Die Kanzlerin fordert von Serbien direkte Gespräche mit dem Kosovo zur Lösung des Grenzkonflikts. Das verbittet sich Präsident Tadic.

Belgrad. Deutschland und Serbien streiten offen über eine Lösung des serbischen Grenzkonflikts mit dem Kosovo. Kanzlerin Angela Merkel forderte den serbischen Präsidenten Boris Tadic bei einem Treffen in Belgrad ungewöhnlich deutlich auf, sich in einem direkten Dialog mit der albanisch-dominierten Regierung in Pristina für eine Lösung des Konflikts einzusetzen. Tadic verbat sich diese Aufforderung und sagte, sein Land sei selbst an einer Lösung des vor vier Wochen blutig eskalierten Konflikts interessiert. Serbien werde aber die Unabhängigkeit des Kosovos nicht akzeptieren.

„Wir wünschen uns, dass Direktgespräche zwischen Serbien und dem Kosovo so geführt werden, dass auch Resultate herauskommen“, sagte Merkel. So könne die Gefahr einseitiger Schritte beider Seiten verringert werden. Zudem müsse die EU-Rechtsstaatsmission Eulex die Möglichkeit erhalten, vernünftig im Kosovo zu arbeiten. Auch sei ein Abbau von kosovarisch-serbischen Parallelstrukturen in dem von einer serbischen Mehrheit bewohnten umstrittenen Nord-Kosovo notwendig. Es könnten „nicht alle Fragen mit einem Zug gelöst werden“. Deswegen sei ein schrittweises, pragmatisches Vorgehen sinnvoll.

Merkel sprach sich für eine glaubhafte EU-Beitrittsperspektive für Serbien aus. „Wir glauben, dass Serbien nach Europa gehört“, sagte sie. Europa werde einen umfassenden Frieden nur bekommen, wenn es Frieden auf dem Balkan gebe. Die Kanzlerin lobte ausdrücklich die Zusammenarbeit des Landes mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal.

Zum einen müssten nun aber die Reformen Serbiens bei der Rechtsstaatlichkeit und der Korruptionsbekämpfung weitergeführt werden. Hauptproblem sei aber die Kosovo-Frage. Hier müssten etwa auch die Streitigkeiten um Zoll- und Handelsfragen gelöst werden.

Die Kanzlerin bezeichnete die Lösung der Kosovo-Frage als „eines der eher schwierigeren Probleme“, mit denen es die EU und Deutschland zu tun habe. Die EU, aber auch Serbien bräuchten einen Erfolg. Aus diesem Grund seien weitere Verhandlungen nötig.

Tadic sagte, sein Land suche nach einer Kompromisslösung mit dem Kosovo, werde die frühere serbische Provinz aber nicht als eigenständig anerkennen. Mit Blick auf Merkel sagte er: „Niemand braucht von Serbien zu fordern, wieder einen Dialog mit Pristina zu führen.“ Belgrad suche im eigenen Interesse nach einer Lösung. Zugleich machte Tadic unmissverständlich klar, dass er von dem im Herbst erwarteten Zwischenbericht der EU-Kommission mehr erwarte als nur die Einstufung als Beitrittskandidat. „Der Kandidatenstatus reicht nicht aus.“

Sein Land wolle vielmehr ein klares Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen. Bis September werde Serbien alle entsprechenden Anforderungen erfüllen. Tadic warnte davor, die Frage des Grenzstreits mit dem Kosovo mit der Frage des EU-Beitritts zu verknüpfen.

Schon am Morgen hatte sich Merkel mit der Witwe des 2003 ermordeten ersten frei gewählten Regierungschefs Zoran Djindjic getroffen. Dabei nannte sie den Kosovo-Konflikt als einzige wirkliche Hürde für einen EU-Beitritt Serbiens. Es liege an dem Land selbst, ob es recht schnell auf dem Weg in die EU vorankommt. Träume von der Vergangenheit würden das Land nicht voranbringen. Bei aller Anerkennung des Leids aus der Zeit nach dem Zerfall Jugoslawiens und den folgenden Bürgerkriegen müsse das Land nach vorne schauen.

Das Kosovo ist seit 2008 ein unabhängiger Staat. Serbien will ihn unter keinen Umständen anerkennen und die einstige Provinz möglichst wieder eingliedern. Die Bevölkerung im Kosovo ist zu mehr als 90 Prozent albanisch; im Norden gibt es eine serbische Mehrheit.

Der Grenzkonflikt um Zollfragen und Handelsbarrieren im Nordkosovo war Ende Juli blutig eskaliert. Erst am Wochenende flammte er kurzfristig erneut auf. Im August hatte der deutsche KFOR-Kommandeur Erhard Bühler für einen Kompromiss zwischen Albanern und Serben gesorgt. Der sieht unter anderem die Wiederaufnahme von Verhandlungen in Brüssel vor, die von der EU vermittelt werden und am 2. September starten sollen. (dpa)