Dresden hat im Gedenken an seine Zerstörung im Februar 1945 mit einer Menschenkette der Toten gedacht und gegen Rechts protestiert.

Dresden. Dresden hat sich am Sonntag in stillem Gedenken der bis zu 25.000 Toten der alliierten Luftangriffe vom 13. und 14. Februar 1945 gedacht und ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt. An einer Menschenkette durch die Innenstadt beteiligten sich etwa 17.000 Bürger. An zahlreichen Orten wurde mit Kranzniederlegungen, Gottesdiensten und Konzerten an die Zerstörung der Stadt kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges erinnert.

Der Dirigent und Pianist Daniel Barenboim (68) erhielt bei einem Festakt in der Semperoper den als Dank für sein Engagement um einen Dialog im Nahen Osten den Dresden-Preis. Im Gegensatz zum Vorjahr blieb es beim Aufmarsch von mehr als 1000 Neonazis, die den Gedenktag regelmäßig zu Aufmärschen nutzen, bis zum Abend weitgehend ruhig. Die Polizei verhinderte ein Aufeinandertreffen mit schätzungsweise 1000 Gegendemonstranten, die sich trotz Verbots spontan an der abgelegenen Marschroute zusammengefunden hatten. Wegen der Gegen-Demos am Uni-Gelände waren die Rechtsextremen gezwungen, ihren Marsch abzukürzen. Eigentlich waren Gegenaktionen nur auf der anderen Elbseite Dresdens gestattet. Es kamen weniger Rechte als erwartet in die Stadt, für das kommende Wochenende ist neuerlich eine Großaktion von Neonazis geplant.

Das Bündnis „Dresden – nazifrei“ lobte die Gegenwehr und beurteilte den Naziaufmarsch als „braune Schlappe“. Die Initiative sprach von 3500 Gegendemonstranten. Die von den Nazis erhoffte Signalwirkung für den 19. Februar sei verpufft. „Unser Bündnis hat gezeigt, dass wir fest entschlossen sind, die alljährliche Geschichtsfälscherei durch die Neonazis zu beenden: Ein hoffnungsvolles Zeichen für das nächste Wochenende.“ Mehrere Hundert Menschen beteiligten sich am Morgen an der offiziellen Kranzniederlegung auf dem Heidefriedhof. Dort hatten viele der Bombenopfer ihre letzte Ruhestätte gefunden. „Gerade hier, an den Gräbern der Opfer der Bombennächte, bekennen wir: Dresden will Versöhnung und Dresden lebt Versöhnung“, sagte Bürgermeister Detlef Sittel (CDU). Vor dem Ehrenmal verneigten sich auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), Landtagspräsident Matthias Rößler, der britische Botschafter Simon McDonald, der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan J. Kramer, sowie Parlamentsabgeordnete.

Etwa 17 000 Bürger kamen am Mittag zu einer Menschenkette und protestierten damit gegen den Aufmarsch von Neonazis. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Tillich, Rößler sowie Bundespolitiker reihten sich ein. Beim Glockenläuten aller Dresdner Kirchen um 14.00 Uhr war die Kette, die auch an der Synagoge entlang über zwei Elbbrücken führte, für zehn Minuten geschlossen und damit symbolisch ein Ring um die Innenstadt gelegt. „Die Dresdner verteidigen ihr Gedenken“, sagte de Maizière. Die Menschenkette sei der Versuch, Dresden von den Demos wieder zurück zum stillen Gedenken zu bringen. Auch Tillich zeigte sich „tief überzeugt“ von der nach 2010 zum zweiten Mal organisierten Aktion. „Die Dresdner haben damit erneut deutlich gemacht, dass die Stadt ihnen gehört und kein Platz für Rechtsextreme ist“, sagte er. Ein Großaufgebot der Polizei sorgte für Sicherheit.

