Sophia Loren ist eines jener Frauenwunder, wie sie nur die 50er-Jahre hervorbringen konnten. Dabei war ihr Privatleben eher unspektakulär. Irene Jung über eine Diva, die an diesem Sonntag 75 Jahre alt wird.

Schon die Villa erfüllte alle Träume, die man in den Sechzigern nur haben konnte. Eine terrakottafarbene Märchenkulisse im pseudoantiken römischen Stil mit Skulpturen, Türmchen und zwei Freitreppen hinab zu einem riesigen Swimmingpool. 1964 hatte das Magazin "Life" die Fotos zuerst, dann zog auch die deutsche Yellow-Press nach: Sophia Lorens und Carlo Pontis neues Heim. Ich entdeckte die Geschichte in einem goldenen oder anderen Frauen-Blatt, als ich Ferien bei meiner Oma verbrachte, und war entzückt.

Sophia Loren ist eines jener Frauenwunder, wie sie nur die 50er- und 60er-Jahre hervorbringen konnten. Ein Wunder, das in der Lücke zwischen bescheidener Nachkriegswirklichkeit und neuen Träumen entstand. In Köln-Müngersdorf oder Hamburg-Altona musste man sich wohl oder übel noch mit Schnittmustern herumärgern - aber irgendwo in Rom oder New York gab es diese Frauen, die es geschafft hatten, die einfach immer fantastisch aussahen und sich Abendkleider von Pucci oder Balmain oder Givenchy leisten konnten. Frauen wie Audrey Hepburn, Gina Lollobrigida und Sophia Loren.

Loren und Lollobrigida galten erst als "Sex-Symbole", bevor sie im Alter dann zu "Diven" mutierten, aber beides sind Begriffe aus der Medienverkaufe. Sophia Loren hat es immer geschafft, sich eben nicht allein auf die Erotik reduzieren zu lassen.

Überhaupt hat sich Sofia Villani Scicolone nicht wie eine Sexbombe gefühlt, als sie sich mit 14 an den ersten Schönheitswettbewerben beteiligte. Das Mädchen, das als uneheliches Kind in einem Arbeiterbezirk von Neapel aufgewachsen war, hatte der Welt eine beachtliche Oberweite zu bieten, war aber ansonsten dünn wie eine Zaunlatte und wurde "Stuzzicadenti" genannt - Zahnstocher. Die Kleider für die Shows nähte ihre Mutter aus Gardinen, ihre Schuhe malte sie farblich passend an. Zwei Jahre später, mit 16, hatte sie sich immerhin zum Wettbewerb zur "Miss Rom" vorgearbeitet und wurde Zweite.

Ihre Ausstrahlung war unübersehbar - vor allem für Männer -, und das nutzten Filmagenten schamlos aus. In den ersten Rollen bestach sie vor allem durch die knappen Kostüme, nicht nur in Sandalenfilmen wie "Quo vadis?". Aber dann gelang Sofia innerhalb von fünf Jahren ein steiler Aufstieg in anspruchsvollere Stoffe, etwa das Drama "Das Gold von Neapel" (1954) mit Vittorio de Sica und Silvana Mangano. Ein Jahr später spielte die 21-Jährige, die sich inzwischen auf Rat eines Produzenten "Sophia Loren" nannte, zum ersten Mal neben Marcello Mastroianni in der Komödie "Schade, dass Du eine Kanaille bist" - und ein neues Film-Traumpaar war geboren.

Der Mann, der ihr wirkliches Leben und Fortkommen bestimmen sollte, sah nicht halb so gut aus. Den 22 Jahre älteren Filmproduzenten Carlo Ponti hatte sie bei den Dreharbeiten zu "Aida" 1953 kennengelernt. Auf den ersten Blick eine Vernunftehe: aufstrebendes Starlet hält sich an einflussreichen älteren Mann und er sich umgekehrt an die blutjunge Zweitfrau.

Aber das stimmte so nicht. Ponti umwarb sie ernsthaft und leidenschaftlich. "Als er begann, sich kindisch zu benehmen, wusste ich, dass er es ernst meinte", hat sie später amüsiert erzählt. Der Ehe stand allerdings entgegen, dass Ponti sich hatte scheiden lassen und die katholische Kirche diese Scheidung nicht anerkannte. Erst später, als Loren und Ponti die französische Staatsbürgerschaft angenommen hatten, holten sie die Hochzeit 1966 nach.

