Mit dem Abkommen wollen die Türkei und Armenien nach jahrzehntelangem Konflikt ihre diplomatische Annäherung besiegeln.

Zürich. Die Türkei und Armenien haben ein historisches Abkommen zur Normalisierung ihrer Beziehungen geschlossen. Die Außenminister beider Länder setzten ihre Unterschriften am Samstagabend in Zürich unter das Abkommen. Die Unterzeichnung hatte sich wegen armenischer Bedenken gegen geplante Ansprachen bei der Zeremonie um mehrere Stunden verzögert.

Armenier und Türken – belastete Beziehungen

Mit dem Abkommen wollen die Türkei und Armenien nach jahrzehntelangem Konflikt ihre diplomatische Annäherung besiegeln. Das von der Schweiz vermittelte Dokument ruft zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen und zur Öffnung der Grenzen zwischen beiden Staaten binnen zwei Monaten auf. In einigen vagen Formulierungen wird außerdem die Grundlage für weitere Gespräche gelegt.

Die Wurzeln des Konflikts werden dagegen lediglich angedeutet: In der Endphase des Ersten Weltkriegs wurden zahllose Armenier im damaligen Osmanischen Reich vertrieben und getötet, und die Bewertung ar immer wieder Anlass für diplomatische Spannungen. Nach armenischer Darstellung verloren 1,5 Millionen Menschen ihr Leben im ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts, die Türkei spricht von Kriegswirren und geht von weniger Toten aus. Streitpunkt ist außerdem die Zukunft der hauptsächlich von Armeniern bewohnten Region Berg-Karabach in Aserbaidschan.

Der Vorsitzende der regierenden türkischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, Necati Cetinkaya, verteidigte das Abkommen am Samstag gegen Kritik. Ankara arbeite auf freundschaftliche Beziehungen zu allen Nachbarstaaten hin und könnte auch von Handelsbeziehungen mit Armenien profitieren, sagte Cetinkaya. Yilmaz Ates von der oppositionellen Volkspartei kritisierte dagegen Zugeständnisse an Armenien. Sollte der Nachbarstaat an einer Verbesserungen der Beziehungen interessiert sein, müsse er „die Besatzung von Berg-Karabach beenden“.

In der armenischen Hauptstadt Eriwan demonstrierten am Freitag rund 10.000 Menschen gegen die geplante Unterzeichnung des Abkommens. Einige Teilnehmer trugen Plakate mit Slogans wie „Keine Zugeständnisse an die Türkei“ und „Kein Handel über den Genozid“. Nach der Unterzeichnung werde gegen die Ratifizierung und Umsetzung der Vereinbarung mit Ankara gekämpft, sagte der Oppositionspolitiker und Organisator der Proteste Kiro Manoian.

In dem Abkommen heißt es unter anderem, ein Gremium solle Unterlagen über die geschichtlichen Ereignisse prüfen, aktuelle Probleme definieren und diesbezüglich Empfehlungen ausarbeiten. Diese Klausel gilt als Zugeständnis an die Türkei: Nach armenischer Auffassung haben internationale Historiker einen Völkermord im Ersten Weltkrieg bestätigt. Die Türkei betrachtet die damaligen Ereignisse dagegen als Unruhen vor dem Hintergrund der Auflösung des Osmanischen Reichs und nennt die Opferzahl übertrieben.