Die Galerie Hilaneh von Kories zeigt in der Ausstellung “Wunderland“ die magischen Fotografien der russischen Künstlerin Inessa Dolinskaia.

Galerie von Kories. Am liebsten geht Inessa Dolinskaia am frühen Morgen mit ihrer Kamera durch die erwachende Stadt. Wenn die Bürgersteige noch menschenleer sind und keine vorbeifahrenden Autos den Blick auf Fassaden und Gebäude stören. Dann gehören ihr die Parks und die Hinterhöfe noch allein. Zu dieser frühen Stunde wirken Städte durch die Abwesenheit von Menschen irreal und geisterhaft. Die Künstlerin verstärkt diesen Eindruck noch, indem sie schwarz-weiß fotografiert, mit Unschärfen arbeitet und später einige Prints über einen alten verschmutzten Scanner laufen lässt, der Körner auf den überwiegend analog aufgenommenen Bildern hinterlässt. Es geht Dolinskaia nicht darum, einen Moment einzufrieren und festzuhalten, sondern um seine Flüchtigkeit. Urbane Lebensräume werden nicht dokumentiert, sondern verrätselt.

"Wunderland" heißt die Ausstellung der in Berlin lebenden Fotografin, die noch bis zum 27. Juli in der Galerie Hilaneh von Kories zu sehen ist. Einmal im Jahr reserviert die Galeristin ihre Räume an der Stresemannstraße für eine Nachwuchskünstlerin. "Next Generation" heißt die Reihe, die 2010 mit der Hamburger Fotografin Béatrice Klein begonnen hat. Auf Inessa Dolinskaia ist Hilaneh von Kories aufmerksam geworden, als sie 2010 in der Jury für den Canon Profifoto Förderpreis saß. "Die Arbeiten haben auf mich einen tiefen Eindruck gemacht", sagt die Galeristin, die ein Faible für Schwarz-Weiß-Fotografie hat und oft in ihrer Galerie Ausstellungen mit analog aufgenommenen Bildern zeigt, in der es auf das Spiel von Schwarz und Weiß und den dazwischen liegenden Grautönen ankommt.

Inessa Dolinskaia wurde 1980 in der an der Wolga gelegenen Stadt Saratov geboren. Als Teenager kam sie nach Deutschland und hat dann von 2006 bis 2009 an der Neuen Schule für Fotografie in ihrer Wahlheimat Berlin studiert. Seither arbeitet sie als freiberufliche Fotografin. Die Nachwuchskünstlerin hat erste Ausstellungen in Berlin, Köln und München gezeigt. Die deutsche Hauptstadt findet sich in ihren Arbeiten naturgemäß häufig wieder. Zum Beispiel hat sie das Brandenburger Tor, die Gedächtniskirche und die Siegessäule aufgenommen, unscharf und mit vielen Überblendungen. Doch die Silhouetten sind so in unser Gedächtnis eingebrannt, dass sie wiedererkannt werden können.

Über ihr Projekt "Wunderland" schreibt die Russin in einer poetischen Sprache: "Ich sehe Hinterhäuser mit verstaubten Fenstern, die eine andere Wirklichkeit widerspiegeln. Dächer mit unzähligen Antennen, die tagsüber außerirdische Schatten werfen, aber in dieser Morgenstunde wie aus einem Märchenbuch entsprungen wirken. Ich mag große Kreuzungen mit noch blinzelnden einäugigen Ampeln, wo die einzigen Fußgänger Tauben und Spatzen sind. Die Bäume fühlen sich im Morgengrauen auch noch unbeobachtet und flüstern miteinander."

Bäume und Pflanzen spielen in den Arbeiten von Inessa Dolinskaia eine wichtige Rolle. Sie müssen sich im öffentlichen Raum gegen Neubauten und Straßenverbreiterungen behaupten, aber in Dolinskaias Bildern ragen sie oft ohne Laub in den Himmel - wie im Winterschlaf oder wie abgestorben, genau ist das nicht auszumachen. Sie kreiert eine düster-romantische Welt mit einer ganz eigenen Poesie. Menschen kommen in diesen Räumen nur als schemenhafte Figuren vor.

Inmitten dieser insgesamt 48 Arbeiten gibt es jedoch einige, in denen Dolinskaia die Schärfeneinstellungen exakt genutzt hat. Sie gehören zu einem Projekt, das "Fiktive Heimat" heißt. Diese eigene Welt, die sie sich erschafft, liegt in ihrem Heimatland Russland, wie die Inschriften an Häusern unschwer erkennen lassen. Doch diese Heimat ist verlassen. An einer Wäscheleine hängt ein einzelner Turnschuh, das Netz eines verrosteten Fußballtores hängt zerknüllt in der oberen Ecke, der Fahrradständer vor einer Fassade verlassen. Wunder gibt es in dieser Welt nicht. Es ist pure Tristesse.

Inessa Dolinskaia: "Wunderland" bis 27.7., Di-Fr 14.00-19.00 und nach Vereinbarung, Galerie Hilaneh von Kories (Metrobus 3), Stresemannstraße 384a im Hof, T. 423 20 10; www.galeriehilanehvonkories.de