Die Leiterin des Bereichs Klima der Umweltstiftung WWF Deutschland übt scharfe Kritik am dänischen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen.

Hamburg. Die Leiterin des Bereichs Klima der Umweltstiftung WWF Deutschland war bei der Klima-Konferenz in Kopenhagen dabei. Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt übt sie scharfe Kritik am dänischen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen, der die Klimakonferenz in die „Katastrophe“ geführt habe. „Als Ministerpräsident Rasmussen übernahm wurde es schrecklich. Es gab kein überzeugendes Verhandlungskonzept.“ Außerdem sei es fraglich, ob die Größe der Konferenz und die Menge der Verhandlungspartner für weitere Klima-Konferenzen förderlich sind.

Hamburger Abendblatt: Der südafrikanische Bischof Desmond Tutu hat in Kopenhagen gesagt: Besser gar kein Deal als ein schlechter. Hatte er Recht?

Regine Günther : Das Papier, das jetzt vorliegt, zeigt nur, dass der Druck auf die Staaten noch nicht so groß ist, dass sie weitreichenden Verpflichtungen zustimmen würden, die notwendig wären zur Begrenzung des Klimawandels. Was wir jetzt haben, ist ein aller-aller-erster Anfang. Und wenn wir, wie von den Wissenschaftlern strengstens empfohlen, in den nächsten fünf Jahren den Höhepunkt der globalen Emissionen erreicht haben müssen, müssen wir in enormer Geschwindigkeit auf Kopenhagen aufbauen. Mit Kopenhagen allein werden wir es niemals schaffen die globale Erderwärmung drastisch zu begrenzen.

Abendblatt : Ist mit Kopenhagen eine Verschlechterung eingetreten?

Günther : Das nicht, aber auch nur eine sehr geringfügige Verbesserung, zu gering, um die Herausforderungen zu meistern.

Abendblatt : Was hatte der WWF erhofft?

Günther: Dass die Staaten bereit wären, mehr ihrer nationalen Interessen zugunsten des weltweiten Gemeinguts „Atmosphäre“ zurückzustellen. Es gab Fortschritte, aber es hat nicht gereicht. Wir brauchen scheinbar noch mehr Zeit. Wichtig scheint, dass die USA ihr nationales Gesetz durch den Senat bringen und bei China sich die Einsicht durchsetzt, dass ihre Klimaschutz-Anstrengungen einem internationalen Kontrollmechanismus unterstellt werden müssen.

Abendblatt: Ein Grundkonflikt war auch, dass die EU und die USA eine Erwärmung von bis zu zwei Grad abwenden wollen, während die afrikanischen Staaten Maßnahmen gegen eine Erwärmung von 1,5 Grad für überlebenswichtig halten.

Günther : Je mehr an globaler Erderwärmung verhindert werden kann, desto besser. Aber schon das Halten der 2 Grad Schwelle verlangt gigantische Anstrengungen und ein Umsteuern der Wirtschaft in sehr kurzer Zeit. Was wir aber mit dem Kopenhagener Ergebnis erhalten haben, ist eine Erwärmung weit über zwei Grad hinaus. Wir brauchen eine Verständigung über verbindliche Reduktionsziele, Maßnahmen und Finanzierungshilfen. Das haben wir nicht. Am Ende der Kopenhagener Vereinbarung wurde nur aufgelistet was sich jeder vorgenommen hat.

Abendblatt: Wo haben die USA Fortschritte gemacht?

Günther: Obama will in den USA eine Treibhausgas-Reduzierung von 17 Prozent gegenüber 2005 erreichen und hat darüber hinaus Reduktionsziele für 2025, 2030 und 2050 genannt. Die USA sind 10 Jahre später gestartet und die Ziele sind in diesem Lichte vertretbar. Auch in den USA ist es immer eine umstrittene Frage, ob das Land sich an internationale Vereinbarungen fest einbinden lässt. Ein ganz ähnliches Problem hat China. Die Abgabe nationaler Souveränität fällt solchen großen Ländern offenbar sehr schwer. Aber ohne diese Länder wird es nicht gehen.

Abendblatt: Hat China den ganzen Prozess blockiert? Hat es sich hinter den Entwicklungsländern verschanzt?

Günther: China ist nicht allein verantwortlich an dem schwachen Ergebnis, daran tragen alle die Verantwortung. China ist an einem entscheidenden Punkt „nicht gesprungen“: dem internationalen Monitoring. Sie haben angeboten, die Welt über ihre eigenen Medien zu informieren, was aber keine sehr keine hilfreiche Idee war.

Abendblatt: Welche Rolle hatte Gastgeber Dänemark für das Ergebnis?

Günther: Eine sehr ungünstige. Die dänische Präsidentschaft trägt einen Teil der Verantwortung für das magere Ergebnis. In den ersten Tagen leitete Dänemarks Umweltministerin Connie Heedegard die Konferenz noch sehr transparent und kundig und konnte auch Vertrauen schaffen. Als Ministerpräsident Rasmussen übernahm wurde es schrecklich. Es gab kein überzeugendes Verhandlungskonzept. Die Staats- und Regierungschefs erhielten Texte, die für Regierungschefs nicht geeignet waren, zu umfangreich und detailliert. Papiere wurden zu früh oder gar nicht vorgelegt, bestimmte Länder und Ländergruppen wurden nicht konsultiert oder wichtige Inhalte nicht aufgenommen. Rasmussen war zu sehr auf die USA konzentriert und hat völlig unterschätzt, dass bei der UN auch kleine Länder sich Verhör verschaffen können und massiven Widerstand aufbauen würden. Für ihn war diese Konferenzführung vielleicht eine Lehre, für den Klimaprozess eine Katastrophe.

Abendblatt: Warum hat die EU in Kopenhagen keine treibende, aktive Rolle gespielt?

Günther: Schwer zu sagen. Es wäre wichtig gewesen, dass die EU zur Steigerung der Dynamik ihr Reduktionziel von 30 Prozent auf den Tisch gelegt hätte. Dies haben sie aber nie getan.

Abendblatt: Alles blieb im Ungefähren?

Günther: Ja, das gilt auch für die versprochenen Finanzhilfen an die Entwicklungsländer an denen sich die USA beteiligen wollen. Auch hier fehlt das Kleingedruckte: Wer zahlt aus welchen Töpfen? Ist das nur eine Umetikettierung von Entwicklungshilfegeldern, kommt das Geld aus den Kohlenstoff märkten oder ist es wirklich fresh money aus öffentlichen Geldern?

Abendblatt : Wie muss es jetzt weitergehen?

Günther: Die Erwartungen an Kopenhagen waren enorm hoch, und sie sind tief enttäuscht worden. Obwohl vielleicht viele Menschen langsam des Themas müde sind: Wir müssen uns damit weiter auseinandersetzen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir, die für ambitionierten Klimaschutz stehen in den kommenden Jahren gewinnen werden. Wir brauchen ein internationales Regime und dies werden wir über kurz oder lang auch erhalten. Daran führt kein Weg vorbei. Bis dahin dürfen unsere nationalen Anstrengungen nicht nachlassen. 40 Prozent Reduktion für Deutschland muss bis 2020 erreicht werden. Die EU muss sich endlich auf 30 Prozent verständigen. Wir können nicht darauf verzichten, alle in diesem Prozess mitzunehmen. Man sollte allerdings darüber nachdenken, welche Lehren man aus Kopenhagen für die internationalen Verhandlungen zieht. Es ist eine enorm komplexe Materie, die besonderer Vorbereitungen bedarf, wenn sie nicht auf Experten, sondern Staatschefebene verhandelt werden.