Niemand habe geahnt, dass die FDP-Politikerin abgeschrieben habe. EU-Kollege Schulz (SPD) rät: Koch-Mehrin sollte besser schweigen.

Heidelberg/Hamburg. Die Universität hat’s gegeben, die Uni hat’s genommen: Kaum hat die renommierte Heidelberger Universität – gegründet im Jahr 1386 – der Europaabgeordneten Silvana Koch-Mehrin (FDP) die Doktorwürde wegen der Affäre um ihre abgekupferte Doktorarbeit entzogen, verleiht die Hochschule einer prominenten Hamburgerin die Ehrendoktorwürde. Ulla Hahn, Lyrikerin und Gattin des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi, wird für ihre herausragende schriftstellerische Arbeit geehrt. Und für Koch-Mehrin ist die Affäre um den entzogenen Titel und die Täuschungen noch nicht zu Ende. Kaum hat sie trotzig gesagt, die Uni hätte beim Einreichen merken müssen, dass die Arbeit den Standards nicht entspricht, zeigte sich ihr Doktorvater „irritiert“.

Volker Sellin, emeritierter Historiker der Universität Heidelberg, sagte dem „Tagesspiegel“: „Ich habe damals selbstverständlich nicht geahnt, dass sie abgeschrieben hat und habe dies daher mit meiner Kritik an ihrer Arbeit auch nicht ausdrücken können.“ Auch der zuständige Dekan Manfred Berg weist Koch-Mehrins „haltlose Verteidigungsstrategie“ zurück. Sie stelle die Integrität des Doktorvaters und der Universität infrage, indem sie den Eindruck erwecke, die Arbeit sei vor elf Jahren trotz bekannter Plagiate angenommen worden.

Berg hatte erklärt: Die Fülle und die Qualität der nachweisbaren Plagiate lege zwingend die Schlussfolgerung nahe, dass Koch-Mehrins Dissertation keine „selbstständige wissenschaftliche Arbeit“ im Sinne der Promotionsordnung der Fakultät und des Landeshochschulgesetzes Baden-Württemberg darstelle. „Angesichts der Vielzahl und des systematischen Charakters der Plagiate kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich Frau Koch-Mehrin in ihrer Dissertation fremdes geistiges Eigentum angeeignet und als das eigene ausgegeben hat.“

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Koch-Mehrin soll nach Ansicht der Sozialdemokraten im Europaparlament die Volksvertretung wegen des aberkannten Doktortitels verlassen. „Es wird schwer, das Mandat nach dem Entzug des Titels weiter zu führen. Ich hoffe, dass sie die Konsequenzen zieht“, sagte der Fraktionsvorsitzende Martin Schulz (SPD) der „Welt“. Koch-Mehrin werde ihren eigenen Maßstäben nicht gerecht. Koch-Mehrin hatte nach dem Entzug der Doktorwürde angekündigt, rechtliche Schritte gegen die Aberkennung ihres Titels zu prüfen. Schulz sagte: „Das ist der verzweifelte Versuch davon abzulenken, dass der Doktortitel mit unlauteren Mitteln erworben wurde.“ Er wolle zwar keine wissenschaftlichen Ratschläge erteilen. „Aber einen kollegialen: Sie sollte besser schweigen.“ (ryb/dpa)