Das Kulturschiff MS „Stubnitz“ in der HafenCity braucht einen dauerhaften Liegeplatz, aber für die Hafenbehörde gehen Waren- und Schiffsverkehr vor

Hamburg. „Schon Störtebeker wusste, dass der Norden rockt, und hat mit seinem Kahn hier gleich angedockt“, rappte Fettes Brot in „Nordish By Nature“. Aber Störtebeker wäre seinerzeit nicht willkommen im Hamburg der Pfeffersäcke gewesen, er besuchte die Hansestadt nur kurz und in Ketten gelegt und verlor dabei den Kopf.

Auch heute haben es ganz besondere Schiffe mit ungewöhnlicher Besatzung nicht immer einfach im so malerischen wie unter Hochdruck stehendem Hamburger Hafen. Das wirtschaftliche Herz der Stadt muss schlagen, da darf niemand stören. Und die MS „Stubnitz“ stört offenbar. Dabei ist sie so einladend in der Abendsonne am Baakenhöft. Wer sie betritt, dem wird nur wenig genommen, ein paar Euro, und der bekommt dafür Livemusik, DJs, Literatur und Film, innovativ und zukunftsweisend.

Die MS „Stubnitz“ ist ein Kulturschiff, viel mehr noch ein Entdeckerschiff. Wie Columbus und Cook an unbekannten Gestaden landeten, so machte die „Stubnitz“ nach jahrelangen Kurzbesuchen in der Hansestadt im vergangenen August endgültig am Baakenhöft fest. Noch ist hier Industriebrache, aber es kommen die Studenten der HafenCity Universität, neue Wohnungen, neue Betriebe – und die Kultur ist der Pionier, sie ist schon da.

Als Kontrast zu glitzernden Architektenfantasien bildet das 1992 von einigen Enthusiasten vor den Abwrackern der Treuhand gerettete DDR-Motorschiff des VEB Fischfang Rostock einen Reibungspunkt. Ohne Reibungspunkte bleibt ein Stadtviertel leblos. „Der Platz hier ist ideal. Tiefgang, Landstrom, Wasserversorgung, die Nähe zur U4. Die Sedimentierung ist unkritisch, und wir stehen niemandem im Weg“, hebt Urs Blaser hervor, der mit zehn weiteren ehrenamtlichen Kulturschaffenden, Gastronomen und Technikern die denkmalgeschützte „Stubnitz“ am Leben erhält, mit pulsierendem Leben erfüllt. „Aber wir dürfen hier nicht bleiben“, ergänzt er, schaut von der Brücke über die Elbe und lässt die Zigarette, den modernen Schiffszwieback der im Dauerstress lebenden Nachtaktiven, aufglimmen.

Denn am 12. Oktober endet die befristete Aufliegegenehmigung, weil das Westende des Kirchenpauerkais am Baakenhöft saniert wird. „Das ist eigentlich kein Problem, wir könnten die ‚Stubnitz‘ zeitweilig an den bereits sanierten Abschnitt daneben verlegen.“ Und die Land- und Kaimauerflächen liegen im Verantwortungsbereich der HafenCity Hamburg GmbH, die die „Stubnitz“ gern weiterhin an diesem Platz sehen würde. Als Bereicherung für Kultur-, Event- und Freizeitnutzung. Renommierte Hamburger Clubs wie Hafenklang und Uebel & Gefährlich heuern auf der „Stubnitz“ mit ihren DJs an, auch Harbour Front Literaturfestival und Elbjazz würden zukünftig gern ihren maritimen, patinierten Charme nutzen. 2013 bekam die „Stubnitz“ den Bundesspielstättenpreis. Und der Kirchenpauerkai ist der einzige geeignete dauerhafte Liegeplatz in der HafenCity.

Aber: Die Hoheit über die Aufliegegenehmigung hat die Hamburg Port Authority (HPA), als Hafenbehörde zuständig für „präzise und zuverlässige Hafeninfrastruktur, sichere Verkehrswege und effiziente, transparente Kommunikation auf dem Wasser und an Land“, wie es in ihrem Leitbild heißt. Und eine dauerhafte Aufliegegenehmigung kann die HPA nicht erteilen.

„Soweit die MS ‚Stubnitz‘ ausschließlich als Kultureinrichtung genutzt wird, fällt sie nicht unter die Hafennutzungen, die im Hafengebiet des Hamburger Hafens zulässig sind“, teilt HPA-Pressesprecherin Sinje Pangritz schriftlich mit. Der Umschlag von Seegütern und der Schiffsverkehr hätten laut Hafenentwicklungsgesetz Vorrang. Auch gäbe es nur teilweise Parallelen zu Museums-, Hotel- und Gastronomieschiffen wie „Cap San Diego“, „Rickmer Rickmers“ und „Feuerschiff“, „vollständig vergleichbar ist aber keine davon“, so Pangritz. Die MS „Stubnitz“ soll augenscheinlich kein Präzedenzfall werden, und die HPA umschifft ihn, weil das Hafenentwicklungsgesetz ihr den Spielraum lässt.

Seit Monaten schwelt der Konflikt der Kompetenzen und Interessen. „Stubnitz“ und HafenCity, das Bezirksamt Hamburg-Mitte, die Kulturbehörde und Port Authority suchten Lösungen, die für alle Beteiligten technisch, nautisch, wirtschaftlich und rechtlich umsetzbar sind, bislang ohne Ergebnis.

„Der Harburger Binnenhafen wurde als beste Alternative vorgeschlagen, aber an diesem Standort können wir unser Programm nicht rentabel gestalten“, sagt Blaser. Denn finanzielle Unabhängigkeit gehört zum Selbstverständnis der Crew. „In Rostock, der historischen Heimat der ‚Stubnitz‘, konnten wir nur mit öffentlichen Fördermitteln überleben, die aber im Laufe der Jahre nicht mehr die steigenden Kosten für Instandhaltung, Energie und Betrieb ausgleichen konnten.“ Die „Stubnitz“ schipperte wie der Fliegende Holländer als Kulturbotschafter durch Europa und bekam dann von der HafenCity-Leitung den Standort am Baakenhöft angeboten. Hier kann die „Stubnitz“ abgesehen von 1240 Euro aus dem Live Music Account für die Stadt kostenneutral arbeiten, trotz hoher Instandhaltungs- und Betriebskosten und 30.000 Euro Liegegebühr im Jahr.

„Stubnitz“-Fans und Unterstützer aus Kultur, Politik und Medien versuchen nun verstärkt, öffentlich und hinter den Kulissen auf eine Lösung zu drängen. „Das freut uns sehr, aber natürlich wollen wir keinen Zwist, sondern einen gemeinsamen Nenner, der für alle ein Gewinn ist“, sagt Blaser. Bei großem öffentlichen Interesse, festgestellt im Senat durch einen Antrag aus der Bürgerschaft zum Beispiel, wäre es möglich, die entsprechenden Zuständigkeitsbereiche zu verschieben. „Die Grenzen des Hafengebiets werden regelmäßig geändert, das zeigen die vergangenen Jahre“, weiß Andy Grote (SPD), Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte.

Aber Prüfvorgänge dauern, und die „Stubnitz“ kann nicht ewig warten. „Wir müssen ab Ende August kurz ins Trockendock“, erzählt Blaser, „aber ohne Planungssicherheit bekommen wir die Finanzierung nicht hin. Die letzten Monate haben unseren Betrieb doch sehr beeinträchtigt.“ Blaser verlässt die Brücke, hält kurz inne und ergänzt: „Im schlimmsten Fall, wenn keine Perspektive mehr entsteht... muss auch ein historisches Monument in die große Schere.“