Jeffrey Tate und die Symphoniker mit Edward Elgars “The Dream of Gerontius“ in der Laeiszhalle

Hamburg. Edward Elgar ist hierzulande ja fast ausschließlich für seinen Schlager "Pomp and Circumstance" bekannt. Darüber sollten wir wohl noch mal nachdenken. Und zwar gründlich. Denn der britische Komponist, der in seiner Heimat als einer der ganz Großen verehrt wird, hat so manches andere Meisterwerk zu Papier gebracht. Wie sein Oratorium "The Dream of Gerontius", das Jeffrey Tate jetzt mit den Hamburger Symphonikern in der Laeiszhalle präsentierte.

Das gut 90-minütige Stück für (Riesen-)Orchester, Solisten und Chor kreist um existenzielle Themen des Menschseins wie die Angst vor dem Tod und deren Überwindung durch den Glauben an Gott - und berührt den Hörer dabei durch eine weiche, spätromantische Klangsprache. Obwohl sich Elgars Wagner-Verehrung in den harmonischen Wendungen des Oratoriums und seiner leitmotivischen Struktur niedergeschlagen hat, tritt seine eigene Handschrift deutlich zu Tage: Vor allem in den sehr britisch-pastoralen Melodiebögen und ganz eigenen Farben der Musik. Wunderbar etwa die neblige Bratschen-Fagott-Mischung, mit der das Stück beginnt; eindrucksvoll die Leuchtkraft jenes Akkords, der die überwältigende Erfahrung der Gegenwart Gottes in Töne kleidet.

Maestro Tate und seine Symphoniker widmeten sich der Partitur und ihren gewaltigen Kontrasten nicht komplett pannenfrei, aber voller Hingabe - und mit großartiger vokaler Unterstützung. Der 120 Sänger starke Philharmonia Chorus aus London, in dem Tate selbst einst als junger Mann gesungen hat, sorgte für wahre Gänsehautschauer: Nicht zuletzt mit einem zauberhaft leisen und doch voluminösen Pianissimo, wie man es nur von den allerbesten Profichören zu hören und spüren bekommt.

Auf demselben Spitzenniveau bewegten sich auch die drei Solisten. Allen voran Brenden Gunnell als Gerontius: Ein sensationeller Tenor! Der junge Amerikaner vereint heldisches Strahlen mit lyrischer Wärme und machte die Seelenreise ins Jenseits zu einem bewegenden Erlebnis - behütet von der Mezzosopranistin Alice Coote als Engel, der ihm mit sattem Mezzosopran den Weg weist. Das sinnlich schwelgende Duett zwischen Engel und Gerontius im Vorhof des ewigen Gerichts gehört in die Kategorie unvergesslicher musikalischer Momente.

Kristinn Sigmundsson musste zwar kurz mal einen Frosch im Hals wegräuspern, fügte sich aber ansonsten mit seinem kernigen Bariton nahtlos in die Weltklasseriege ein.

Dass die Besucher der gut gefüllten Laeiszhalle erst sehr konzentriert lauschten, nach dem Schlussakkord ergriffen schwiegen und schließlich umso lauter jubelten, spricht nicht nur für die Qualität der Aufführung, sondern auch für die mutige Programmauswahl. Eine tolle Entdeckung, dieser Elgar. Und ein fulminanter Saisonauftakt der Symphoniker. Damit untermauerte das Orchester den Aufruf seines Intendanten eindrucksvoll. In der Begrüßung hatte Daniel Kühnel vom Senat gefordert, er möge die vor drei Jahren gegebenen finanziellen Zusagen bitte einhalten. Kann man nur unterschreiben.