Nach der Suspendierung von NDR-Fernsehspielchefin Doris J. Heinze übernimmt zunächst Thomas Schreiber, der Programmbereichsleiter Fiktion & Unterhaltung und damit bisher der direkte Vorgesetzte von Doris J. Heinze, die Leitung der Fernsehspielredaktion.

Hamburg. Hamburger Abendblatt:

Herr Schreiber, planen Sie demnächst ein Klassentreffen aller Drehbuchautoren, die für den NDR arbeiten? Offensichtlich kennen Sie ja einige Ihrer wichtigsten Mitarbeiter nicht.

Thomas Schreiber:

Über die vertraulichen Gespräche, die wir seit Donnerstag mit Schauspielern, Regisseuren, Produzenten und Autoren führen, sprechen wir nicht öffentlich.

Abendblatt:

Wie oft kommt es vor, dass der Autor eines Film dem Regisseur überhaupt nicht für Nachfragen zur Verfügung steht?

Schreiber:

Das ist schon außerordentlich selten, kann aber vorkommen. Im Übrigen schreibt der Regisseur im Allgemeinen sein eigenes Inszenierungs-Buch, das heißt: seine Drehbuch-Fassung für die konkrete Umsetzung des Stoffes mit den konkreten Schaupielern.

Abendblatt:

Warum ist auf diese Merkwürdigkeit nicht reagiert worden, warum wurde die wahre Autorenschaft nicht aufgeklärt?

Schreiber:

Frau Heinze hat den NDR über die wahre Identität von Niklas Becker getäuscht. Es gab ein geschlossenes, von außen nicht einsehbares Kommunikationssystem. Die verantwortliche Redaktionsleiterin Doris Heinze hat persönlich die Redaktion dieser Filme übernommen und mit der Produzentin Heike Richter-Karst alle Verabredungen getroffen. Im Falle Niklas Becker kannte die Produzentin die wahre Identität dieser Person, hat aber ihrerseits niemanden im NDR darüber informiert.

Abendblatt:

Wie hoch ist der Etat, über den Doris J. Heinze jedes Jahr verfügen konnte?

Schreiber:

Wir machen keine Angaben über die Etats von einzelnen Produktionen und auch nicht zu einzelnen Redaktionsetats; die Höhe spielt für den Sachverhalt auch gar keine Rolle.

Abendblatt:

Wem gegenüber musste sie ihren Etat konkret verantworten? War sie allein zeichnungsberechtigt? Wer schaute drauf? Wer fragte nach?

Schreiber:

Jede einzelne Programmentscheidung im NDR ist einem komplexen System von Kontrollen unterworfen. Eine Redaktionsleiterin ist zur Transparenz und Wahrhaftigkeit verpflichtet - Frau Heinze hat die Kollegen im NDR leider gezielt getäuscht.

Abendblatt:

Das ist keine konkrete Antwort. Wenn alle Kontrollen nicht gegriffen haben - war das System nicht komplex genug?

Schreiber:

Der Etat ist ja eingehalten worden, und es sind Filme entstanden, die gesendet und vom Publikum akzeptiert wurden. Sie können das Kontrollsystem so komplex machen, dass unsere Genehmigungsprozesse noch länger dauern als ohnehin schon und Sie uns dann wieder übertriebene Bürokratie vorwerfen können. Im Übrigen unterliegen alle Bereiche Kontrollen der Revision, der Rechnungshöfe etc. Fakt ist: Wenn die Informationen gefälscht sind, arbeiten alle Mitarbeiter mit gefälschten Informationen. Im Übrigen gilt im NDR das Prinzip der delegierten Verantwortung.

Abendblatt:

Darf man eine Mitarbeiterin, die über so viel Geld und Einfluss verfügt, alleine entscheiden lassen?

Schreiber:

Ein Mitarbeiter des NDR ist zur Ehrlichkeit seinen Kollegen und Vorgesetzten gegenüber verpflichtet.

Abendblatt:

Ist das Büro von Frau Heinze von der Polizei/Staatsanwaltschaft durchsucht worden?

Schreiber:

Nein.

Abendblatt:

"Diese Entwicklung ist für uns alle unfassbar", sagte ein NDR-Sprecher am Freitag. Unterschreiben Sie das immer?

Schreiber:

Ja.