Augenzeugen berichten von einem Feuergefecht nahe des Präsidentenpalastes. Die Flucht von Ben Ali sorgt seit Tagen für schwere Unruhen.

Tunis. Augenzeugenberichten zufolge haben sich Armee und Leibgarde des geflüchteten Ex-Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali ein Feuergefecht nahe des Präsidentenpalastes bei Karthago geliefert. Das bestätigten Einwohner aus der Region am Sonntagabend. (dpa)

Unterdessen soll einem Fernsehsender zufolge die tunesische Polizei am Sonntag vier Personen mit deutschen Pässen im Zuge der Ausschreitungen in dem nordafrikanischen Land festgenommen haben. Eine Schießerei in der Nähe der Zentrale einer Opportionsparte in Tunis sei der Grund für die Festnahme sein, berichtete das Staatsfernsehen unter Berufung auf Sicherheitskräfte. Tunesische Polizisten hatten zuvor mitgeteilt, dass zwei der festgenommenen Personen im Besitz eines schwedischen Passes gewesen seien. In der Nähe der Zentralbank in Tunis soll es zu weiteren Gefechten gekommen sein. Dort hätten Sicherheitskräfte mehrere bewaffnete Männer erschossen.

Die Flucht des ehemaligen Präsidenten Zine al-Abidine Ben Ali am Freitag nach Saudi-Arabien haben die schweren Unruhen ausgelöst. Verärgert über Armut, Arbeitslosigkeit und Unterdrückung hatten zahlreiche Demonstranten wochenlang Ben Alis Rückzug gefordert. Der autokratische Präsident hatte das Land mehr als 23 Jahre lang beherrscht. Seit seinem Sturz herrscht in Tunesien der Ausnahmezustand. (afp/abendblatt.de)

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Lage bleibt angespannt - Bürgerwehren gegen Plünderer

In Tunis herrschte angesichts der nächtlichen Ausgangssperre gespannte Ruhe in den vergangenen Stunden, vereizelt waren jedoch Schüsse zu hören. Die Straßen waren menschenleer, Cafés und Geschäfte geschlossen. Allein die Sicherheitskräfte patrouillierten durch das Zentrum. Die größte Gewerkschaft des Landes, UGTT, rief im Fernsehen zur Gründung von Bürgerwehren gegen Plünderer und Gewalttäter auf.

Nach dem Sturz von Tunesiens Präsident Zine El Abidine Ben Ali bleibt die Lage in dem Land weiter angespannt. Während der neue Übergangspräsident Foued Mebazaa einen demokratischen Machtwechsel versprach, waren in der menschenleeren Hauptstadt Tunis weiterhin Schüsse zu hören. Deutsche Urlauber wurden aus Tunesien ausgeflogen.

"Alle Tunesier müssen ausnahmslos in den politischen Prozess eingebunden werden“, sagte Mebazaa am Sonnabend nach seiner Vereidigung. Er versprach, für Pluralismus und Demokratie einzutreten und die Verfassung anzuerkennen. Der Verfassungsrat hatte Parlamentspräsident Mebazaa zuvor zum Übergangspräsidenten ernannt, nachdem Ben Ali am Freitag infolge wochenlanger Unruhen nach Saudi-Arabien geflohen war. Mebazaa muss nun binnen 60 Tagen Wahlen ansetzen.

Zunächst hatte der bisherige Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi das Amt übernommen. Mebazaa erklärte, Ghannouchi sei noch mit der Regierungsbildung beauftragt. Im Tagesverlauf habe er bereits Vertreter zahlreicher politischer Gruppierungen empfangen, um über eine „Regierung der nationalen Einheit“ zu verhandeln, sagte Mustapha Ben Jaffar von der Organisation Demokratisches Forum für Arbeit und Freiheit. Am Sonntag sollten die Gespräche fortgesetzt werden.

Der Chef der größten islamistischen Partei Tunesiens kündigte seine Rückkehr aus dem Londoner Exil an. Die politischen Parteien müssten nun die Diktatur durch eine Demokratie ersetzen, sagte Rached Ghannouchi von der verbotenen Partei Ennahdha in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP. Er sei bereit, sich an einer Regierung zu beteiligen.

Libyens Staatschef Muammar Gaddafi bedauerte den Sturz Ben Alis. Dieser sei „nach wie vor rechtmäßiger Präsident“ Tunesiens, es gebe keinen besseren als ihn, sagte Gaddafi in einer von den Medien übertragenen Rede. Gleichzeitig schlug er dem Nachbarland vor, sein Modell einer „direkten Demokratie“ zu übernehmen.

In Tunis herrschte angesichts der nächtlichen Ausgangssperre gespannte Ruhe. Die Straßen waren menschenleer, Cafés und Geschäfte geschlossen. Allein die Sicherheitskräfte patrouillierten durch das Zentrum. Die größte Gewerkschaft des Landes, UGTT, rief im Fernsehen zur Gründung von Bürgerwehren gegen Plünderer und Gewalttäter auf.

In einem Krankenhaus der Hauptstadt starb ein Neffe von Ben Alis Ehefrau. Imed Trabelsi sei bereits am Freitag einer Schussverletzung erlegen, sagte ein Klinikmitarbeiter gegenüber AFP. Bei dem Mann handelte es sich um das erste Todesopfer aus Ben Alis Familie.

Die französische Regierung gab zu verstehen, dass sie Angehörigen Ben Alis keine Zuflucht gewähren werde. Zuvor war bekannt geworden, dass sich Familienmitglieder, darunter seine 24-jährige Tochter Nesrinen und mindestens ein Enkel, seit Donnerstag im Hotel des Vergnügungsparks Disneyland bei Paris aufhielten. Diese hätten keinen Grund zu bleiben, sagte ein Regierungssprecher.

Der Reiseveranstalter Thomas Cook flog nach eigenen Angaben alle seine deutschen Kunden aus Tunesien aus. Rund 2000 Urlauber, die sich im Rahmen einer von dem Unternehmen organisierten Reise in dem Land aufgehalten hätten, seien „auf dem Heimweg oder bereits wieder zu Hause eingetroffen“, teilte Thomas Cook mit. Der Reiseveranstalter habe im Tagesverlauf insgesamt neun Sonderflüge angeboten. Auch andereTouristikunternehmen hatten Kunden ausgeflogen. (AFP/abendblatt.de)