Das Oberhaupt der katholischen Kirche nahm in seiner TV-Botschaft in der ARD auch Stellung zu seinen umstrittenen Auftritten in Berlin.

München. Seit Tagen ist es unter den Abgeordneten des Deutschen Bundestages meist diskutiertes Thema, jetzt meldet sich die "Reizfigur" selbst zu Wort. Papst Benedikt XVI. nahm im "Wort zum Sonntag" in der ARD Stellung zu seiner umstrittenen Rede im Bundestag, die der Pontifex während seiner Deutschlandreise nächste Woche halten will. "Ich freue mich besonders auf Berlin und die Rede im Bundestag", erklärte Benedikt XVI. in der am Sonnabend ausgestrahlten Botschaft im "Ersten". Sein Besuch in der Heimat sei kein religiöser Tourismus und "noch weniger Show", rechtfertigte sich der Papst im "Wort zum Sonntag". Die fünfminütgie Sendung war Ende der Woche vom Vatikanischen Fernsehzentrum in Rom aufgezeichnet worden. Es waren vor allem die Worte zu Beginn seiner Botschaft auf dem traditionsreichen ARD-Sendeplatz, die manche Politiker aufhorchen lassen dürften.

Papstbesuche in Deutschland

Papst Benedikt XVI. war bereits zweimal zu Besuch in seinem Heimatland – das erste Mal kurz nach seinem Amtsantritt im Jahr 2005. Sein Vorgänger Johannes Paul II. war im Jahr 1980 das erste Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche seit fast 200 Jahren, das deutschen Boden betrat. Danach war er noch zwei weitere Male zu Gast. Nachfolgend ein Überblick über Papstbesuche in Deutschland:

2006

Vom 9. bis 14. September 2006 stattete Benedikt XVI. seiner bayerischen Heimat einen viel bejubelten Besuch ab, bei dem er vor allem an Stätten seiner Kindheit und seines frühen theologischen Wirkens aufsuchte – etwa in München, in der er viele Jahre Erzbischof war. Weitere Stationen waren Regensburg, Altötting, die Geburtsstadt Marktl am Inn sowie Freising, wo Joseph Ratzinger vor 60 Jahren zum Priester geweiht wurde. Den Höhepunkt bildeten mehrere Messen, an denen Hunderttausende Gläubige teilnahmen. Mit seiner Vorlesung an der Universität Regensburg löste der Papst empörte Reaktionen in der muslimischen Welt aus, weil er einen byzantinischen Kaiser mit den Worten zitierte, der Islam sei eine intolerante und gewalttätige Religion. Der Papst bedauerte später mögliche Verletzungen.

2005

Knapp vier Monate nach seiner Wahl weilte Benedikt XVI. vom 18. bis 21. August 2005 zu Besuch in Köln. Anlass war der Weltjugendtag, zu dem noch sein Vorgänger eingeladen hatte. Es handelte sich dabei um die erste offizielle Auslandsreise des neuen Kirchenoberhauptes. Höhepunkte bildeten eine Papstmesse auf dem Marienfeld nahe Köln mit mehr als einer Million junger Menschen aus aller Welt sowie ein Nachtgebet mit rund 800.000 Besuchern. In Köln besuchte Benedikt als zweiter Papst nach Johannes Paul II. ein jüdisches Gotteshaus. In der Synagoge verurteilte er jede Form von Antisemitismus. Zudem traf er sich mit Vertretern anderer Religionsgemeinschaften.

1996

Vom 21. bis 23. Juni 1996 kam der 1978 zum Papst gewählte Johannes Paul II. zum letzten Mal nach Deutschland. Stationen waren Paderborn und Berlin. In der Hauptstadt durchschritt das Kirchenoberhaupt das Brandenburger Tor. Bei einem Gottesdienst im Olympiastadion sprach er die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus ums Leben gekommenen Priester Bernhard Lichtenberg und Karl Leisner selig. Im Mittelpunkt der Reise standen auch Begegnungen und Gespräche mit Vertretern anderer Konfessionen.

1987

Seine zweite Pastoralreise nach Deutschland vom 30. April bis 4. Mai 1987 führte Johannes Paul II. zunächst nach Köln, wo er die von den Nationalsozialisten ermorderte Ordensschwester Edith Stein seligsprach. Es folgten Stationen in Bonn, Münster, Kevelaer, Bottrop, Essen, Gelsenkirchen, München, Augsburg und Speyer. In München sprach er den Jesuitenpater Rupert Mayer selig, der Widerstand gegen das Hitler-Regime geleistet hatte. Der Papst traf sich mit Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft ebenso wie mit Repräsentanten der evangelischen Kirche und des Zentralrats der Juden.

