Die Russen starten nach der Gewalt in der Ukraine ein großes Militärmanöver. Die Ukraine beendet daraufhin den „Anti-Terror-Einsatz“. Chodorkowski wirft Putin unterdessen persönliche Rache vor. Die aktuellen Ereignisse im Live-Ticker.

Die Gewalt in der Ukraine ist am Donnerstag weiter eskaliert - fünf prorussische Aktivisten kamen ums Leben. Putin reagierte mit einem großangelegten Militärmanöver an der gemeinsamen Grenze. Die Ukraine hat daraufhin laut Medienberichten den „Anti-Terror-Einsatz“ gestoppt - wohl aus Angst vor einer Intervention in der Ostukraine. Unterdessen wirft Kreml-Kritiker Chodorkowski Putin vor, sich aus persönlichen Motiven an der Ukraine zu rächen. Lesen Sie hier die aktuellen Ereignisse im Live-Ticker.

+++Chodorkowski wirft Putin persönliche Rache gegenüber Ukraine vor+++

21.25: Der vor vier Monaten aus langjähriger russischer Lagerhaft entlassene Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski hat dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeworfen, seine Politik gegenüber der Ukraine aus persönlichen Rachegefühlen zu betreiben. Er räche sich für den Sturz des prorussischen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch Ende Februar, sagte der ehemalige Erdölmagnat Chodorkowski am Donnerstag während eines Kongresses ukrainischer und russischer Intellektueller im Kiewer Sportpalast.

Die „Revolution in Kiew“ sei für Putin ein „persönlicher Affront“ gewesen. Die Parallelen zwischen dem korrupten Janukowitsch und dem, was derzeit in Russland vor sich gehe, seien „allzu offensichtlich“, sagte Chodorkowski. Er hatte den Kongress zusammen mit dem ehemaligen ukrainischen Innenminister Juri Luzenko, einem Vertrauten der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, organisiert. Chodorkowski war im Dezember von Putin begnadigt worden, Luzenko im April 2013 von Janukowitsch.

+++EU erwägt Sanktionen gegen Banken auf der Krim+++

20.20: Die Europäische Union erwägt ein Verbot von Bankgeschäften mit Instituten auf der Halbinsel Krim. Dies geht aus einem Dokument hervor, das der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag vorlag. Darin wird eine Einschränkung der Kapitalströme zwischen diesen Banken und der EU erwogen. Zudem könnten Investitionen von EU-Bürgern und -Unternehmen in die Krim und umgekehrt von der Halbinsel aus in die EU untersagt werden. Von den etwa 1000 Zweigstellen auf der Krim gehören der EU-Kommission zufolge etwa 60 EU-Instituten. Der österreichischen Raiffeisen gehörten davon 20.

Die in dem Dokument aufgeführten Vorschläge werden noch geprüft. Eine Entscheidung dürfte von den EU-Außenministern getroffen werden, deren nächstes Treffen für den 12. Mai angesetzt ist. Das Gebiet war vor wenigen Wochen nach einer umstrittenen Volksabstimmung in die Russische Föderation aufgenommen worden. Westliche Regierungen werfen Russlands Präsident Wladimir Putin vor, das Gebiet annektiert zu haben.

+++Ban warnt in Ukraine-Krise vor „nicht vorherzusehenden Konsequenzen“+++

20.15: Nach den jüngsten tödlichen Auseinandersetzungen in der Ostukraine hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Konfliktparteien zur Zurückhaltung gemahnt. Ban sei „zutiefst besorgt“, dass die Krise „außer Kontrolle“ geraten und zu „nicht vorherzusehenden Konsequenzen“ führen könnte, erklärte sein Sprecher Stéphane Dujarric am Donnerstag. „Militärische Aktionen müssen um jeden Preis verhindert werden.“ Erneut rief der UN-Generalsekretär dazu auf, den in der vergangenen Woche vereinbarten Fahrplan für eine Entspannung in dem Konflikt umzusetzen.

+++Tusk: Europa muss auf schwarzes Szenario in Ukraine vorbereitet sein+++

19.40: Europa sollte nach Meinung des polnischen Regierungschefs Donald Tusk auf ein „schwarzes Szenario in der Ukraine“ vorbereitet sein. „Man kann nicht die Augen schließen und so tun, als sei alles in Ordnung“, betonte Tusk polnischen Medienberichten zufolge am Donnerstag während eines Besuchs im zentralpolnischen Radom.

