Die Lokführergewerkschaft GDL will von 02.00 bis 24.00 Uhr bundesweit den Nahverkehr bestreiken, länger als jemals zuvor.

Berlin. Bahnreisende und Pendler müssen sich wegen eines 22-stündigen Lokführerstreiks am morgigen Freitag auf zahlreiche Zugausfälle und erhebliche Verzögerungen einstellen. Der GDL-Vorsitzende Manfred Schell riet Reisenden, auf andere Verkehrsmittel umzusteigen. "Wir gehen davon aus, dass die Arbeitskampfmaßnahmen Erfolg haben und dass so wenig wie möglich fährt", sagte Schell laut "Bild"-Zeitung.

Der Streik soll DB Regio und ihre Tochterunternehmen sowie die S-Bahnen Berlin und Hamburg treffen. Auch mit Einschränkungen im Fernverkehr müsse gerechnet werden, sagte Schell. Aufgerufen sind neben den Lokomotivführern Zugbegleiter, Mitarbeiter der Bordgastronomie sowie Team- und Gruppenleiter und Disponenten. Die Bahn will Reisende unter der Nummer 0800-996633 und im Internet unter bahn.de/aktuell informieren.

Schell wollte am Abend zu einem Gespräch mit Bahnvorstandschef Hartmut Mehdorn zusammenkommen. Eine Aussetzung der Streiks wegen des Treffens lehnte Schell aber ab: "Das ist ein reines Informationsgespräch und ändert nichts an unseren Plänen", wird der GDL-Vorsitzende zitiert. Die Gewerkschaft verlangt in dem seit Monaten andauernden, festgefahrenen Tarifstreit einen eigenen Lokführer-Tarifvertrag sowie bis zu 31 Prozent mehr Geld.

Die Bahn erklärte, mit Einschränkungen im Zugverkehr müsse gerechnet werden. Zwar werde versucht, streikende Lokführer mit anderen Mitarbeitern zu ersetzen, auch sollen zahlreiche Busse eingesetzt werden. Doch alle Streikfolgen werde das Unternehmen nicht mildern können. Bis zu 1.000 zusätzliche Mitarbeiter an den Bahnhöfen und in den Callcentern sollen den Reisenden weiterhelfen. Bahn-Vorstandsmitglied Karl-Friedrich Rausch kritisierte, dass der Streik so kurzfristig angesetzt wurde, dass keine Notfallfahrpläne mehr aufgestellt werden konnten.

Der Arbeitskampf war durch ein Flugblatt nur wenige Stunden vor dem Spitzentreffen von Schell und Mehdorn und dem Aufsichtsratspräsidium der Bahn bekanntgeworden. Das Papier lag der AP vor. Die Gewerkschaft wies ihre Funktionäre an, den Aufruf zum Streik von 02.00 Uhr bis 24.00 Uhr nicht vor dem Donnerstag 18.00 Uhr zu veröffentlichen, "um dem Arbeitgeber die Möglichkeit einzuschränken, mit Notfallplänen den Arbeitskampf zu unterlaufen", wie es in einem Begleitschreiben hieß. Als Grund wird das von der Bahn nicht eingehaltene Ultimatum genannt, der GDL ein neues Angebot vorzulegen.

Der Streikbeschluss wurde den Angaben zufolge vom GDL-Hauptvorstand in seiner Sitzung "vom 8.-10. Oktober" gefasst. Vom 4. Oktober datiert die Einladung des Bahn-Aufsichtsrats zu dem Spitzentreffen.

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee dämpfte die Erwartungen an das Spitzentreffen von Mehdorn und Schell. Es handele sich weder um eine Mediation noch um eine Schlichtung oder Tarifverhandlungen, sondern um eine Informationsveranstaltung, sagte Tiefensee in Berlin. Er hoffe, dass damit dazu beigetragen werden könne, dass sich die Tarifparteien aufeinander zu bewegen und "dass wieder eine Gesprächsatmosphäre geschaffen wird".