Der Wehrbeauftragte kritisiert die Mängel der Ausrüstung der deutschen Truppen in Afghanistan. Heute Trauerfeier in Hannover.

Berlin. Der Deutsche Bundeswehrverband verlangt nach den jüngsten Anschlägen in Afghanistan eine Überprüfung der politischen und militärstrategischen Konzepte für den Einsatz der deutschen Soldaten. Verbandschef Ulrich Kirsch sagte in Berlin, man trauere um den vierten gefallenen Soldaten in neun Tagen. „Die Taliban legen derzeit ein erschreckendes Tempo bei ihren Anschlägen vor. Es wird Zeit, dass Bundesregierung und Parlament reagieren.“ Am Donnerstagmorgen war bei einem Sprengstoffanschlag in der Provinz Baghlan ein deutscher Soldat ums Leben gekommen. Fünf weitere wurden verletzt, zwei davon schwer.

Kirsch erklärte, die Antworten der deutschen Politik auf die Situation in Afghanistan seien nicht ausreichend. „Unsere Soldatinnen und Soldaten stellen sich täglich tödlicher Gefahr und ertragen schwierigste Bedingungen in heldenhafter Art und Weise. Sie verdienen mehr als das immer gleiche ’weiter so’. Wer deutsche Soldaten in den Krieg schicke, schulde ihnen eine regelmäßige Überprüfung der Grundlagen und Ziele des Einsatzes. Mit Blick auf Äußerungen von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) am Donnerstag sagte Kirsch: “Der Verteidigungsminister hat recht: Wer nichts tut, wird auch schuldig." Das gelte für die Frage nach militärischem Eingreifen generell und auch für Afghanistan. De Maizière hatte den Afghanistan-Einsatz unter anderem mit den Worten verteidigt: “Wenn wir jetzt gingen, würde das Vertrauen und das Selbstvertrauen der Afghanen erst recht erschüttert und die Taliban hätten ein leichtes Spiel."

Der deutsche Regionalkommandeur der internationalen Schutztruppe Isaf, Generalmajor Markus Kneip, kommt nicht zur Trauerfeier für die getöteten Bundeswehrsoldaten in Hannover. Es gehe ihm zwar gesundheitlich ganz gut, sagte eine Sprecherin des Bundeswehrzentralkrankenhauses in Koblenz. Eine Teilnahme an der Trauerfeier wäre aber „noch zu viel für ihn“. „Er ist traurig, dass er nicht dabei sein kann“, sagte sie. Kneip werde in der Kapelle des Krankenhauses eine Kerze anzünden. Er war am Samstag bei einem Anschlag in Nordafghanistan verletzt worden und wird seit Dienstag mit zwei weiteren Soldaten in Koblenz versorgt.

Der Bundeswehrsoldatin, die zunächst in Lebensgefahr geschwebt hatte, geht es nach Angaben der Krankenhaussprecherin etwas besser. Der Zustand der 56-Jährigen sei mittlerweile „stabil“. Sie liege aber nach wie vor auf der Intensivstation. Der dritte Soldat, der mit leichten Verletzungen eingeliefert worden war, werde voraussichtlich nächste Woche die Klinik verlassen können. Dem Generalmajor war am Donnerstag ein Schrapnell, das sich noch in seinem Körper befand, operativ entfernt worden. „Er hat den Eingriff gut überstanden“, hieß es. Nächste Woche werde er aber vermutlich noch im Krankenhaus bleiben müssen.

Bei der Trauerfeier in Hannover will die Bundeswehr von drei Soldaten Abschied nehmen, die in der vergangenen Woche in Afghanistan getötet wurden, darunter ein 43 Jahre alter Major aus Kastellaun im Hunsrück. Das Bundeswehrzentralkrankenhaus bereitete sich bereits auf die Ankunft neuer Patienten vor. In der Nacht zum Samstag sollten zwei „schwerst verletzte“ Soldaten eingeliefert werden, die am Donnerstag bei einem erneuten Anschlag in Afghanistan verwundet wurden, sagte die Sprecherin. Ein 23 Jahre alter Oberstabsgefreiter war dabei getötet worden.

Nach dem erneuten tödlichen Anschlag macht der Wehrbeauftragte Ausrüstungsmängel mit dafür verantwortlich, dass deutsche Soldaten Sprengfallen nicht rechtzeitig orten und entschärfen können. Von diesen „geht die größte Gefahr für unsere Soldatinnen und Soldaten aus“, sagte Königshaus der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“. Die US-Streitkräfte verfügten über besonders geschützte Fahrzeuge, aus denen heraus Sprengfallen per Roboterarm beseitigt werden könnten. Die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan sollten 2012 zwar vergleichbares Gerät erhalten. „Jeder Tag Wartezeit ohne solche Spezialfahrzeuge ist aber ein Tag zu viel.“ In der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag) räumte Königshaus zugleich ein, dass die Ausrüstung in den vergangenen Monaten „rapide verbessert“ worden sei.

Grünen-Chefin Claudia Roth verlangte „eine politische Debatte über die seit Monaten andauernde Offensivstrategie der Isaf in Afghanistan, die bislang auch von der Bundesregierung unterstützt wird“. Sie führe offenkundig nicht zu einer zunehmenden Stabilisierung Afghanistans. Die Linken forderten erneut, „die Bundeswehr unverzüglich aus Afghanistan abzuziehen“. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) will aber an der bisherigen Strategie festhalten.

Außenminister Guido Westerwelle warnte davor, sich wegen der neuen Anschläge von der bisherigen Afghanistan-Strategie abzuwenden. „Wir müssen weiter alles tun, damit die Afghanen möglichst bald selbst die Verantwortung in ihrem Land übernehmen können“, sagte Westerwelle während eines Besuchs in Neuseeland. „Der Weg der inneren Aussöhnung ist äußerst schwierig, aber ohne vernünftige Alternative.“ (APD/dpa)