Kaum im Amt sorgt Innenminister Friedrich mit einer Äußerung zum Islam für Wirbel. Die Opposition spricht von einem „Fehlstart“.

Berlin. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat mit seiner Islam-Äußerung kurz nach seinem Amtsantritt die Opposition und Teile der FDP gegen sich aufgebracht. Regierungssprecher Steffen Seibert versuchte die Äußerung am Freitag in Berlin zu relativieren. Er betonte, nach Ansicht der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Bundesregierung gehöre der Islam zu Deutschland. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt am Donnerstag hatte Friedrich gesagt, die in der Bundesrepublik lebenden Menschen islamischen Glaubens gehörten zu Deutschland. „Aber dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt.“ Dem widersprach am Freitag Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit den Worten: „Der Islam gehört selbstverständlich zu Deutschland.“ Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz bezeichnete die Äußerung Friedrichs als „Blödsinn“. „Herr Friedrich sollte die Scheuklappen ablegen und sich mit der Wirklichkeit unseres Landes auseinandersetzen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. „Ich hoffe, es bleibt bei dieser einmaligen Fehlleistung.“ Der Linke-Politiker Jan Korte sprach von einem „Fehlstart“ des Ministers. Die Grüne hatten die Worte Friedrichs bereits am Vortag scharf kritisiert.

„Der Islam ist seit mehreren Generationen ein realer Teil Deutschlands. Weder die Verneinung dieses Tatbestandes hilft uns weiter, noch seine Verklärung in naiver Multikulti-Romantik", sagte FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff. Friedrich hatte am Donnerstag seine Kritik an der Aussage von Bundespräsident Christian Wulff erneuert, der im Herbst 2010 gesagt hatte, auch der Islam gehöre zu Deutschland. Am Freitag ergänzte ein Sprecher Friedrichs, der Islam sei eine gesellschaftliche Realität Deutschlands. „Das steht nicht im Widerspruch dazu, dass Deutschland und die deutsche Kultur religiös vor allem christlich geprägt sind und auch in Zukunft geprägt sein werden.“

Seibert sagte, es werde ein Gegensatz in Äußerungen des Bundespräsidenten und des neuen Innenministers hineingedeutet, den es so gar nicht gebe. Die Muslime und der Islam seien ein Teil der Gegenwart und der Gesellschaft. Er könne nicht erkennen, dass Friedrich dieses in Abrede gestellt habe. Die Geschichte und Kultur des Landes seien aber tatsächlich vom Christentum, vom Judentum und von der Aufklärung geprägt. „Da kann man also von einer historischen Prägung Deutschlands durch den Islam nicht reden“, sagte Seibert. Der Regierungssprecher zeigte sich überzeugt, dass sich der neue Innenminister dem Integrationsthema „sehr verpflichtet fühlt“. Er sei sich sicher, dass Friedrich auch die Islamkonferenz „mit Kreativität und Engagement“ vorantreiben werde. Forderungen des FDP-Politikers Serkan Tören, die Zuständigkeit für die Islamkonferenz vom Innen- ins Justizressort zu verlagern, erteilte Seibert somit eine Absage.

Die Deutsche Islamkonferenz soll die Integration der Muslime in Deutschland fördern. Das Gesprächsforum wurde 2006 vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufen. In Deutschland leben rund vier Millionen Muslime, knapp die Hälfte besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) warf Friedrich vor zu polemisieren und polarisieren. „Wie können die hier lebenden Muslime denn zur deutschen Gesellschaft gehören, aber ihre Religion, die sie hier praktizieren und die ein Teil ihrer Identität ist, nicht?“, kritisierte der Sprecher des Koordinationsrats, Erol Pürlü, in Köln. „Die selektierenden Aussagen des neuen Bundesinnenministers hemmen die Integration.“ Dem Koordinierungsrat gehören die Dachverbände DITIB, Islamrat, Zentralrat der Muslime und Verband der Islamischen Kulturzentren an. Der Zentralrat der Ex-Muslime lobte Friedrich. „Endlich hat ein deutscher Politiker mal den Mut, klar zu sagen, dass der Islam mit einer aufgeklärten, demokratischen Kultur wie in Deutschland unvereinbar ist. Wir brauchen mehr Politiker, die den aggressiven Islam nicht länger hilflos verharmlosen“, sagte die Zentralratsvorsitzende Mina Ahadi der „Leipziger Volkszeitung“ (Sonnabend).

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Für Thomas de Maizière ist es offenbar ein guter Start in sein neues Leben als Bundesverteidigungsminister. Die Sonne scheint durch die hohen Fenster des großen Saals im Schloss Bellevue, und auch de Maizière strahlt immer wieder während der kurzen Zeremonie, in der er von Bundespräsident Christian Wulff seine Ernennungsurkunde erhält.

