Die Galerie Hilaneh von Kories zeigt malerisch fotografierte Stillleben toter Naturobjekte vom Hamburger Fotografen Walter Schels.

Hamburg. Der Tod, das muss ein Wiener sein. So sang es Georg Kreisler. Die Franzosen aber haben auch ein spezielles Händchen für den Tod. Danger de mort sagen sie, wo bei uns das Leben in Gefahr ist. La petite mort nennen sie, na, Sie wissen schon, welchen Glücksmoment. Und Nature morte, das ist in ihrer Sprache das Stillleben.

Walter Schels, der großartige Fotograf mit dem besonderen Blick für Gesichter frisch Geborener wie frisch Gestorbener und für das menschliche Antlitz überhaupt, hat die Franzosen beim Wort genommen. Bei der Galeristin Hilaneh von Kories sind von heute an Aufnahmen von ihm zu sehen, auf denen er zeigt, was Stillleben gerne zeigen - Blumen in Vasen, malerisch arrangiert. Nur sind es abgestorbene Blumen, vertrocknete, verdorrte Blätter, entleerte Blütenkelche, wie in Todeskampf oder letzter Umarmung umeinander geschlungene Stiele, denen er mit der Kamera wahlweise vor schwarzem oder vor weißem Hintergrund zu totem Leibe rückt.

Nicht dass Walter Schels an frischen Blumen kein fotografisches Interesse hätte. Ein Foto-Maniac wie er beugt sich mit der Kamera auch über Gullydeckel in aller Welt. Aber es ist schon kein Zufall, dass es gerade das Vergehen und das schon Vergangene ist, denen er mit seinen Bildern Unvergänglichkeit sichern will. "Leben und Tod, das war für mich schon als Kind immer präsent", sagt der sehr katholisch erzogene Schels. Alte Eltern, früh verstorben? "Nein. Es war Krieg." Bombenopfer auf der Straße, abgetrennte Gliedmaßen, Köpfe ohne Körper - solche Bilder wird man im Leben nicht mehr los.

Schels, 1936 in Landshut geboren, erlernte in der örtlichen Niederlassung des Modegeschäfts Oberpaur den Beruf des Schaufensterdekorateurs. Schon damals hat er fotografiert, und im Arrangement der Schaufensterpuppen und ihrer Bekleidung war er so gut, dass er auch im Ausland Jobs bekam - in Barcelona, in Kanada, in Genf. Mit 30 Jahren zog es ihn in die USA. Man machte ihm damals ein Angebot: Chefdekorateur eines großen Kaufhauses in Houston. "Aber ich ging lieber in New York Klinken putzen." Die Fotografie war ihm wichtiger. Seit 1970 arbeitet Schels wieder in Deutschland, 1990 ließ er sich in Hamburg nieder. Der Herr mit dem markanten Gesicht und der grauen Prinz-Eisenherz-Frisur hat Bundespräsidenten fotografiert und Künstler von Weltrang, die uralten Gesichter der Neugeborenen und immer wieder Hände. Tiere schauen so in seine Kamera, dass man ihre Seele sieht.

Walter Schels fotografiert parallel in Schwarz-Weiß und in Farbe, doch die Galeristin hat sich auf einige exemplarische Arbeiten in Schwarz-Weiß konzentriert. Kleine Blumenskelette, die Blätter dünnhäutig und so fein geädert wie die Hände alter Menschen vom Delta kaum zählbarer Blutbahnen, bekommen in diesen Bildern eine kreatürliche Erhabenheit und Würde.

Manche dieser Nature mortes rücken nah an die bedeutenden Sterbebilder, die Walter Schels zu Beginn des Jahrtausends in Hamburger Hospizen und Kliniken gemacht hat. Sie lösen neben Ehrfurcht auch ein Gefühl der Verwandtschaft aus. Alles Lebende und Gelebthabende, so die stumme Botschaft dieser Bilder, ist sich im Wesen gleich. Schönere, zumindest ehrlichere Pflanzenschwestern, Blumenbrüder kann man sich kaum an die Wand hängen. Als Memento mori - in dankbarer Erinnerung an die eigene Endlichkeit.

Walter Schels: Nature morte, ab heute bis 31.1., Galerie Hilaneh von Kories (Bus 3), Stresemannstraße 384a, Hinterhof, Di bis Fr 14.00-19.00 u.n.V., T.: 423 20 10 www.galeriehilanehvonkories.de