Gätjen trifft ... Katarzyna Mol-Wolf, Buchautorin, Verlegerin und Herausgeberin von „Emotion“ und „Hohe Luft“. Der Weg zu ihrem eigenen Verlag Inspiring Network war ein bravouröser Hürdenlauf.

Hamburg. Was für ein Montag! Bedeckter Himmel, verstopfte Straßen, einfach zum Abhaken. Nicht für Katarzyna Mol-Wolf, Verlegerin und Herausgeberin von „Emotion“, einer Frauenzeitschrift der besonderen Art. Für sie ist der Tagesbeginn im Stau eine unverhoffte Atempause in einem sonst voll durchgetakteten Tag. Geschenkte Zeit. 30 Minuten, um zur Ruhe zu kommen, nachzudenken, an neuen Projekten zu basteln. Ideen dafür hat sie reichlich, die in Polen geborene Katarzyna Mol-Wolf, 1 Meter 80 groß, schlank, gut aussehend, tatkräftig, mit positiver Ausstrahlung, ansteckender Lebensfreude, allzeit bereitem, unaufgeregten Lachen und sanften braunen Augen, die zu Flammenwerfern werden, sobald sie sich für etwas begeistert.

Zu viel des Guten, möchte man meinen, aber sie trägt das Ganze so selbstverständlich wie den hanseatisch blauen Blazer. Unaufdringlich kompetent und diskret perfekt tritt sie auf, hier im Restaurant Places am Schopenstehl im Kontorhausviertel. Schmucklos bis auf Ohranhänger, an denen sie manchmal herumzwirbelt, Ehering und ein silbernes Armband mit der Gravur „46664“, der Häftlingsnummer von Nelson Mandela während seiner 18 Jahre dauernden Gefangenschaft auf der Sträflingsinsel Robben Island. Ein Zeichen ihrer Solidarität mit der Nelson-Mandela-Stiftung, die durch große Musikfestivals den Kampf gegen Aids verstärkt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken will.

Der Weg von Katarzyna Mol-Wolf zu ihrem 2009 gegründeten eigenen Verlag Inspiring Network, in dem neben „Emotion“ – „wir sagen Imoschn“ – auch „Hohe Luft“, „emotion slow“, „trend update“ erscheinen, war ein bravouröser Hürdenlauf. Nachzulesen in ihrem Buch „Mit dem Herz in der Hand“: Die Geschichte ihrer starken Mutter, beider abenteuerlicher Flucht aus Polen, den Neubeginn in München ohne Deutschkenntnisse, das endgültige Durchstarten in Hamburg. Ihr Weg aus der allzu einengenden Nähe, von einer übermächtigen Mutter in die emotionale und berufliche Selbstbehauptung, ihre Aussöhnung mit dem Vater, von dem sie sich ungeliebt und früh verlassen fühlte.

Das Buch ist wie eine schonungslose Therapiesitzung. Eine Autobiografie, geschrieben mit 38 Jahren. Musste das sein? Ja, sagt sie, für sie sei das äußerst wichtig gewesen. Sich über eigene Gefühle klar zu werden und sie sich von der Seele zu schreiben: den Lebensweg, den man einschlagen möchte – und dann die Möglichkeiten, die sich bieten, mutig und risikobereit zu ergreifen. Das habe ihr Kraft gegeben. „Alles ist möglich, wenn man voller Überzeugungskraft dafür kämpft“, ist ihr Motto. Und gerade daran scheitern heute immer noch viel zu viele Frauen, findet sie. Dem könne und sollte abgeholfen werden. Das ist die Marktlücke auf dem Frauenzeitschriftenmarkt, die beackert werden müsse, die Erfolg versprechende Philosophie von „Emotion“. Frauen um die 30 bis hin zu Frauen in den 40ern, die sich weiterentwickeln wollen, sind ihre Zielgruppe.

