Die beschlagnahmten Bilder stammen offenbar aus dem Besitz des Händlers Hildebrand Gurlitt, der in der NS-Zeit in der Hansestadt tätig war.

Hamburg/Augsburg. Es sind zum Teil nie gesehene Werke von Otto Dix, Max Beckmann oder Marc Chagall, aber auch Gemälde aus dem 19. und sogar dem 16. Jahrhundert: Die 1406 Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle und Druckgrafiken, die die Behörden in der Schwabinger Wohnung des Kunsthändler-Sohns Cornelius Gurlitt sichergestellt haben, entpuppen sich als Kunst-Sensation. Der materielle Wert ist kaum zu bemessen, Spekulationen reichen bis zu einer Milliarde Euro. Es gebe „überhaupt keine Anhaltspunkte“, dass es sich um Fälschungen handle, sagte die Berliner Kunsthistorikerin Meike Hoffmann. Sie ist mit der Begutachtung der Werke beauftragt worden.

Zollfahnder hatten die Sammlung zwar bereits im Frühjahr 2012 entdeckt, doch erst am Wochenende hatte das Magazin „Focus“ diesen seit Jahrzehnten größten Fund von Kunstwerken, deren Geschichte mit der NS-Zeit verbunden ist, öffentlich gemacht. Die strikte Geheimhaltung stößt bei der Jewish Claims Conference auf Kritik, zumal es sich bei vielen Werken um Raubkunst handeln dürfte, deren ehemalige Eigentümer seit Jahrzehnten auf der Suche nach ihren verlorenen Schätzen sind.

Die Rechtslage in diesem ebenso spektakulären wie komplizierten Fall ist jedoch keineswegs eindeutig, für die Rückgabe aus privatem Eigentum gibt es keine klaren juristischen Regelungen. Außerdem müsste die Erwerbungsgeschichte jedes einzelnen Werks für eine Rückgabe zweifelsfrei geklärt werden, was mit einem enormen Rechercheaufwand verbunden wäre.

Gurlitt wirkte in Hamburg

Klar ist jedoch, dass eine wichtige Spur nach Hamburg führt: Es handelt sich offenbar um Kunstwerke, die aus dem Besitz des einst in Hamburg tätigen Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt stammen – des Vaters des Schwabinger Wohnungseigentümers. Weil ihn die Nationalsozialisten als „jüdisch versippt“ einstuften, hatte Hildebrand Gurlitt schon 1933 seine Tätigkeit als Direktor des Hamburger Kunstvereins niederlegen müssen.

Stattdessen ließ er sich als Kunsthändler nieder und half den NS-Behörden, Objekte unter anderem aus Museen ins Ausland zu verkaufen, die als „entartete Kunst“ eingestuft worden waren. Gurlitt war auch an der Aktion „Sonderauftrag Linz“ beteiligt, bei der es um die Beschlagnahme von Werken für das in Linz geplante „Führermuseum“ ging. Nach Kriegsende hatte Gurlitt behauptet, die Kunstwerke seien in Dresden beim Bombenangriff am 13. Februar 1945 verbrannt. Gegen seinen heute 79 Jahre alten Sohn wird nun wegen Steuerhinterziehung und Unterschlagung ermittelt.