Sieg auf ganze Linie für die Gegner der Vorratsdatenspeicherung: Das Bundesverfassungsgericht erklärt die Regelng für null und nichtig.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Speicherung von Telekommunikationsdaten, die sogenannte Vorratsdatenspeicherung, gekippt. In ihrer jetzigen Form sei das Gesetz verfassungswidrig, entschieden die Karlsruher Richter am Dienstag. Daher müssten umgehend alle bisher gespeicherten Daten gelöscht werden. Gegen das Gesetz lag die Rekordzahl von fast 35.000 Klagen vor. Bei der heutigen Entscheidung ging es aber nur um einige ausgewählte Verfassungsbeschwerden, darunter die der jetzigen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Der Erste Senat des obersten Gerichts begründete seine Entscheidung damit, dass die Vorratsdatenspeicherung gegen das Fernmeldegeheimnis verstoße. Nach Ansicht der Richter handelt es sich bei der Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten für sechs Monate um einen „besonders schweren Eingriff in das Fernmeldegeheimnis“, weil die Verbindungsdaten inhaltliche Rückschlüsse „bis in die Intimsphäre“ ermöglichten und damit aussagekräftige Persönlichkeits- oder Bewegungsprofile gewonnen werden könnten. Weil zudem Missbrauch möglich ist und die Datenverwendung von den Bürgern nicht bemerkt werde, sei die Vorratsdatenspeicherung in ihrer bisherigen Form geeignet, „ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen“.

Laut Urteil sind die Telekommunikationsdaten allerdings „für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung“. Daten dürfen deshalb künftig unter bestimmten Maßgaben gespeichert und verwertet werden. Das Gericht forderte den Gesetzgeber auf, einen strengen Maßstab für die Sicherheit von Daten zu entwickeln, der von den Telekommunikationsunternehmen auch technisch umgesetzt werden müsse.

Der Bund müsse klarstellen, dass Vorratsdaten nur zur Verfolgung schwerer Straftaten genutzt werden dürfen und habe dazu einen abschließenden Katalog festzulegen. Den Richtern zufolge muss der Gesetzgeber die „diffuse Bedrohlichkeit“ der Datenverwendung durch „wirksame Transparenzregeln auffangen“. Betroffene sollen in der Regel über die Auswertung ihrer Daten informiert und Verstöße dagegen sanktioniert werden.

Einzig bei den Daten zu Internet und E-Mail-Verbindungen, den sogenannten IP-Adressen, legte das Gericht den Maßstab nicht so streng an. Mit den IP-Adressen kann zwar der Absender einer anonymen E-Mail oder der Betrachter einer Kinderpornoseite ausfindig gemacht werden. Ein Persönlichkeitsprofil kann damit aber nicht erstellt werden, weil dieses Adresse bei jeder Verbindung im Internet neu vergeben werden.

Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung muss nach dem Urteil also grundlegend überarbeitet werden. Verabschiedet wurde es im Dezember 2007. Es gibt vor, dass alle Telefonunternehmen ein halbes Jahr lang die Daten ihrer Kunden speichern müssen. Dabei geht es darum, wer wann von wo aus mit wem telefoniert hat. Auch SMS- oder E-Mail-Verkehrsdaten werden gespeichert. Der Inhalt der Gespräche oder Mails wird jedoch nicht erfasst. Bei Straftaten oder zur Gefahrenabwehr konnten Staatsanwaltschaften, Polizei oder Geheimdienste auf die Daten bei den Telefonunternehmen zurückgreifen.

In Einstweiligen Anordnungen hatten die Karlsruher Richter bereits 2008 das Abrufen der Daten durch staatliche Stellen erschwert. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache durften sie demnach nur noch bei schweren Straftaten wie Mord und Totschlag, aber auch Kinderpornografie, Urkundenfälschung oder Bestechung genutzt werden. Das illegale Herunterladen von Musik dagegen ist seitdem kein Grund mehr für eine mögliche Nutzung der Daten.