Im Berlinale-Wettbewerb starten ein Western aus Deutschland und der Hamburger Til Schweiger in dem Actionfilm eines schwedischen Regisseurs.

Berlin. Frage an den Sitznachbarn: "Hast du schon etwas Gutes gesehen? Oder warst du auf der Berlinale?" Das war natürlich zynisch und auch ungerecht, denn das Filmfestival hat nach einem verhaltenen Start doch an Fahrt aufgenommen. Im Wettbewerb schälten sich bereits erste Favoriten heraus. Noch bis zum kommenden Wochenende wird in der Hauptstadt um Goldene und Silberne Bären gekämpft.

Nina Hoss macht auch hoch zu Ross eine ausgesprochen gute Figur, aber dem einzigen deutschen Wettbewerbsbeitrag konnte sie damit nicht wirklich helfen. Der Westen ist das Territorium, das "Gold" erobern will. Eine Gruppe von sieben Deutschen macht sich 1898 auf den Weg zum Klondike, um nach dem Edelmetall zu schürfen. Aber ihr großspuriger Anführer kennt nicht den richtigen Weg und versucht mit dem ihm anvertrauten Geld durchzubrennen. Nach dem Zehn-Kleine-Negerlein-Prinzip muss dann einer nach dem anderen ausscheiden, mal wegen einer Bärenfalle - und das bei der Berlinale! -, mal ist es eine tödliche Kugel.

Das hätte eine schöne Geschichte werden können, aber Regisseur Thomas Arslan lässt seine Darsteller, darunter Nina Hoss, Uwe Bohm und Lars Rudolph, reiten und reiten und reiten. Dabei verwendet er zu wenig Zeit darauf, die Charaktere zu entwickeln. Unschlüssig pendelt der Film zwischen Western-Parodie und Genretreue, wirkt sogar manchmal unfreiwillig komisch. Die Berliner Schule und der Wilde Westen passen hier einfach nicht zueinander. Das Leiden und die Auszehrung von Treck-Teilnehmern konnte man vor drei Jahren in "Meek's Cutoff" viel eindrucksvoller verfolgen.

Ein erster Favorit auf einen der Preise könnte der polnische Wettbewerbsbeitrag "In The Name Of" sein: Ein Priester soll sich auf dem Land um schwer erziehbare Jugendliche kümmern. Dabei ist das Seelenleben des Kirchenmannes Adam, hervorragend vielschichtig gespielt von Andrzej Chyra, eine einzige Baustelle. Die Avancen der attraktiven Ewa weist er mit Hinweis auf den Zölibat zurück. Aber das ist nicht der eigentlich Grund. Adam liebt Männer, was ihm sein Glaube aber verbietet. Ohne Liebe kommt er nicht zurecht und sucht den Ausweg im Alkohol. Als er sich zum jungen Lukasz hingezogen fühlt, bleibt das nicht unbemerkt. Seiner in Kanada lebenden Schwester beichtet er seine Situation per Skype.

Regisseurin Malgoska Szumowska greift hier ein Thema auf, das im erzkatholischen Polen immer noch mit zahlreichen Tabus behaftet ist. Sie schafft es, ein politisch aktuelles Thema mit Motiven aus der Passionsgeschichte und wunderbaren Kinobildern poetisch aufzubereiten.

Eine aktuelle umweltpolitische Thematik bildet den Hintergrund von "Promised Land". Matt Damon und Frances McDormand spielen Manager und Kollegin, die in der amerikanischen Provinz Land aufkaufen sollen, weil ihre Firma mit der umstrittenen "Fracking"-Methode Erdölvorkommen erschließen will. Bei den verarmten Bewohnern bricht zuerst eine Goldgräbermentalität aus, aber dann taucht ein Umweltaktivist auf, der mit Fotos von gestorbenen Kühen Stimmung gegen diese Pläne macht. Damon, der eigentlich selbst die Regie übernehmen wollte, bat dann doch seinen Freund Gus Van Sant, der die gut gemeinte Geschichte recht bieder aufbereitet hat. Damon hat immerhin noch das Drehbuch zu dem Thriller geschrieben, hat produziert und die Hauptrolle überzeugend gespielt.

So eine Ämterhäufung kennt man in deutschen Landen ja eher von Til Schweiger und Matthias Schweighöfer. Wieder-Hamburger Schweiger ist in einer vergleichsweise kleinen Rolle im Regiedebüt des Schweden Fredrik Bond zu sehen. In "The Necessary Death of Charlie Countryman" reist der von Shia LeBeouf gespielte Protagonist nach dem Tod seiner Mutter auf deren Wunsch nach Bukarest, um dort sein Glück zu finden. Der temporeiche Film spielt lustvoll mit Klischees vom Leben in Osteuropa, verbirgt geschickt seine etwas simple Glücksbotschaft und kann mit einem Staraufgebot glänzen. Evan Rachel Wood, Mads Mikkelsen und Ex-Zauberlehrling Rupert Grint geben dem Affen Zucker. Und natürlich Schweiger als Schurke Darko, nur echt mit dem rollenden R.

Auf dem ausgesprochen gut besuchten Brunch der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH) fehlte Schweiger allerdings. Vielleicht aus gutem Grund. Kultursenatorin Barbara Kisseler freute sich in ihrer Rede über das Kino als "Ort grenzenloser Perspektiven" und ergänzte: "Die Produktionen zeigen, wie politisch das aktuelle Kino ist und welch große gesellschaftliche Relevanz das Kino hat."

Kulturstaatsminister Bernd Neumann war so oft im Einsatz, dass er beim Empfang der Deutschen Filmakademie schon auf seine Reden vom Vortag verwies, um sich nicht wiederholen zu müssen. Später am Abend entstieg er in einer der weniger gut beleuchteten Nebenstraßen am Potsdamer Platz seiner Limousine und hatte für einen Moment die Orientierung verloren. "Wo steht denn das Kino?", fragte er seine Begleitung. Die geografisch gemeinte Frage hatte natürlich auch eine schöne kulturphilosophische Komponente, auf die der Minister und das Publikum hoffentlich bis zum Ende der kommenden Woche Antworten gefunden haben.