„Emotion“ ist das Magazin, das sie ursprünglich bei Gruner+Jahr nach dem Vorbild der französischen Zeitschrift „Psychologies“ mit entwickelt und auch relauncht hat, das dann aber mangels profitabler Ergebnisse drohte, eingestellt zu werden. Denn in Deutschland ging das Konzept damals so nicht auf. Die Franzosen ticken anders, sagt sie, philosophieren und psychologisieren gerne, und das, was hier 2006/2007, als „Emotion“ gelauncht wurde, noch nicht so üblich. Sie glaube aber an das Konzept einer „anderen“ Frauenzeitschrift, die sich an Frauen wendet, die mitten im Leben stehen. Die mutig und risikobereit ihr Leben selbst in die Hand nehmen, im Job und nicht erst nach dem Job glücklich sein wollen. Frauen, die kein vorbestimmtes Leben, sondern ein selbstbestimmtes führen wollen; nicht von Neid gegenüber anderen Lebensformen geprägt, sondern von Respekt vor anders gelebtem Leben. Die ihr Glück nicht einfordern, sondern selbst dafür verantwortlich sein wollen. Das alles hört sich fast zu glatt an. Abgenudelt und phrasenhaft.

Doch in ihrem eigenen Verlag ging das Konzept auf. Die verkaufte Auflage liegt bei rund 65.000, ein Zehntel zwar nur von Deutschlands alteingesessener und beliebter Frauenzeitschrift „Brigitte“, aber bis Ende des Jahres, denkt die Verlegerin, dass der gesamte Verlag Inspiring Network schwarze Zahlen schreiben kann. Davon spricht Katarzyna Mol-Wolf, von ihren Freunden und der Familie liebevoll Kasia genannt, mit großer Überzeugungskraft, Begeisterung und leuchtenden Augen. Für sie war der Kauf von „Emotion“ die Erfüllung ihres Traums, eine eigene Zeitschrift herauszugeben und einen Verlag zu gründen. „Ich bin ein Zeitschriftenjunkie.“

Ein Hasardeurunternehmen? Nicht für sie. Sie paukte es unerschrocken durch. Es wurde der erste Management Buy Out (MBO) bei Gruner + Jahr: Eine Unternehmensübergabe, bei dem das neue Management die Mehrheit des Kapitals von den bisherigen Eigentümern übernimmt. Kurz gesagt, der Einkauf eines eingeführten, aber nur zaghaft angelaufenen Magazintitels. Mit einer Tasche voll Geld, versteht sich. Nur genau daran haperte es bei Katarzyna Mol-Wolf: am Kapital. Ein Kredit ohne Eigengeld, ohne Sicherheiten, schien unmöglich. Eine wahre Zitterpartie. Katarzyna Mol-Wolf blieb ihrem Vorsatz treu, sich erst dann Sorgen zu machen und schlaflose Nächte zu haben, wenn es wirklich so weit ist. Sie fuhr in Urlaub, saß alles von Weitem aus. Sie überlebte Verleumdungen, ging Klinkenputzen auf der Jagd nach Geldgebern und Anzeigenkunden. Ein privater Geldgeber und eine Bank stiegen schließlich ein.

Schon deshalb zog sie von München nach Hamburg. In die Stadt, in der sie sich wohlfühlt, die nicht so glatt ist wie München und nicht so überstürzt agil wie Berlin, sagt sie, dafür aber mit mehr Ecken und unterschiedlichsten Brüchen. Hier kann sie sich kreativ aufladen. Katarzyna Mol-Wolf sagt von sich, dass sie eher bauch- als kopfgesteuert sei, kreativ, offen und romantisch dazu. Sie hat in Weiß geheiratet, in Polen, mit Freunden, Familie, kleinem Orchester. Eine Freundin habe gesagt, dass Katarzyna sich nicht einmal wundern würde, wenn ihr Held auf einem Pferd angeritten käme, um um ihre Hand anzuhalten. Ein Schimmel? Nein, sagt sie lachend, ein schwarzer Hengst reiche.