Ein bisschen ernster ist der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich, als er offiziell ins Bundeskabinett aufsteigt. Vielleicht liegt das daran, dass kurz zuvor sein Parteifreund Karl-Theodor zu Guttenberg entlassen wurde. Auch mit Urkunde und einem Händedruck des Bundespräsidenten. "Ich danke Ihnen für Ihren überaus engagierten Einsatz und zolle Ihnen ausdrücklich Respekt", hatte Wulff gesagt. Eine Gefühlsregung gab es auf Guttenbergs Gesicht in diesen Sekunden nicht. Der Verteidigungsminister a. D. hatte sich am gestrigen Vormittag zum ersten Mal nach seinem Rücktritt am Dienstag wieder in der Öffentlichkeit gezeigt.

Am Mittag tritt Guttenberg noch einmal vor die Kameras und übergibt seinem Nachfolger de Maizière Amt und Ministerium mit militärischen Ehren. Später führt der neue Dienstherr der rund 250 000 Soldaten erste Übergabegespräche - um schnell da weiterzumachen, wo sein Vorgänger aufgehört hat: Vor allem bei der derzeit größten und wichtigsten Baustelle, der Bundeswehrreform. Während Guttenberg die Wehrpflicht bereits ausgesetzt hat, muss sich de Maizière jetzt um die Verkleinerung der Streitkräfte kümmern. Rund 65 000 Soldaten weniger soll es künftig geben - und damit auch deutlich weniger Kasernen. Das ist der schwierigste Teil des Mammutprojekts: Schließlich ist eine Kaserne ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor, den kein Ministerpräsident gern hergeben möchte. Doch darüber muss de Maizière erst Mitte des Jahres entscheiden.

Schon in den kommenden Tagen stehen jedoch die Etat-Verhandlungen an - und da dürfte es vor allem mit dem Koalitionspartner FDP ans Eingemachte gehen. Denn das Verteidigungsministerium muss bis 2014 rund 8,3 Milliarden Euro einsparen - so sieht es das Sparpaket von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor. Nachdem Guttenberg immer wieder betont hatte, die Reform so nicht finanzieren zu können, hatte Schäuble die Frist auf Ende 2015 verlängert. Die Liberalen wollen allerdings an den ursprünglichen Sparplänen festhalten. "Die Haushaltsdisziplin gilt unabhängig vom Namen des zuständigen Ministers auch für den Wehretat", betont Generalsekretär Christian Lindner unmittelbar nach de Maizières Amtseinführung. Und noch ein weiteres Reformproblem zeichnet sich ab: zu wenig Freiwillige für den neuen Freiwilligendienst. De Maizière wird auch eine klaffende Personallücke zu stopfen haben.

Zudem muss der neue Verteidigungsminister in nicht allzu ferner Zukunft mit dem Untersuchungsbericht zum tödlichen Unfall auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock" rechnen. Wieder wird dann die Offiziersausbildung der Marine im Fokus stehen - und auch die Frage, ob alles so bleiben kann wie bisher. Ungeklärt ist weiterhin, wie es zur geöffneten Feldpost kam - und wie ein Soldat in Afghanistan bei einem Schießunfall durch die Waffe eines Kameraden sterben konnte. Am Ende des Jahres muss de Maiziere dann den ersten Teilabzug der Truppen vom Hindukusch organisieren.

Auch der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat eine ganze Reihe offener Baustellen zu bearbeiten. Nachdem der Bundespräsident ihm seine Ernennungsurkunde überreicht, stellt er sich fast eine Stunde der versammelten Berliner Hauptstadtpresse - und geht bei einem äußerst heiklen Thema gleich auf Konfrontation zu Wulff. Es lasse sich "nicht belegen", dass der Islam zu Deutschland gehöre, sagt Friedrich. Genau das hatte der Bundespräsident am 3. Oktober des vergangenen Jahres gesagt - und damit eine wochenlange Debatte ausgelöst. Auch gestern kommt es sofort zu empörten Reaktionen, etwa von Seiten der Grünen und dem Zentralrat der Muslime. Als Innenminister ist Friedrich auch für Integrationsthemen zuständig. Seine Vorgänger de Maizière und Schäuble hatten sich für den Dialog und eine stärkere Einbindung der Muslime in Deutschland eingesetzt.

Das zweite schwierige Feld, dem sich Friedrich stellen muss, ist die von de Maizière angestoßene und umstrittene Polizeireform, bei der es um eine Fusion von Bundeskriminalamt und Bundespolizei geht. Der schärfste Kritiker dieser Pläne ist ausgerechnet Friedrichs Parteifreund, der bayerische Innenminister Joachim Herrmann. Hier will sich Friedrich jedoch Zeit lassen und zunächst das Gutachten der mit den Plänen beauftragten Expertengruppe unter die Lupe nehmen.

Genauso wie sein Vorgänger will es Friedrich in Sachen Vorratsdatenspeicherung halten - und damit weiterhin einen anderen Kurs fahren als die FDP. Geht es nach ihm, sollen die Daten zur Terrorbekämpfung gespeichert werden. Den Liberalen ist das zu rigide - sie wollen die Speicherung nur auf konkreten Verdacht hin möglich machen. Einen Koalitionsstreit gibt es auch in der Frage, ob Internetseiten mit kinderpornografischem Inhalt gelöscht oder gesperrt werden sollten. Auch hier steht im Sommer eine Entscheidung an.

(abendblatt.de/dpa/dapd)