Karlsruhe soll klären, ob die Soldaten ein Mandat brauchen. Nato-Kampfjets versenken Schiff mit Gaddafi-Soldaten und greifen Privathaus an.

Berlin/Brüssel. Im Streit über den Libyen-Einsatz deutscher Soldaten drohen die Grünen mit einer Verfassungsklage. „Lenkt die Bundesregierung nicht ein, müsste gegebenenfalls erneut das Bundesverfassungsgericht die Rechtslage klarstellen“, kündigte der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele an. Er reagierte damit auf Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), der den Einsatz als normales Vorgehen im Bündnis verteidigt und ein Parlamentsmandat dafür verneint hatte. Ströbele zufolge geht es um elf Luftwaffen-Soldaten, die nach Kriegsbeginn im März in den neu gebildeten Gefechtsstand eines italienischen Nato-Hauptquartiers entsandt wurden.

„Dieser Ad-hoc-Einsatz der Bundeswehr zu konkreten Kriegszwecken ist verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Denn die Bundesregierung verschwieg ihn gegenüber dem Bundestag“, sagte der Grünen-Politiker. Da die Soldaten unter anderem mit der Auswahl der Luftangriffsziele für Nato-Kampfflugzeuge befasst sind, nehme die Bundeswehr „aktiv“ am Libyen-Krieg teil.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière wies die verfassungsrechtlichen Bedenken Ströbeles bereits zurück. Die Mitarbeit in Nato-Stäben und die Bereitstellung von Infrastruktur für den Einsatz seien selbstverständlich. Das bedürfe auch keines Bundestagsmandats. „Andernfalls können wir aus der Nato austreten“, sagte der CDU-Politiker.

Ströbele argumentiert dagegen, dass die Soldaten nicht einfach in den Stäben belassen wurden, sondern eigens für den Libyen-Einsatz nach Italien geschickt wurden. Die SPD hat wie de Maizière keine verfassungsrechtlichen Bedenken. An Operationen des transatlantischen Bündnisses seien immer deutsche Soldaten in irgendeiner Form beteiligt, ob mit oder ohne Bundestagsmandat, sagte der verteidigungspolitische Fraktionssprecher Rainer Arnold.

Ströbele verwies auf das sogenannte Awacs-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2008 und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, wonach eine Bundestagszustimmung zwingend ist, wenn deutsche Soldaten nicht in „ständigen“, sondern in „eigens für konkrete bewaffnete Einsätze gebildeten Stäben“ der Nato eingesetzt werden. Das sei hier der Fall. Er forderte de Maizière auf, seine Haltung zu korrigieren.

Unterstützung erhielt Ströbele von Ärzteorganisation IPPNW. Wenn die Bundesregierung jetzt einräume, dass elf Soldaten im Rahmen ihrer Tätigkeit in den Militärstäben der Nato im Bereich der sogenannten Zielauswahl für die Luftangriffe beteiligt seien, mache sich Deutschland zur „Kriegspartei“, sagte der IPPNW-Vorsitzende Matthias Jochheim. Das Nein der Regierung zum Libyen-Einsatz werde zu einem „durchsichtigen politischen Manöver“. Deutsche Ärzte unter anderem von Ärzte ohne Grenzen versorgen Verletzte in Libyen.

Die Bundesregierung hatte sich im Libyen-Konflikt frühzeitig festgelegt und einen Kampfeinsatz deutscher Soldaten in Nordafrika abgelehnt. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte mehrfach versichert, dass sich deutsche Soldaten nicht „an Kampfeinsätzen in Libyen“ beteiligen werden. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler sagte dazu, Westerwelles Nein sei endgültig als taktisches Wahlkampfmanöver entlarvt worden.

Die Linkspartei fordert eine Änderung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes. Damit solle klargestellt werden, „dass jegliche Beteiligung deutscher Soldaten an Auslandseinsätzen – ob nun direkt oder indirekt, ob mit der Waffe in der Hand oder in Führungsstäben – vom Parlament beschlossen werden“ müsse. Das sagte der Hamburger Bundestagsabgeordnete Jan van Aken.

Derweil haben Nato-Kampfflugzeuge vor der Küste Libyens ein Boot mit Soldaten von Machthaber Muammar al-Gaddafi an Bord versenkt. Wie das Militärbündnis mitteilte, wurde das Schiff am Mittwoch in der Nähe der umkämpften Hafenstadt Sawija angegriffen. Die Soldaten seien eine Bedrohung für Zivilisten gewesen, hieß es in Brüssel zur Begründung. Den Rebellen gelang es nach eigenen Angaben in Sawija, die letzte funktionierende Raffinerie des Landes zu erobern. Auch die libysche Hauptstadt Tripolis wurde am frühen Freitagmorgen offenbar wieder von Kampfflugzeugen angegriffen. Es waren mehrere Explosionen aus der Gegend um die wichtigste Residenz von Machthaber Gaddafi zu hören. In einem Hotel, in dem ausländische Journalisten untergebracht sind, waren sieben Detonationen zu spüren. Nato-Kampfflugzeuge kreisten über dem Anwesen. Berichten von Anwohnern zufolge wurde außerdem die Straße vom Flughafen in die Stadt von drei Einschlägen getroffen. (dapd/dpa/abendblatt.de)