Und dann sind wir nach dem zweiten Latte macchiato doch tatsächlich weg von der selbstbewussten, erfolgreichen Unternehmerin und fast bei der kleinen, verunsicherten Katarzyna aus dem polnischen Jelenia Góra angekommen. „Halt, noch nicht“, sagt sie. Erst will sie noch über den gerade zum vierten Mal verliehenen Emotion Award für „Frauen für die Zukunft“ reden. Ausgezeichnet werden damit Frauen, die kaum in der Öffentlichkeit stehen, aber Großes auf wirtschaftlichem oder sozialem Gebiet leisten. Und auch über „Hohe Luft“ möchte sie noch kurz sprechen, den zweiten eigenen Titel des Verlags, eine Philosophie-Zeitschrift. Viel Text, wenig Bilder, eine Auseinandersetzung mit neuen Perspektiven in Kultur, Wirtschaft und Politik. „So wie ein Gedankenaustausch bei einem Glas Rotwein unter Freunden“, sagt Katarzyna Mol-Wolf.

Nun aber zur Kindheit der kleinen Katarzyna. Zu den Ängsten, Nöten und Albträumen, besonders nach der Scheidung ihrer Eltern, bei der sie sich wie in der Mitte durchgeschnitten wähnt. Sie mag sich nicht leiden, hadert mit ihrer vermeintlich zu großen Nase, hat Angst, den Ansprüchen ihrer ehrgeizigen Mutter nicht zu genügen. Sie glaubt, den Vater und seine Liebe nur durch besonders gute Leistungen zurückgewinnen zu können. Noch als junge Frau fühlt sie sich unter Druck gesetzt von ihrem Anspruch an sich selbst und wird geschüttelt von der Furcht, nicht genug von der erfolgreichen und mutigen Mutter in den Genen zu haben, sondern mehr noch von der Laissez-faire-Einstellung ihres Vaters.

Eine kurze Atempause, ein Blick aus dem Fenster, Winken und leises Lachen. Ein Freund geht draußen vorbei. Lenkt ab von diesem Eintauchen in immer noch nicht abgehakte, schmerzhafte Erinnerungen. Die Mutter, als Solidarnosc-Anhängerin von Verhaftung bedroht, flieht mit der sechsjährigen Tochter nach Deutschland. Immer wieder taucht die Mutter auf im Gespräch. Für die Tochter ein Vorbild an Unerschrockenheit und Ehrgeiz. Auch das beschreibt sie in ihrem Buch, in dem sie das Leben der Großeltern und Eltern unter die Lupe nimmt. Nicht immer sanft, manchmal auch knallhart. Ihre Mutter habe erst das fertige Buch zu lesen bekommen, sagt sie. Sie akzeptiere es, aber das habe es nicht gebraucht. Die Großeltern würden das wohl ganz anders sehen, aber die hätten ihnen damals in Jelenia Góra das Leben schwer gemacht. Wenn sie das Buch in Polen herausbringen könnte, was sie sich sehr wünscht, würde sie einiges verändern, entschärfen.

Polen, das Land ihrer Kindheit, in das sie sich gerne zurückfallen lässt, voller Gerüche, die ihr vertraut sind, mit der Grundeinstellung der Menschen, dass alles schon funktionieren wird. Irgendwie. Die jedem Ungemach mit dem Stoßseufzer O jejku! (O mein Gott) begegnen und dann das Problem ad acta legen. Menschen mit großem Familiensinn. Irgendwann hätte sie dort gerne eine zweite Bleibe. In Jelenia Góra, oder Hirschberg, wie es einst hieß, mit dieser wunderbaren Landschaft, sagt sie versonnen.

Wir springen noch etwas hin und her zwischen dem Gestern und Heute, zwischen dem Jurastudium an der Münchner Maximilians-Universität und dem eigenen Verlag in der ehemaligen Zigarettenfabrik in Hoheluft. Dem mehrere Tage lang fast ohne Schlaf auskommenden Durchpowern und den wenigen Stunden der Entspannung im Kaifu oder zusammen mit ihrer kleinen Tochter am Schaalsee. Auch das Geheimnis einer guten Ehe muss noch kurz angesprochen werden, Dauerthema aller Frauenzeitschriften. Zwei Jahre und mehrere Jahrzehnte Erfahrung stehen sich gegenüber. Wir einigen uns auf Reden und Lachen als Erfolg versprechende Basis. Und zwar miteinander, nicht übereinander.