Die Enthüllung des Gedenksteins in Dortmund mutet wie eine Beerdigung an. Die Witwe eines NSU-Opfers bricht weinend zusammen.

Dortmund. Zwei Rechtsextremisten betreten am 4. April 2006 den Kiosk von Mehmet Kubasik in der Dortmunder Nordstadt und drücken ab. Der dreifache Familienvater bricht tot zusammen. Ob ihm die Männer vorher noch gesagt haben, warum er ihrer Meinung nach sterben muss? Keiner weiß es. Zeugen gibt es nicht. Die Männer fliehen nach dem Mord. Ein Kunde findet den 39-jährigen Familienvater später im Laden.

Eine Frau sagt aus, sie habe zwei Männer in der Nähe gesehen, Junkies oder Nazis. Auch diese Information, die in Richtung brauner Sumpf hätte weisen können, versickert zwischen Dortmunder Polizei und der zentralen Ermittlungseinheit „Bosporus“ in Bayern. Die Aufarbeitung des NSU-Terrors ist eine Geschichte von Pannen – von neuen wie auch Jahre alten. Nach dem Mord ist der Kiosk zunächst verwaist. Später dient er einem türkischen Verein als Buchladen.

Am bundesweiten Tag des Gedenkens für die Opfer der Zwickauer Terrorzelle kamen im Februar nur wenige Menschen in die Dortmunder Wohn- und Geschäftsstraße, die während des Nationalsozialismus als Widerstandszelle galt. Es waren einige Nachbarn, die Kubasiks gedachten. Einer machte sich Vorwürfe, dass er damals auf seiner Einkaufstour nicht wie üblich in den Kiosk gegangen sei. Dann wäre es vielleicht nicht passiert.

An diesem Montag sind mehr Menschen da. Es wird eine 50 mal 50 Zentimeter große Granitplatte enthüllt. „Zum Gedenken an Mehmet Kubasik – Ermordet am 4. April 2006 durch rechtsextreme Gewalttäter“ steht darauf. Kubasiks Witwe Elif bricht an der Seite ihrer Kinder unter Tränen zusammen. Sie hat den Mord an ihrem Mann bis heute nicht verarbeitet.

Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau nimmt die Frau in die Arme und spendet Trost. Er nimmt stellvertretend auch die vielen Fehler während der Ermittlungen auf sich. Sogar die Familie selbst hatte man damals verdächtigt, in kriminelle Geschäfte verwickelt zu sein.

Später küsst die gebrochen wirkende Witwe die Granitplatte und legt eine Rose nieder. Es ist wie eine zweite Beerdigung. Auch Journalisten erweisen dem Toten eine letzte Ehre. Am Ende liegen fast 100 Rosen auf dem Gedenkstein.

Oberbürgermeister Sierau verspricht, noch eine Gedenktafel aufzustellen. Dort sollen alle zehn Opfer der Terrorzelle aufgeführt werden, vom Blumenhändler Enver Simsek, der am 9. September 2000 in Nürnberg getötet wurde bis zur Polizistin Michèle Kiesewetter, die am 25. April 2007 in Heilbronn während ihres Streifendienstes erschossen wurde.