Nur 24 Stunden nach dem verkündeten Boykott der öffentlich-rechtlichen Sender ist der private TV-Sender in die Live-Berichterstattung der Tour de France eingestiegen. Sat.1 begann bereits heute mit der 11. Etappe von Marseille nach Montpellier. Parteien kritisieren TV-Wiedereinstieg in die Tour.

Berlin/Mainz. Der private Fernsehsender Sat.1 steigt mit sofortiger Wirkung in die Live-Berichterstattung der Tour de France ein. Wie ProSiebenSat.1 mitteilte, hat der TV-Konzern die Rechte übernommen. Bereits um 15 Uhr begann die erste Sendung von der 11. Etappe von Marseille nach Montpellier. Einen Tag zuvor hatten ARD und ZDF den vorläufigen Ausstieg aus der Berichterstattung von der Tour beschlossen, nachdem der Dopingfall um um T-Mobile-Profi Patrik Sinkewitz bekannt geworden war.

"Ich bin sehr froh, dass wir so kurzfristig eines der weltgrößten Sportereignisse zeigen können. Alle, die dem Radsport verbunden sind, haben eine gute Berichterstattung verdient", sagte Sat.1-Chef Matthias Alberti. Für Sat.1 werden N24-Sportchef Timon Saatmann (34) und Ex-Radprofi Mike Kluge (44) kommentieren.

Das Einzelzeitfahren an diesem Sonnabend wird laut Pressemitteilung allerdings wegen der Übertragung des Fußball-Ligapokals in Sat.1 auf ProSieben zu sehen sein. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) hatte zuvor den Ausstieg von ARD und ZDF als "schweren Rückschlag" für den Radsport bezeichnet.

Nach dem Ausstieg der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten hatte der Spartensender Eurosport einen Quotensprung gemacht. Die 10. Etappe sahen durchschnittlich 931.000 Zuschauer (Marktanteil: 8, 6 Prozent). Dies entsprach mehr als einer Verdreifachung der bisherigen Einschaltquote.

Mit Unverständnis und harscher Kritik haben die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien auf die Entscheidung von Sat.1 reagiert, in die Live-Berichterstattung der Tour de France einzusteigen. Lediglich die FDP begrüßte unter bestimmten Bedingungen die Wiederaufnahme der Übertragungen durch einen deutschen Fernsehsender.

Als skandalös hat der Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, Martin Stadelmaier, das Verhalten von Sat.1 bei der Tour-Berichterstattung bezeichnet. Um einen sauberen Radsport zu erreichen, sei bei der Tour de France ein Schulterschluss von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern notwendig, sagte der SPD-Politiker in Mainz: "Die journalistischen und ethischen Maßstäbe, die ARD und ZDF ansetzen, dürfen auch für private Fernsehsender nicht außer Kraft gesetzt sein."

Der Sportausschuss-Vorsitzende Peter Danckert (SPD) kommentierte süffisant: "Die Privaten können ja machen was sie wollen. Und das tun sie offensichtlich gerade. Die Öffentlich-Rechtlichen haben dagegen eine besondere Verantwortung und eine Vorbildfunktion."

Klaus Riegert, sportpolitischer Sprecher der CDU, bezeichnete den Entschluss von Sat.1 als "unsolidarisch", da der Tour-Ausstieg von ARD und ZDF nach der positiven A-Probe des T-Mobile-Profis Patrik Sinkewitz das richtige Zeichen gewesen sei. "Außerdem ist zu befürchten, dass ein privater Sender nicht ganz so kritisch über das Doping-Problem berichtet."

Die gleiche Sorge beschäftigt auch SPD-Sportpolitikerin Dagmar Freitag. Die Entwicklung sei "eine Katastophe und das falsche Signal", sagte Freitag und kritisierte: "Wenn jetzt ein Sender nahtlos in die Lücke springt, dann ist das ein Zeichen, dass er Doping toleriert."

Deutliche Worte fand auch Freitags Grünen-Kollege Winfried Hermann: "Ich halte die Entscheidung für einen Skandal. Man kann auch von den privaten Sendern erwarten, dass sie ethische Maßstäbe bei ihrer Programmauswahl ansetzen und nicht nur auf den schnellen Profit achten", sagte Herrmann und warnte: "Ansonsten entsteht der Eindruck, dass sie zu Doping-Sendern werden."

Die Linksfraktion kommentierte den Sat.1-Einstieg ebenfalls kritisch: "Es war ja zu erwarten, dass ein Privatsender einspringt. Hier geht es nur ums Geld", sagte Katrin Kunert.

Lediglich FDP-Politiker Detlef Parr äußerte sich gemäßigter. Er begrüße den Wiedereinstieg des Fernsehens in die Tour, allerdings nur, wenn die Redaktion kritisch berichte: "Ich halte nichts von einem Total-Boykott. Damit schaden wir diejenigen, die für einen Neuanfang stehen."