Zukunft der Gruner+Jahr-Wirtschaftsmedien sieht düster aus. 350 Arbeitsplätze sind in Gefahr, heute tagt der Aufsichtsrat.

Hamburg. Der Aufsichtsrat von Gruner + Jahr (G+J) berät heute über die Zukunft der Wirtschaftsmedien des Hamburger Verlags. Bereits am Montag bereitete Steffen Klusmann, Chefredakteur der "Financial Times Deutschland" (FTD) und Leiter des Chefredakteurskollegiums der Wirtschaftsmedien, seine Mitarbeiter in der Morgenkonferenz darauf vor, was im schlimmsten Fall auf sie zukommen könnte. Das Aus für die "FTD" nämlich. Und damit rund 350 betriebsbedingte Kündigungen. "Unser Verlag (...) prüft angesichts der Verluste, die diese Zeitung schreibt, verschiedene Optionen", schrieb Klusmann in der gestrigen Ausgabe der "FTD" und versicherte, "dass wir Ihnen trotz der turbulenten Zeiten Qualitätsjournalismus vom Feinsten liefern". Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) ist die Einstellung der "FTD" allerdings bereits beschlossene Sache. Die Zeitschriften "Impulse" und "Börse Online" würden verkauft, "Capital" hingegen bleibe bei G+J und werde statt von Hamburg von Berlin aus weitergeführt.

Auch nach Abendblatt-Informationen gibt es so gut wie keine Hoffnung für die einstige "Pflichtlektüre für Entscheider aus Politik und Wirtschaft" (Ex-G+J-Vorstandschef Bernd Buchholz). Tatsächlich kommt der G+J-Aufsichtsrat heute Mittag in Hamburg zusammen, um auf Basis einer den Mitgliedern vorab nicht bekannten Tischvorlage über die Zukunft seiner defizitären Wirtschaftstitel zu beraten. Die Sitzung könnte bis in die Nachtstunden hinein andauern, ob überhaupt unmittelbar eine Entscheidung getroffen wird, ist offen. Als wahrscheinlicher gilt, dass erst gegen Ende dieser Woche völlige Klarheit über die Zukunft von "Financial Times Deutschland", "Börse Online", "Impulse" und "Capital" herrschen wird.

Gruner + Jahr will den Vorgang nicht kommentieren. Zur Zukunft der "FTD" gebe es "keine Entscheidung", erklärte der Verlag. Sollte der G+J-Aufsichtsrat unter dem Vorsitz von Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe heute tatsächlich dem befürchteten Aus für die "FTD" zustimmen, muss dieser Beschluss allerdings noch vom Aufsichtsrat des Gesellschafters Bertelsmann abgesegnet werden, der am 30. November tagt. Wahrscheinlich ist jedoch, dass eine finale Entscheidung bereits zu einem früheren Zeitpunkt per Telefonkonferenz gefällt wird.

Den letzten großen Einschnitt bei den G+J-Wirtschaftsmedien hatte es 2008 gegeben, als "FTD", "Capital", "Börse Online" und "Impulse" zu einer Gemeinschaftsredaktion vereint wurden. Sinkende Anzeigenerlöse und fallende Auflagen haben in diesem Jahr bei den G+J-Wirtschaftstiteln zu Verlusten in Höhe von 15 Millionen Euro geführt, wovon laut "FAZ" zehn Millionen Euro auf die "Financial Times Deutschland" entfallen. Zwar lag die Auflage im dritten Quartal 2012 bei durchschnittlich 102 000 Exemplaren, ein erheblicher Teil davon sind allerdings zu Sonderkonditionen abgegebene Bordexemplare für Flugzeuge und Bahnen. Nach der "Frankfurter Rundschau", die in der vergangenen Woche einen Insolvenzantrag stellen musste, und dem Stadtmagazin "Prinz", das ab Januar nur noch als Online-Ausgabe erscheint, würde mit der "FTD" ein weiteres Printobjekt Opfer der Medienkrise.

Der G+J-Betriebsrat verteilte gestern Flugblätter vor dem Verlag mit der Warnung: "Mit dem Ende der Wirtschaftsmedien würde der deutsche Qualitätsjournalismus erhebliche Einbußen erleiden." "G+J Wirtschaftsmedien sollen leben" ist das Flugblatt überschrieben. Nach den jüngsten Entwicklungen stehen die Zeichen im Verlagshaus am Baumwall dagegen mehr auf Abschiednehmen.