkelziffer sicher beachtlich ist“, sagte der Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf, Joachim Koblitz, in einem dapd-Gespräch.

Als Experte für solche Fälschungen berät er Dozenten, wie sie mit abgeschriebenen Haus- und Abschlussarbeiten umgehen sollen. Pro Semester würden seinen Kollegen 30 bis 40 Plagiate vorgelegt, sagte Koblitz. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hatte 1980 an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf promoviert. Sie wird seit Mai mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert.

Plagiate erkenne man an Stilbrüchen innerhalb der Arbeit, an Änderungen in der Formatierung und an der Fehlerquote: „Wenn der Text zuerst vor Fehlern strotzt und sich dann auf einmal ganz glatt liest, dann stutzt man“, sagte der 62-jährige Erziehungswissenschaftler. Durch die elektronischen Medien sei ein banales Abschreiben viel einfacher geworden. Aber auch die Kontrolle. „Es gibt Kollegen, die googeln einfach, wenn sie sich über bestimmte Sätze wundern.“

Den Fall Schavan müsse man aber differenzierter sehen, hier handele es sich nicht um bloßes „Copy/Paste“, also das Kopieren und Einfügen fremder Textpassagen in eine eigene wissenschaftliche Arbeit. „Es ist natürlich ein Politikum, das daraus gemacht wird. Wenn die Person nicht Schavan, sondern Müller hieße, würde es niemanden interessieren“, ist der Hochschullehrer überzeugt. Das Ansehen der Wissenschaft habe seiner Meinung nach noch nicht unter den prominenten Plagiatsfällen gelitten. Er habe nicht wahrgenommen, dass die Wissenschaft seit der Affäre um den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit anderen Augen gesehen werde.

Wenn einem Studenten ein Plagiat nachgewiesen wird, muss er ein Bußgeld von 300 Euro zahlen. Dann bekommt er eine zweite Chance: In einem neuen Seminar muss er eine andere Arbeit schreiben. „Bei Wiederholungstätern muss man dann schon mal mit der Exmatrikulation drohen“, sagte Koblitz. Wichtig sei es deshalb, den Studenten klarzumachen, dass jedes Plagiat ein Vertrauensbruch ist. Und: „Wenn wir alle nur voneinander abschreiben, dann kommen wir keinen Schritt weiter. So bringen wir die Wissenschaft nicht voran.“