1980

Der erste Besuch von Johannes Paul II. im Jahr 1980 war dessen achte Pastoralreise. Die Reise war vor allem deswegen eine Sensation, weil zuletzt 1782 ein Papst Deutschland bereist hatte. Stationen des gebürtigen Polen waren Bonn, Brühl, Osnabrück, Mainz, Fulda, Altötting und München. In seinen Botschaften richtete sich der Papst mehrfach an die Vertreter verschiedener christlicher und anderer Religionsgemeinschaften.

HISTORISCHE PAPSTBESUCHE

Vor Johannes Paul II. war zuletzt mit Pius VI. am 22. Februar 1782 ein Papst zu Gast in Deutschland. Bei Neunkirchen traf er mit Kaiser Joseph II. zusammen. Von dort fuhren beide nach Wien.

Der vorherige Papstbesuch wiederum lag 350 Jahre zurück. So weilte Papst Martin V. im Jahr 1417 in Deutschland. Am 22. April beendete er das Konzil zu Konstanz und verließ die Stadt am 16. Mai.

Der erste Besuch eines Papstes auf deutschem Boden ist aus dem Jahr 799 überliefert. Damals weihte Leo III. in Paderborn eine Kirche. Vor allem aber suchte er bei Frankenkönig Karl Hilfe gegen die Aufständischen in Rom, die Anhänger seines Vorgängers, Hadrian I., waren.

Mit Benedikt VIII. war im Jahr 1020 in Bamberg und Würzburg auch schon ein Namensvorgänger des heutigen Papstes zu Gast.

Ströbele kritisiert geplante Papst-Rede im Bundestag

Schließlich polarisiert vor allem der Auftritt des Papstes im Bundestag. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hält die geplante Rede in der kommenden Woche für "unangemessen“. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dapd in Berlin übte er heftige Kritik an der Einladung: "Dass der Deutsche Bundestag seine Sitzungswoche verschiebt, damit mehr Abgeordnete anwesend sind, wenn der Papst kommt, ist nicht mit der Trennung von Kirche und Staat zu vereinbaren.“

Es sei in Ordnung, dass der Papst sein Heimatland besuche und hier Messen abhalte, betonte Ströbele. "Aber im Deutschen Bundestag vor den Vertretern des gesamten deutschen Volkes zu reden, gebührt Personen, die besondere Verdienste in der Politik erworben haben.“

Das sei bei Papst Benedikt XVI. nicht der Fall, "ganz im Gegenteil“, sagte Ströbele. "Er hat in politischen Dingen vieles gesagt und getan, was ich nicht für richtig halte, etwa seine Äußerungen zur Familienplanung, zur Kondombenutzung oder seine negative Einstellung zur Kirche der Befreiung in Lateinamerika.“

Er kritisierte zudem, dass der Papst offiziell als Staatsoberhaupt des Vatikans eingeladen worden war. "Er spricht als Oberhaupt der katholischen Kirche. Alles andere stimmt nicht“, sagte Ströbele. "Den Präsidenten eines Staates von knapp 1.000 Einwohnern würde man, selbst wenn er demokratisch gewählt worden wäre, nicht anfragen, um im Deutschen Bundestag sprechen.“

Er halte es sich aber weiter offen, ob er bei der Rede anwesend sein werde, sagte der Parlamentarier.

Berliner Bischof Dröge begrüßt Papstbesuch

Zustimmung zu seinem Besuch erhält der Papst dagegen vom Berliner evangelischen Bischof Markus Dröge. Das Zusammentreffen von Benedikt XVI. mit Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kommenden Freitag in Erfurt sei eine"„einmalige Gelegenheit für das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, die Errungenschaften der Reformation zu würdigen“, sagte Dröge am Sonnabend im RBB-Hörfunk.

Benedikt XVI. sei der erste Papst seit der Reformationszeit, der in Deutschland Theologieprofessor war und somit die evangelische Theologie aus ihrem Ursprungsland kennt. Zudem sei er eine eindrucksvolle und glaubwürdige Persönlichkeit, bescheiden und intellektuell redlich, sagte Dröge.

Auch sein Auftritt im Bundestag sei ein gutes Zeichen, denn damit werde deutlich, dass der christliche Glaube eine große öffentliche Bedeutung für Deutschland hat. "Wir Evangelischen sehen es eher kritisch, dass der Papst als Staatsoberhaupt auftritt. Als Religionsvertreter hat seine Stimme aber Gewicht“, so der Bischof.


Kauder: Boykott-Ankündigung "beschämend"

Die knappe Mehrheit der Deutschen ist einer Umfrage zufolge für den Auftritt von Papst Benedikt XVI. im Bundestag. 51 Prozent finden es laut einer Emnid-Umfrage für den "Focus“ richtig, dass der Papst dort eine Rede hält, berichtet das Münchner Nachrichtenmagazin. 39 Prozent hielten das für falsch. Das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid befragte den Angaben zufolge für "Focus“ 1.008 repräsentativ ausgewählte Personen.

