Der SPD-Politiker verlangt eine zügige Wiedereinführung der Regelung. Die Vorbehalte gegen die Regelung seien “vollkommener Unsinn“.

Berlin. Ex-Innenminister Otto Schily hat sich im Streit über die Vorratsdatenspeicherung zu Wort gemeldet. Der SPD-Politiker verlangte am Freitag eine zügige Wiedereinführung. Die Vorbehalte gegen die Regelung seien „vollkommener Unsinn“, sagte Schily. Auch der jetzige Ressortchef Hans-Peter Friedrich (CSU) drängelte angesichts der jüngsten Festnahme von zwei Terrorverdächtigen in Berlin. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will sich aber nicht hetzen lassen.

Union und SPD hatten die Vorratsdatenspeicherung in der großen Koalition beschlossen – als Umsetzung einer EU-Richtlinie. Telekommunikationsfirmen wurden verpflichtet, sämtliche Telefon-, Handy- und E-Mail-Daten aller Bundesbürger ohne Anlass jeweils sechs Monate lang zu speichern. Das Instrument soll beim Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus helfen. Das Bundesverfassungsgericht kippte die Regelung jedoch vor mehr als einem Jahr. Seitdem streiten Union und FDP über eine Neuregelung.

Schily kritisierte, die entstandene Debatte sei ihm völlig unverständlich. „Alle, die behaupten, Vorratsdatenspeicherung würde die Freiheitsrechte beeinträchtigen, schüren völlig unbegründete Ängste“, sagte er. Eine Vorratsdatenspeicherung gebe es schon lange, „nämlich zu Abrechnungszwecken, damit jeder seine Telefonrechnung überprüfen kann“.

Das wiederkehrende Argument, die Bevölkerung werde unter Generalverdacht gestellt, sei vollkommener Unsinn, sagte Schily. „Niemand ist deswegen von vornherein unter Verdacht.“ Im politischen Raum gebe es bei diesem Thema jedoch zum Teil „eine ziemlich verquere Sichtweise“. Dabei sei die Vorratsdatenspeicherung für den Kampf gegen den Terror unabdingbar. Dieser Meinung sind auch die Polizeigewerkschaften.

Der Streit wird nun befeuert durch die Festnahme von zwei Terrorverdächtigen am Donnerstag in Berlin. Die beiden Männer sollen möglicherweise einen Bombenanschlag geplant haben Spitzenpolitiker der Union forderten am Freitag ein Entgegenkommen vom Koalitionspartner FDP. Innenminister Friedrich sagte im ZDF-„Morgenmagazin“, angesichts der Bedrohung sei es notwendig, dass die Behörden mehr Möglichkeiten zur Auswertung der Daten von Verdächtigen bekämen als bislang. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe verlangte, die Liberalen müssten sich bei dem Thema „endlich bewegen“. Unions-Fraktionschef Volker Kauder griff Leutheusser-Schnarrenberger direkt an. „Eine Justizministerin, die die Umsetzung einer verbindlichen EU-Richtlinie verweigert, ist ein Problem“, sagte der CDU-Politiker den „Ruhr Nachrichten“.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, ging noch einen Schritt weiter und warf der Ressortchefin vor, sie spiele „nicht nur mit unserer Zeit und Geduld, sondern auch mit der Sicherheit der Bevölkerung“.

Leutheusser-Schnarrenberger hielt dagegen, die alte Regelung sei zu Recht für verfassungswidrig erklärt worden. Alle seien gut beraten, vor dem Hintergrund des Falls in Berlin nicht „schon wieder mit der Vorratsdatenspeicherung zu kommen“, erklärte die FDP-Politikerin im RBB-Inforadio. Sie wolle sich einer Debatte über eine Datensammlung nicht verschließen, werde diese aber nicht vor dem Hintergrund der konkreten Ereignisse führen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte erneut Druck, um den Dauerstreit zügig zu beenden. Die Regierungschefin ließ zum wiederholten Mal durch ihren Sprecher Steffen Seibert ausrichten, eine Neuregelung sei notwendig. Es gebe die Verpflichtung, die zugrunde liegende EU-Richtlinie umzusetzen und die Vorgaben des Verfassungsgerichts zu befolgen. Merkel sah sich allerdings auch veranlasst, die Justizministerin in Schutz zu nehmen. Leutheusser-Schnarrenberger sei ein angesehenes Regierungsmitglied, sagte Seibert. Die Linke kritisierte, der Austausch der immer gleichen Argumente nerve langsam. Das sei ein „unwürdiges Schauspiel“. (abendblatt.de/dapd)