Medienforscher: Wenn die Deutschen bei der WM siegen, würde das Schröders Umfragewerte wieder in die Höhe treiben.

Hamburg. Wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zwischen dem hektischen G-8-Gipfel in Kanada und dem aufregenden Fußballendspiel in Japan noch eine ruhige Stunde findet, träumt er sicherlich nur von einem: Deutschland als Fußballweltmeister. Das Stimmungshoch, das dieser Sieg auslösen würde, würde auch seine Umfragewerte wieder in die Höhe treiben. Da sind sich die Medienforscher sicher. Da mag der Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber, der mit der CDU/CSU die SPD seit Wochen in den Umfragen überflügelt, noch so an Schröders Wirtschaftspolitik herummäkeln und Deutschland immer wieder als Schlusslicht Europas bezeichnen, mit dem WM-Pokal "sind wir wieder wer". Die Meisterleistung der Fußballer würde auch auf den Kanzler abstrahlen. "Dann gäbe es den Eindruck, dass die Probleme im Land gar nicht so allumfassend sein können, denn schließlich sind wir ja Fußballweltmeister", sagt der Medienwissenschaftler Professor Dr. Peter Vorderer aus Hannover. Der Kommunikationswissenschaftler Reimar Zeh von der Universität Erlangen-Nürnberg konnte in einer Studie nach der letzten Bundestagswahl 1998 tatsächlich einen Zusammenhang zwischen sportlichen Entwicklungen und politischen Stimmungen aufzeigen. An dem Tag, als der damalige Bundestrainer Berti Vogts nach dem blamablen Ausscheiden der Nationalmannschaft im Viertelfinale gegen Kroatien bei der WM in Frankreich zurücktrat, waren die Umfragewerte von Kanzler Helmut Kohl (CDU) im Keller. Das war 20 Tage vor der Bundestagswahl, die für Kohl im Debakel endete. Kohl, der zu einer Zeit Kanzler wurde, als in den 80er-Jahren der deutsche Fußball ganz oben war, hatte immer gezielt und berechnend die Nähe der Fußballer gesucht. "Er hat lange daran gearbeitet", sagt Zeh. Sein enges Verhältnis zu Vogts war bekannt. 1998 brachte es ihm kein Glück mehr. "Man sah ein Strukturproblem in der deutschen Mannschaft", sagt Zeh. "Das wurde auch der Regierung angelas-tet." Dieser sportliche Misserfolg verstärkte die Wechselstimmung im Land. "Das ist dann wie das Sahnehäubchen oben drauf", sagt Zeh. Wechselstimmung macht sich auch jetzt vor der Wahl im September wieder breit. Deswegen ist für Schröder die überraschende Finalteilnahme der Nationalmannschaft gut, doch ein WM-Sieg wäre noch besser. Wer einmal im Finale steht, muss gewinnen, sonst "steht er trotzdem als Verlierer da", sagt Vorderer. Seit die Nationalmannschaft so erfolgreich ist, sieht man Schröder, der selbst mal aktiv gespielt hat, ständig als mitfiebernden Fußballfan. Mit Berechnung, wie Zeh meint. "Bisher hat er sich immer aus der Nationalmannschaft rausgehalten, weil nichts zu erwarten war", sagt er. Jetzt nutzt der Kanzler - wie aber auch Stoiber - den Fußball als riesige PR-Veranstaltung. Schröder hat allerdings das Glück, dass man ihm diese Rolle besser abnimmt. Als Arbeiterkind ist er näher an den Fans. "Stoiber hingegen wirkt wie ein Fremdkörper. Das ist nicht sein Umfeld", sagt Vorderer. Und Stoiber hat noch ein Problem: Er wird zu sehr in die Nähe des erfolgreichen, aber auch als arrogant verschrienen Fußballclub Bayern München gerückt.