Rund 100 Abgeordnete von Grünen, Linkspartei und SPD wollen der Rede von Benedikt XVI. am 22. September fernbleiben. Bei katholischen Bischöfen war diese Ankündigung auf Kritik gestoßen. Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann sagte der "Frankfurter Rundschau“ (Sonnabendausgabe), wenn Abgeordnete dem Auftritt fernblieben, sei dies "schäbig und primitiv“. Im Hinblick auf Proteste gegen den Papstbesuch riet Lehmann zur Gelassenheit.

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), kritisierte den angekündigten Boykott der Papstrede durch Abgeordnete von SPD, Grünen und Linkspartei als "beschämend“. In einer Demokratie könne jeder Kritik an einer Person äußern, heißt es in einem Gastkommentar Kauders für die "Bild am Sonntag“: "Man muss ihm aber zuerst zuhören. Das ist ein Gebot des Anstands - und gerade einem deutschen Papst gegenüber sollten sich alle Parlamentarier daran erinnern.“

Kauder betonte, der Papst spreche vor dem deutschen Parlament als Staatsoberhaupt, er komme nicht allein als Oberhaupt der größten christlichen Kirche mit über einer Milliarde Gläubigen. "Er wird in dieser Funktion im Bundestag sprechen – als erster Papst überhaupt. Seine Rede ist eine Ehre für das Parlament. Zumindest sollten aber alle Parlamentarier dem Papst Respekt entgegenbringen“, fügte der CDU-Politiker hinzu.

Abgeordnete der Grünen wollen mit Aids-Schleifen am Donnerstag bei der Rede von Papst Benedikt XVI. im Bundestag protestieren. "Wir möchten uns mit Aidskranken solidarisieren vor dem Hintergrund der aus unserer Sicht kritikwürdigen Verhütungspolitik des Vatikans“, sagte der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour dem "Focus“. An der Sitzung teilzunehmen sei aber ein "Akt der Höflichkeit.“

Auf die Kritik der Oppositionspolitiker am Auftritt des Papstes im Bundestag hatte der Vatikan mit Gelassenheit reagiert. Das Kirchenoberhaupt spreche dort auf Einladung von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), sagte Vatikansprecher Federico Lombardi am Freitag. "Er wird seine Rede für die Personen halten, die ihn anhören möchten und die seine Ansprache mit Respekt aufnehmen möchten.“ Der Papst wird Deutschland vom 22. und 25. September in Berlin, Erfurt und Freiburg erstmals einen offiziellen Besuch abstatten.

Papst will Gott ins Blickfeld rücken

Während seines Deutschlandbesuchs will Benedikt XVI. Gott wieder ins Blickfeld der Menschen rücken, sagte er im "Wort zum Sonntag". "Wir müssen die Wahrnehmungsfähigkeit für Gott, die in uns da ist, wieder neu entwickeln“. In der Größe des Kosmos könnten die Menschen etwas ahnen von der Größe Gottes.

Der Papst sagte: "Ich freue mich besonders auf Berlin, wo es viele Begegnungen geben wird und freue mich besonders natürlich auf die Rede im Bundestag und auf den großen Gottesdienst, den wir im Olympiastadion feiern dürfen.“ Er freue sich aber auch auf die weiteren Stationen der Reise. Benedikt betonte, die Reise sei kein religiöser Tourismus und noch weniger eine Show. Worum es gehe, sage das Leitwort dieser Tage: "Wo Gott ist, da ist Zukunft“. Es solle darum gehen, "dass Gott wieder in unser Blickfeld tritt, der so oft ganz abwesende Gott, dessen wir doch so sehr bedürfen“.

Benedikt sagte, in der Begegnung mit Menschen, die von Gott angerührt worden seien, sei gleichsam Gott zu sehen. Er denke nicht nur an die Grossen: von Paulus über Franz von Assisi bis zu Mutter Theresa; sondern an die vielen einfachen Menschen, von denen niemand spreche. Wenn man ihnen begegne, gehe von ihnen etwas von Güte, von Lauterkeit, von Freude aus, "dass wir wissen, da ist Gott, und dass er uns anrührt. Darum wollen wir uns in diesen Tagen mühen, dass wir Gott wieder zu Gesicht bekommen.“

Es war das zweite Mal, dass ein Papst "Das Wort zum Sonntag“ sprach. Johannes Paul II. hatte am 25. April 1987 vor seiner Deutschland-Reise an das Vorbild von Glaubenszeugen der NS-Zeit wie Kardinal Clemens August von Galen, Pater Rupert Mayer und der Philosophin Edith Stein erinnert. Die Sendung erzielte mit 7,55 Millionen Zuschauern einen damals überdurchschnittlichen Wert.

(dpa/kna/epd/dapd/abendblatt.de)