Bei der WM der Frauen geht es nicht nur um Fußball, sondern auch um die Inszenierung der Sportlerin als „sexy Kickerin“. Eine Taktikanalyse.

Hamburg. Einer der wenigen Orte abseits des Platzes, an dem Fatmire Bajramaj einfach nur Sportlerin ist, hat die Maße 6,4 Zentimeter mal 4,7 Zentimeter. Ihre Position im Mittelfeld steht dort, ihr Verein, ihre Körpergröße, der Geburtsort. Wer dazu ihr Gesicht auf Seite sechs einkleben will, muss in einige Päckchen für das Panini-Sammelheft investieren. Das legendäre Sticker-Album gibt es jetzt auch zur Fußball-WM der Frauen. Ein großer Schritt der Gleichberechtigung der Geschlechter in einem Sport, der von Männern für Männer erfunden wurde und in dem die Frauen bei der Europameisterschaft 1989 noch ein Kaffeeservice als Pokal bekamen. „Hausfrauengerechte Prämie“ hieß das damals.

Doch auf den letzten Seiten des aktuellen Panini-Heftes verzerrt das Bild der Sportlerin zum Klischee der „sexy Kickerin“. 2011 zeige sich von seiner schönsten Seite, so lautet das offizielle Motto dieser WM. Der Deutsche Fußball Bund (DFB) vermarktet eine Barbie-Puppe zur WM – die Haare blond, die Beine lang, geschminkte rosa Lippen und die Wimpern gefärbt. Ganz nebenbei: Sie trägt übrigens auch ein Fußball-Trikot der deutschen Elf.

Das Maskottchen der WM 2011 ist eine Katze mit geschwungenen schwarzen Wimpern. Die Spielerinnen lächeln in hübschen Kleidern auf den Titeln der Fernsehzeitschrift. „Schwarz-rot-goldig“ ist einer der Slogans, der auf vielen Fanartikeln steht. „Die Frauen sind hübscher und beweglicher geworden“, kommentierte Fußball-Experte Franz Beckenbauer.

In seinen Worten klingt noch das alte Bild von der Fußball-Frau nach: das Mannweib. Dass DFB, Werbeindustrie und Medienbranche nun fleißig die „schöne Kickerin“ inszenieren, hat zwei Gründe. Zum einen soll der Sport das fiese Image der balltretenden „Kampflesben“ loswerden. Zum anderen verkauft sich das neue Bild der Athletin gut. Zumindest in den Medien. Die Sportlerinnen ließen sich noch immer fast nur über die physische Attraktivität vermarkten, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin der Sporthochschule Köln, Daniela Schaaf. Sie nennt es das Anna-Kurnikowa-Syndrom. Die schöne russische Tennisspielerin war zwar auf vielen Werbeplakaten zu sehen – ein bedeutendes Turnier aber hat sie nie gewonnen. Schaaf arbeitet derzeit an einer Studie über die Vermarktung von Frauenfußball in der Wirtschaft. 350 Entscheider im Marketing und 1000 Journalisten hat sie befragt.

Der ökonomische Erfolg der inszenierten Weiblichkeit ist bisher gering. Konzerne wie Coca-Cola und Sony investieren nicht in die Frauen-WM, obwohl sie Partner des Weltfußballverbands Fifa sind. Welcher der Sponsoren der WM sich nachhaltig für den Frauenfußball engagiert, bleibt ungewiss.

Damit kein Missverständnis entsteht: Auch die Männer müssen sich im Fußball streng nach ihrem gesellschaftlichen Rollenbild verhalten – leistungsstark, kraftvoll und hetero. Wer Schwächen zeigt, gilt in den meisten Fankurven als Weichei. Das Maskottchen der Männer-WM 2006 in Deutschland war ein Löwe. Und auch Fußballer verkaufen sich gut in der Werbung, wenn sie Sex-Appeal haben. Aber das Sommermärchen 2006 war vor allem ein Sportliches.

Der Frauen-Fußball dagegen sucht noch nach seiner Identität in einer Branche, die den Männern gehört – im Marketing, bei den Spielerberatungen, in den Redaktionen. Die „sexy Kickerin“ ist vor allem ein männlicher Versuch einer Identitätsstiftung. Er erzielt hohe Aufmerksamkeit. Doch trägt er wohl kaum zur Emanzipation der Fußballerin bei.

Im Gegenteil: Der Sport wird in den Hintergrund gedrängt. Und vor allem die Sportlerin. „Das Bild der inszenierten Weiblichkeit wirkt als schlechtes Rollenvorbild für junge Mädchen“, sagt Schaaf. Ihre Vorbilder würden klischeehaft auf ihre Weiblichkeit reduziert. Junge Frauen könnten daher unter dem Druck stehen, sich diesem männlichen Schönheitsideal zu unterwerfen, erklärt Schaaf.

Für Familienministerin Kristina Schröder ist das Turnier vor allem eine Sportveranstaltung. „Die WM ist in erster Linie und vor allem ein großes Fußball-Fest. Ich halte wenig davon, den Fußball groß mit politischen Diskussionen zu überfrachten“, sagte die CDU-Politikerin noch vor Beginn ihres Mutterschutzes. Eines sei für Schröder aber klar: Die Fußball-WM werde mit Sicherheit eine noch größere Selbstverständlichkeit und Unverkrampftheit beim Thema Frauen-Fußball nach sich ziehen. Man könnte Kristina Schröder jetzt vorwerfen, sie müsse als Ministerin auch für die Frauen in Deutschland doch die Frage der Gleichstellung im Sport in den Vordergrund stellen. Sie müsse doch werben für das gesellschaftspolitische Vorbild, das die Nationalspielerinnen für junge Mädchen sind. Sie müsse die Kraft der politischen Integration des Sports hervorheben. Muss sie nicht. Vielleicht macht Schröder alles richtig, wenn es ihr einfach nur um den Sport geht. Ohne politischen Kampf.

Schröder macht es anders als fünf Nationalspielerinnen des U-21-Teams, die sich vor kurzem vom „Playboy“ fotografieren ließen. Sie wollten ein Zeichen setzen gegen das Klischee des Mannweibs in ihrem Sport, sagten sie. Sie wollten zeigen, dass Fußballerinnen auch sexy sind. „Weltmeisterlich“, kündigt das Magazin die Spielerinnen nun auf dem Titel an. Dass gar keine Frau aus dem WM-Kader dabei ist, spielt keine Rolle. Die deutsche Angreiferin Birgit Prinz kommentierte in einem Interview: Sie wolle nicht ihren Hintern vermarkten, sondern ihren Sport.