Die Wehrpflicht soll bald verkürzt werden. Abendblatt.de sprach mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband über die Folgen für den Zivildienst.

Hamburg. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband hat von der Bundesregierung „Tempo“ gefordert, um die Verkürzung des Wehr- und Zivildienstes neu zu regeln. Abendblatt.de sprach mit dem Abteilungsleiter für Soziale Arbeit beim Paritätischen Gesamtverband, Thomas Niermann.

abendblatt.de: Wenn sich der Wehrdienst für die schon im Oktober 2010 Einberufenen auf sechs Monate verkürzt, verkürzt sich dann automatisch auch der Zivildienst und welche Konsequenzen hätte das aus Sicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes für die Zivis und diejenigen, die Sie betreuen?

Thomas Niermann: Die im Koalitionsvertrag angekündigte Frist zur Einführung eines verkürzten Wehrdienstes und damit auch einer Verkürzung des Zivildienstes zum 1.1.2011 war bereits sehr knapp bemessen. Die Ankündigung, die Verkürzung nun kurzfristig drei Monate vorzuziehen, führt in der Praxis zu weiterer Verunsicherung. Den Zivildiensteinsatzstellen wird so jede Planungssicherheit genommen. Jetzt muss die Bundesregierung wirklich Tempo zeigen und umgehend verbindliche Anschlusslösungen wie zum Beispiel die Möglichkeit der freiwilligen Verlängerung des Zivildienstes auf den Weg bringen.

abendblatt.de: Macht ein kurzer Zivildienst in betreuenden Einrichtungen bei einer derart kurzen Dienstzeit überhaupt Sinn? Wenn es eine Berufsarmee gäbe, was würde dann aus dem Zivildienst?

Niermann: Mit der Verkürzung des Zivildienstes auf sechs Monate bleiben nach Abzug der Zeit für Einweisung und Lehrgänge netto noch drei, bestenfalls vier Monate übrig. Nutzen und Sinn des Zivildienstes werden damit komplett in Frage gestellt – für die jungen Männer selbst, für die Einsatzstellen und besonders natürlich für die Menschen, die von den Zivis betreut und begleitet werden und denen zugemutet wird, sich alle drei Monate auf neue Bezugspersonen einzustellen. Einige Einrichtungen haben bereits angekündigt, sich ganz aus dem Zivildienst zurückzuziehen.

abendblatt.de: Macht es aus Ihrer Sicht Sinn, auch über eine Dienstpflicht für junge Frauen nachzudenken? Und wie wäre diese ausgestaltet?

Niermann: Der Paritätische war nie ein Anhänger von Pflichtdiensten. Wir sind grundsätzlich für den Ausbau freiwilliger Dienste, die sowohl jungen Männern als auch Frauen Einblicke und sinnstiftende Lernerfahrungen in der sozialen Arbeit ermöglichen. Rund 35.000 junge Menschen engagieren sich derzeit im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres, doppelt so viele Bewerber hätten Interesse an einem FSJ. Hier liegt enormes Potenzial, das genutzt und entsprechend gefördert werden sollte.