Seine Regierung habe alles getan, um Polen auf verschiedene kritische Entwicklungen vorzubereiten, sagte Tusk. Hintergrund sind Übungen von Grenzschützern und Behörden, die schon seit Monaten Vorbereitungen für eine mögliche Flüchtlingswelle aus dem Nachbarland treffen. „Aber ist die Welt politisch vorbereitet auf einen Akt der Aggression oder einen Zerfall des ukrainischen Staates? Europa muss anfangen, sich vorzubereiten.“

+++Prorussische Milizen lassen verschleppten US-Journalisten wieder frei+++

19.00: Der im Osten der Ukraine von prorussischen Milizen verschleppte US-Journalist Simon Ostrovsky ist wieder frei. „Ich fühle mich gut“, sagte der Journalist der US-Nachrichtenseite Vice News am Donnerstag am Telefon der Nachrichtenagentur AFP. Er befand sich demnach im Auto auf dem Weg von Slawjansk nach Donezk. Der Reporter war am Montagabend in der Stadt Slawjansk verschwunden, die seit Tagen von prorussischen Milizen kontrolliert wird.

+++Kiew wirft Russland Unterstützung von Separatisten vor+++

18.00: Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow hat Russland vorgeworfen, die Separatisten im unruhigen Osten der Ukraine zu unterstützen. In einer Rede an die Nation sagte Turtschinow am Donnerstag, Moskau koordiniere und stehe offen hinter „terroristischen Killern“ in der Ostukraine, wo prorussische Bewaffnete in mindestens zehn Städten Regierungsgebäude eingenommen haben. Das Nachbarland müsse seine Truppen von der Grenze zurückziehen und „die ständigen Drohungen und Erpressungen einstellen“, forderte er.

+++„Anti-Terror-Einsatz“ bei Slawjansk offenbar unterbrochen+++

17.25: Der „Anti-Terror-Einsatz“ ukrainischer Regierungstruppen gegen prorussische Aktivisten bei der Stadt Slawjansk im Osten des Landes ist Medien zufolge unterbrochen worden. Grund sei die steigende Sorge, dass russische Truppen die gemeinsame Grenze überschreiten, zitierte die Zeitung „Kyiv Post“ am Donnerstag Regierungskreise. Auf Fotos aus Slawjansk war angeblich zu sehen, wie moskautreue Uniformierte Kontrollposten wieder aufbauten. Demnach patrouillierten in der Stadt prorussische Kräfte. Bei dem Einsatz sollen mindestens fünf Menschen getötet worden sein. Russland hatte den Militäreinsatz gegen „friedliche Bürger“ scharf kritisiert.

+++Präsidenten diskutieren in Prag über Zukunft der EU-Ostpartnerschaft+++

16.30: Angesichts der Ukraine-Krise diskutieren Präsidenten oder Regierungsvertreter von fünf ehemaligen Sowjetrepubliken zwei Tage lang über ihre Annäherung an die Europäische Union. Das Jubiläumstreffen zum fünfjährigen Bestehen des EU-Nachbarschaftsprogramms „Östliche Partnerschaft“ hat am Donnerstag in Prag begonnen.

Das Programm habe den Teilnehmern Visaerleichterungen sowie verstärkte kulturelle und wirtschaftliche Kontakte gebracht, sagte der tschechische Präsident Milos Zeman zum Auftakt. „Es ist zu hoffen, dass dieser Prozess weiter voranschreitet.“ Dies schließe nicht notwendig eine Beitrittsperspektive ein.

+++Russland reagiert mit Militärmanöver auf Gewalt in Ukraine+++

15.00: Russland hat als Reaktion auf die Gewalt im Osten der Ukraine ein großangelegtes Militärmanöver an der gemeinsamen Grenze begonnen. Das teilte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge mit. Zu der Übung gehörten auch Beobachtungsflüge, um die Lage an der Grenze aufzuklären. Die Situation auf der ukrainischen Seite sei besorgniserregend, betonte Schoigu. Es seien 11 000 Mann der ukrainischen Regierungstruppen im Einsatz gegen die „friedliche Bevölkerung“. Die Kräfte seien ungleich verteilt.

„Wenn diese Kriegsmaschine heute nicht gestoppt wird, dann wird dies zu einer großen Zahl Toter und Verletzer führen“, sagte der Minister. In mehreren Orten der Ostukraine halten moskautreue Separatisten Verwaltungsgebäude besetzt. Sie fordern einen föderalen Staat mit weitgehenden Autonomierechten für das russisch geprägte Gebiet. Die vom Westen unterstützte Regierung in Kiew geht zurzeit militärisch gegen die zum Großteil bewaffneten Milizen vor. Bei der „Anti-Terror-Operation“ gab es allein am Donnerstag in der Stadt Slawjansk mindestens fünf Tote. Schoigu kritisierte zudem, dass die Verstärkung der Nato-Militärpräsenz in Polen und im Baltikum die Lage weiter angeheizt habe. „Wir mussten auf diese Entwicklung der Situation reagieren“, betonte Schoigu.

