Sie spielten bei der Revolution zu Beginn des Jahres nur eine kleine Rolle, doch jetzt forden die ägyptischen Islamisten mit Gewalt den Gottesstaat.

Kairo. Kritisch wurden die Demonstrationen in Ägypten zu Beginn des Jahres betrachtet, aus Angst gewaltbereite Islamisten könnten die politische Führung an sich reißen und Terror an die Tagesordnung des nordafrikanischen Staates bringen. Doch diese Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht. Bei den Aufständen spielten die ägyptischen Islamisten nur eine untergeordnete Rolle.

Nun aber, kurz vor Beginn des Fastenmonats Ramadan, sind bei einer Massenkundgebung sowie einem brutalen Angriff der ägyptischen Islamisten auf eine Polizeiwache fünf Menschen gestorben. Sie forderten die Errichtung eines Gottesstaates. In der Stadt Al-Arisch auf der an Israel angrenzenden Sinai-Halbinsel stürmten Islamisten eine Polizeiwache. Bei Kämpfen mit Polizisten wurden 5 Menschen getötet und 19 weitere verletzt. Das bestätigten Sicherheitskreise am Sonnabend in Al-Arisch. In Kairo hatten hunderttausende Islamisten für ein religiös ausgerichtetes Ägypten demonstriert. Die linken, liberalen und nationalistischen Gruppierungen, die seit mehr als drei Wochen den Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo besetzen, wollen ihre Blockade für die Dauer des Fastenmonats Ramadan aussetzen.

Bereits am Freitag ereignete sich der Überfall auf der Sinai-Halbinsel. 15 Personen, unter ihnen 8 Palästinenser, wurden festgenommen. Die rund 150 Islamisten in Al-Arisch waren zumeist schwarz gekleidet und trugen schwarze Fahnen mit der Aufschrift "Es gibt keinen Gott außer Gott“. Sie riefen Parolen, wonach sie aus dem Sinai ein "islamisches Emirat“ machen wollten. Bei dem Sturm zerstörten sie eine Büste des ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat, der 1981 von islamistischen Extremisten ermordet worden war.

In Kairo hatten am Freitag mehrere Hunderttausend Islamisten für einen Gottesstaat demonstriert. Es war die bisher massivste Demonstration der Stärke dieses Lagers seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak am 11. Februar. Die Teilnehmer riefen Parolen wie "Unsere Verfassung ist der Koran“. Die Kundgebung im Stadtzentrum war ohne Zwischenfälle verlaufen.

Mehr als 20 linke, liberale und nationalistische Gruppierungen, die über drei Wochen den Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo besetzt hielten, wollen ihre Blockade für die Dauer des Fastenmonats Ramadan aussetzen. Die Bewegung 6. April, die Teil dieser säkularen Opposition ist, erklärte am Sonntag, ein Teil ihrer Forderungen, wie etwa zügige und öffentliche Prozesse gegen die Verantwortlichen des Mubarak-Regimes, sei inzwischen erfüllt worden. Andere, kleinere Gruppen wollen aber weiter auf dem Platz bleiben. Der Ramadan beginnt in Ägypten an diesem Montag.

Die jüngste Dauerbesetzung hatte am 8. Juli begonnen, weil die Demokratiebewegung mehr Druck auf die Reform von Justiz und Polizei machen wollte. Inzwischen bestätigte sich, dass am kommenden Mittwoch in Kairo der Prozess gegen den Ex-Präsidenten Husni Mubarak, seine beiden Söhne und Ex-Innenminister Habib al-Adli beginnen wird. Ihnen werden tödliche Gewalt gegen Demonstranten und Amtsmissbrauch vorgeworfen. Der Tahrir-Platz war das Epizentrum der landesweiten Proteste, die am 11. Februar den Sturz Mubaraks herbeigeführt hatten. (abendblatt.de/dpa)