Zum einen war Ponti für die junge Sophia Loren das, was Professor Higgins in "My Fair Lady" für das Blumenmädchen Eliza Doolittle ist: ein ehrgeiziger Entwicklungshelfer, der die Frau nach seinem Bilde formt. Zum anderen aber hat gerade dieser kleine, bebrillte Jurist das italienische Nachkriegskino mitgeformt wie kein anderer. 1951 hatte er zusammen mit Dino de Laurentiis eine gemeinsame Produktionsgesellschaft gegründet, er arbeitete mit Fellini, de Sica, Antonioni zusammen. Durch ihn bewegte sich Sophia Loren in einem Kokon von Männern - vor und hinter der Kamera -, die ernsthaft die Traumata des Krieges und der Armut aufarbeiten wollten und dem italienischen Film zu Weltgeltung verhalfen. Und damit auch ihr.

Bestes Beispiel ist "Und dennoch leben sie" unter der Regie de Sicas 1960: In dem Drama nach einem Roman von Alberto Moravia geht es um die traumatische Flucht einer Mutter und ihrer halbwüchsigen Tochter im Krieg vor den Alliierten. Anna Magnani lehnte es vehement ab, die Mutter der Loren zu spielen, so übernahm die Loren selbst die Rolle. Und bekam dafür den Oscar - Magnani wird geflucht haben.

Der neorealistische Film brauchte starke Frauen mit vulkanartigem Feuer, mit einer erotischen Ausstrahlung und mit so ausdrucksvollen Gesichtern wie Loren oder Magnani. Aber das allein hat noch keine "Diven" gemacht. Der riesige Erfolg, den Gina Lollobrigida und Sophia Loren in Europa und auch in den USA hatten, lag an der "Italisierung" des Lifestyles in den 60ern.

Etwa in der Mode: Gerade diese beiden Schauspielerinnen machten kurze Blusen, kurze Lockenfrisuren und große Ohrringe zum angesagten "Italian style"; selbst Jackie Kennedy favorisierte mit Oleg Cassini einen italienischen Designer.

Nach Lorens Rolle neben Frank Sinatra in "Stolz und Leidenschaft" begann in den USA der allererste Boom von Push-up-BHs.

Es gab überhaupt keine cooleren Autos als italienische: Maseratis, Lamborghinis oder Alfa Romeos. Es gab keine schmelzenderen Sänger als Al Martino oder Mario Lanza. Die Welt entdeckte ihre italienischen Seiten.

Im privaten Leben der Sophia Loren gab es allerdings damals dunkle Jahre. Sie hatte sich immer eigene Kinder gewünscht. Vielleicht fühlten so viele Frauen gerade deshalb mit ihr, weil dieser Kinderwunsch so lange unerfüllbar schien. Erst mit 34 Jahren bekam sie den ersehnten ersten Sohn, Carlo jr., und mit 39 den zweiten, Edoardo.

Die Familie hat Sophia Lorens öffentliches Image mit geprägt: Sie wollte immer eine vollgültige italienische Mamma und eine attraktive Ehefrau sein. Ehemann Carlo Ponti war klug genug, um über die Affären hinwegzusehen, die seiner Frau u. a. mit Cary Grant nachgesagt wurden. So blieben die Familienbande intakt. Im Januar 2007 starb Ponti im Alter von 94 Jahren in Genf.

Liegt es nun an "guten Genen", dass Loren selbst mit 75 aussieht wie mit 45? Sie behauptet, vier Grundsätze reichten, um schön zu bleiben: um neun Uhr abends ins Bett, viel Pasta, viel Liebe und etwas Stretching (Eingeweihte bezweifeln, dass ihre glatte Haut, ihre wirklich sehenswerten Beine und ihr tolles Dekolleté allein an Liebe & Pasta lägen). Selbst zum Abendkleid trägt sie ihre Brille.

Sie hat allerdings auch nichts dagegen, zu zeigen, was sie hat - in aller Würde natürlich. Vor ein paar Jahren verwahrte sie sich dagegen, nackt für den "Playboy" zu posieren - das könne sie ihren Kindern nicht zumuten (und Enkel hat sie inzwischen auch). Aber 2006 gelang es der holländischen Fotografin Inez van Lamsweerde, die damals 72-Jährige zu überreden, für den "Pirelli"-Kalender zu posieren - in einem Bett mit einem Laken und nicht viel mehr.

Es wurden hinreißende Fotos. Was nicht weiter überrascht. Keine andere Frau hat es geschafft, Alter und Erotik, Glamour und Unkompliziertheit so zu verschmelzen wie sie.

Eine Diva? Ja, im raumfüllenden Sinne. Was wird eigentlich aus diesem "Beruf"? Madonna gilt als Diva, aber sie hat nicht Lorens mütterliche Heiterkeit. Michael Jackson war ganz sicher eine Diva. Aber ihm fehlte das Glück eines erfüllten Lebens - vielleicht ist das Sophia Lorens Geheimnis.