Ein blutiger Donnerstag: Fünf Tote bei Kämpfen

Vermummte Kämpfer ukrainischer Regierungseinheiten und Panzerfahrzeuge rücken in der Ostukraine gegen prorussische Kräfte vor. Mindestens fünf Tote – „ausgelöschte Terroristen“, wie Kiew sie nennt – so lautet die Bilanz dieses blutigen Donnerstags in der von moskautreuen Aktivisten kontrollierten Stadt Slawjansk. Es sind die bisher größten Gewaltexzesse im Machtkonflikt in der Ex-Sowjetrepublik.

Auch das russische Staatsfernsehen zeigt sie in einem fort, Bilder wie aus einem Bürgerkrieg: Kampfhubschrauber über der Stadt, in Flammen stehende oder rußgeschwärzte Barrikaden aus Reifen, Rauchschwaden und bis an die Zähne bewaffnete Uniformierte. Lange dürfte sich Russlands Präsident Wladimir Putin das Chaos im russischsprachigen Osten der Ukraine nicht mehr ansehen.

Ein ernstes Verbrechen sei es, wenn eine nicht einmal gewählte Führung das Militär gegen das eigene Volk einsetze, meint der russische Präsident bei einem Medienforum in St. Petersburg. Putin hat immer wieder betont, dass die neuen Machthaber in Kiew nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch lieber den Dialog mit den prorussischen Kräften suchen sollten, um gemeinsam über die Zukunft des Landes zu sprechen. Er wirft ihnen aber inzwischen vor, völlig verrückt geworden zu sein, mit Kanonen und Panzern gegen friedliche Menschen vorzugehen.

Die Lage verschärft sich täglich

Die prorussischen Kräfte in Slawjansk im Gebiet Donezk – einige immerhin auch schwer bewaffnet und extrem gewaltbereit – fordern weitgehende Autonomierechte für die Region. Doch statt zu verhandeln, lässt der von der EU und den USA hofierte Regierungschef Arseni Jazenjuk im fernen Kiew zurzeit der Eskalation ihren Lauf. Die Lage verschärft sich von Tag zu Tag. Und auch die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kommen nur schwer voran.

Bis zu 11 000 Mann soll Interimspräsident Alexander Turtschinow in Marsch gesetzt haben, um aufzuräumen in der Region. Als Antwort und zunächst wohl nur zur Abschreckung für Kiew, lässt Putin nun auch sein an der Grenze bereits seit langem verstärktes Militär in Bewegung setzen. Noch nicht für einen Einsatz zum Schutz russischer Bürger, für die er seit März die parlamentarische Vollmacht hat, sondern übungsweise.

„Wir bereiten ihnen ein zweites Stalingrad“

Bei dem Militärmanöver mit Übungsflügen sollten sich die russischen Streitkräfte einen Überblick verschaffen über die Lage im Grenzgebiet, sagt Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Und er fordert von Kiew, die „Kriegsmaschine“ zu stoppen, ansonsten werde es viele Tote und Verletzte geben.

Die prorussischen Kräfte warnen nun stärker denn je vor einem Bürgerkrieg. Der „Volksbürgermeister“ der Stadt Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, droht den Angreifern im Interview des russischen Staatsfernsehens: „Wir bereiten ihnen ein zweites Stalingrad.“ Die „Selbstverteidigungskräfte“ wollten weiter um ihre Autonomierechte kämpfen, betont auch deren Sprecher Miroslaw Rudenko in Donezk.

Mit Schützenhilfe des vom Kreml gesteuerten Moskauer Staatsfernsehens stellen die Aktivisten ihren Einsatz noch immer als Kampf gegen den angeblich wachsenden Einfluss von gewaltbereiten Rechtsextremisten in der Ukraine dar. Zwar hat der gewaltbereite Rechte Sektor um den Ultranationalisten Dmitri Jarosch zugesichert, die „Anti-Terror-Operation“ der Regierung zu unterstützen. Als Präsidentenkandidaten bei der für den 25. Mai geplanten Wahl werden Jarosch aber keine Chancen eingeräumt.

Kiew spricht von „Verbrechern“

Mit dem Militäreinsatz will Kiews Regierung die Lage einen Monat vor der Abstimmung weitgehend stabilisieren. In den Städten im Raum Donezk und Lugansk hätten „Verbrecher“ öffentliche Gebäude besetzt, Menschen umgebracht und gefoltert und Geiseln genommen, heißt es zur Rechtfertigung. Die verängstigte Bevölkerung müsse endlich befreit werden von diesen Belagerern, sagt ein Geheimdienstmitarbeiter in Kiew. Es werde alles dafür getan, damit Kinder bald wieder zur Schule gehen, Behörden und Unternehmen wieder ihre Arbeit aufnehmen könnten.