Die Strecke am Hauptbahnhof, wo sich die Neonazis am Nachmittag versammelt hatten, war weiträumig abgesperrt. Um den Bahnhof fuhren gepanzerte Fahrzeuge und Wasserwerfer auf, Gleise und S-Bahnen wurden kontrolliert und Beamte mit Hunden liefen Streife. Dennoch formierte sich an der Strecke Widerstand. In der Nähe des Nürnberger Platzes versammelten sich etwa 900 Menschen, die Spontandemonstration war von Politikern der Grünen, der Linken und der SPDangemeldet worden, so der Grünen-Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi. Der Gedenktag sollte mit einem Konzert in der Semperoper und stillen Gebeten beendet werden. Traditionell läuten in Dresden gegen 21.45 Uhr alle Glocken, um an den Beginn der ersten Angriffswelle der Bomber zu erinnern. (dpa/abendblatt.de)

Polizei hätte Nazi-Demo ermöglichen müssen

Wie jedes Jahr im Februar wollten sie auch 2010 marschieren. Knapp ein Jahr nach dem Massenaufmarsch von Neonazis am 13. Februar 2010 in Dresden haben Verwaltungsrichter jetzt entschieden, dass die Polizei den Marsch der Rechtsextremen hätte ermöglichen müssen. Über ein entsprechendes Urteil vom Mittwoch informierte das Verwaltungsgericht Dresden am Donnerstag. Ein Urteil, dass für Schlagzeilen und Verwunderung sorgen dürfte. Geklagt hatte die rechtsextreme Junge Landsmannschaft Ostdeutschland gegen den Freistaat Sachsen (6 K 366/10). „Es wird festgestellt, dass der Beklagte es rechtswidrig unterlassen hat, durch Einsatz geeigneter polizeilicher Mittel den Aufzug des Klägers am 13.2.2010 zu gewährleisten“, hieß es wörtlich.

Dresden befindet sich jedes Jahr im Februar im Ausnahmezustand. Neonazis aus ganz Deutschland und dem Ausland erinnert dann an die Bombenangriffe der Alliierten am 13./14. Februar 1945. Der Gedenktag wird regelmäßig zur Negierung deutscher Kriegsschuld benutzt. 2010 stellten sich den rund 6000 Neonazis weit mehr als 10 000 Demonstranten entgegen. Sie blockierten die Straßen rund um den Neustädter Bahnhof und verhinderten damit den von der Justiz genehmigten Aufzug. Die Rechtsextremen mussten sich mit einer Kundgebung am Bahnhof begnügen. „Die Polizei sieht sich außerstande, die Blockade zu räumen“, sagte der aus Bayern stammende Polizei- Einsatzleiter, Ludwig-Gerhard Danzl, damals mit Blick auf die Massen an Gegendemonstranten.

Konsequenzen aus der Entscheidung waren am Donnerstag noch nicht absehbar. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) zeigte sich von dem Urteil enttäuscht, will aber zunächst die schriftliche Stellungnahme abwarten. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa erinnerte daran, dass auch viele Frauen und Kinder damals hinter den Blockaden standen. Es wäre nicht möglich gewesen, die Straßen zu räumen. Ulbig rief die Bürger auf, sich in diesem Jahr zahlreich in die geplanten Menschenketten einzureihen und die Polizei in keine schwierige Situation zu bringen. „Je mehr Menschen bereit sind, sich diesem friedlichen Aufruf anzuschließen und damit ein Zeichen im Herzen der Stadt zu setzen, umso deutlicher werden die Aktivitäten der Rechtsextremen ins Abseits gestellt werden.“

Ulbig geht davon aus, dass die Polizei 2010 verantwortungsbewusst handelte. „Ich kann nur sagen, die Polizeiführung hat am 13. Februar 2010 hochprofessionel gearbeitet und aus meiner Sicht die richtigen Entscheidungen in der damaligen Situation getroffen hat.“ Gegen das Urteil der Verwaltungsrichter kann Berufung am Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen eingelegt werden. Die Einsatzplanung für die neuerlichen Aufmärsche im Februar sei zunächst nicht betroffen, hieß es aus dem Innenministerium. In diesem Jahr wollen Rechtsextreme gleich zwei Mal marschieren – am 13. und 19. Februar. Es sind auch bereits wieder Gegendemonstrationen und rechtlich umstrittene Blockaden angekündigt. (dpa/abendblatt.de)