Der Aufstand der Ägypter überlagert die deutsch-israelischen Beratungen. Premier Netanjahu warnte vor den „Ajatollah“-Regimes.

Tel Aviv. Aus einer Reise zur Vertiefung der deutsch-israelischen Beziehungen wurde eine diplomatische Mission ins Pulverfass Nahost: Beharrlich warb Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in den vergangenen zwei Tagen in Israel für eine schnelle Wiederbelebung des blockierten Friedensprozesses mit den Palästinensern. „Die Ereignisse in Ägypten können kaum eine Entschuldigung dafür sein, dass man in dem Prozess innehält“, mahnte Merkel.

Doch auch wenn die Kanzlerin den israelischen Verbündeten angesichts der sich überschlagenden Ereignisse in Ägypten Unterstützung versicherte – die Sorge vor einem Flächenbrand in der arabischen Welt konnte sie ihren Gesprächspartnern nicht nehmen.

Auch der zweite Tag von Merkels Besuch stand ganz im Zeichen der Proteste in Ägypten, die mit einem „Marsch der Million“ einen neuen Höhepunkt fanden. Eigentlich hatten das deutsche und israelische Kabinett mit ihren dritten Regierungskonsultationen würdigen wollen, dass in die Beziehungen mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Massenmord der Nazis an den Juden zunehmend Normalität einkehrt.

Auch am Dienstag nahm sich Merkel noch eine halbe Stunde Zeit, sich mit jugendlichen freiwilligen Helfern der Aktion Sühnezeichen und Überlebenden der Schoah zu unterhalten. „Was wir geben müssen, ist das Versprechen, dass so etwas nie wieder geschehen darf“, sagte die Kanzlerin. Die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel sei es auch, die ihre Sorge um die Sicherheit des Landes antreibe, betonte Merkel in ihren Gesprächen mit den israelischen Partnern. Israel müsse angesichts einer drohenden Ausweitung des Aufruhrs in der arabischen Welt im Friedensprozess in den kommenden sechs Monaten die Initiative ergreifen. Die „trügerische Ruhe“ in Israel könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zeit knapp werde.

Auch auf der israelischen Seite herrscht Beklommenheit über die derzeit schwer einschätzbare zukünftige Entwicklung in der Region, das wurde bei Merkels Besuch deutlich. Groß ist die Angst, den seit drei Jahrzehnten verlässlichen Verbündeten Ägypten im Falle eines Umsturzes zu verlieren. Mit ernster Miene warnte Regierungschef Benjamin Netanjahu auf der Pressekonferenz mit Merkel davor, dass eine „organisierte islamistische Bewegung“ sich das Chaos in Ägypten zunutze machen und die Kontrolle übernehmen könne. Merkels Kritik am israelischen Siedlungsbau stieß bei Netanjahu erneut auf taube Ohren.

Was den drohenden Flächenbrand bei den arabischen Nachbarn angeht, blicken die Israelis derzeit vor allem nach Iran: Netanjahu nahm sich auf der Pressekonferenz mit Merkel mehrere Minuten Zeit, mit grimmigen Worten die Bedrohung durch das „Ajatollah-Regime“ im Iran heraufzubeschwören. Und auch Oppositionsführerin Zipi Livni forderte im Gespräch mit Merkel verschärfte Sanktionen.

Das Wiederbeleben des Dialogs mit den Palästinensern allein wird die durch Islamisten drohende Gefahr in der arabischen Welt nicht abwenden, darüber scheinen sich die politischen Kräfte in Israel einig zu sein. Die Verstärkung der Truppen auf dem Sinai und Netanjahus Bemerkung, er lasse sich stündlich von ägyptischen Ministern über die Lage informieren, deuteten eher darauf hin, dass Israel sich auf Schlimmeres einstellt.

Merkel konzentrierte sich angesichts der Krise darauf, den Israelis ihre Unterstützung zu versichern. Als „echten, wahren ernsten Freund“ lobte Präsident Peres die Kanzlerin. Deutschland und Israel, das machte der Besuch deutlich, rücken auch in der Krise näher aneinander heran. Die Regierungskonsultationen sollen auch im kommenden Jahr in Deutschland fortgesetzt werden, kündigte Merkel an. Was bis dahin in der arabischen Welt geschehen sein wird, steht in den Sternen.

In Tel Aviv bekam Merkel ihre neunte Ehrendoktorwürde verliehen. Die Universität sprach Merkel die Anerkennung aus wegen „ihrer Bedeutung als Führungspersönlichkeit von Weltrang“ sowie wegen ihrer „unerschütterlichen Unterstützung Israels“. Dass sie diese Auszeichnung annehmen dürfe, „stärkt meine Verbundenheit mit Israel“, sagte Merkel.