Netanjahus Koalition mit Verlusten. Ministerpräsident erklärt sich zum Sieger. Patt der beiden politischen Lager.

Jerusalem. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Israel abgestraft worden. Die von ihm angeführte rechtsnationale Koalition verlor nach Hochrechnungen vom Mittwoch elf Mandate und besetzt jetzt nur noch 31 von 120 Sitzen im Jerusalemer Parlament. Trotzdem bleibt das Bündnis von Netanjahus Likud und der nationalistischen Partei Beitenu von Außenminister Avigdor Lieberman stärkste Kraft in der Knesset. Netanjahu steht vor einer schwierigen Regierungsbildung, da es zwischen den Parteien des rechten Spektrums und den Mitte-Links-Parteien mit je 60 Sitzen ein Patt gibt.

Überraschungssieger ist die neu gegründete Zentrumspartei „Es gibt eine Zukunft“. Sie stieg aus dem Stand mit 19 Sitzen zur zweitstärksten Kraft auf. Ihr Vorsitzender Jair Lapid rief Netanjahu auf, ein breites Regierungsbündnis zusammenzustellen. Lapids Partei warb im Wahlkampf unter anderem damit, die Ausnahme von der Wehrpflicht für orthodox-religiöse Studenten aufzuheben und andere Privilegien der ultrareligiösen Minderheit abzuschaffen. Zudem fordert die Partei des einstigen Fernseh-Moderators eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen mit den Palästinensern unter Schirmherrschaft der USA.

Fraglich ist, ob Netanjahu unter diesen Bedingungen weiter auf die Unterstützung orthodox-religiöser Parteien bauen kann. Netanjahu hat bereits signalisiert, sich aus der engen Bindung an die religiösen Gruppen lösen zu wollen, indem auch er die Forderung nach einem breiten Regierungsbündnis erhob. Zudem versicherte er, eine neue, von ihm geführte Regierung wolle sich für eine gerechtere Lastenverteilung einsetzen. Dies wird als Anspielung auf die Privilegien der religiösen Minderheiten verstanden.

Die Arbeitspartei liegt nach den Hochrechnungen mit 15 Mandaten an dritter und die Siedlerpartei „Das jüdische Haus“ an vierter Stelle. Die bisher größte Fraktion im Parlament, Kadima, schrumpfte von 28 auf zwei Sitze. Die Vorsitzende der einst starken Arbeitspartei, Schelly Jachimovitsch, sprach Likud den Anspruch zur Regierungsbildung ab. Es gebe eine sehr gute Chance, dass dies Netanjahu nicht gelingen werde. Das endgültige Wahlergebnis wurde an Donnerstag erwartet.

Die Wahl war vorgezogen worden, weil sich die Koalition im Herbst nicht auf einen Sparhaushalt hatte einigen können. Netanjahu hatte sich im Wahlkampf als einziger Garant der Sicherheit Israels angesichts der Umbrüche im Nahen Osten dargestellt. Er hat angekündigt, den Kampf gegen eine Atomwaffe in der Hand Irans zur Priorität in seiner neuen Amtszeit zu machen. Eine Eskalation droht im Frühjahr, falls der Iran in den Atomgesprächen nicht einlenkt. Das Land bestreitet den Vorwürfe westlicher Staaten, heimlich Atomwaffen zu entwickeln.

„Wichtigste Herausforderung ist und bleibt, den Iran davon abzuhalten, Atomwaffen zu erlangen“, sagte Netanjahu nach der Wahl. Der Regierungschef sieht in iranischen Nuklearwaffen eine existenzielle Bedrohung seines Landes. Genährt wird diese Furcht durch Aussagen führender iranischer Politiker, die das Existenzrecht Israels infrage gestellt haben. Netanjahu hatte in westlichen Staaten Sorgen ausgelöst, er könne einen Präventivschlag der israelischen Luftwaffe gegen die iranischen Atomanlagen befehlen.

Abzuwarten ist, ob Netanjahu – sollte er eine neue Regierung führen – bei der umstrittenen Linie in der Siedlungspolitik bleibt. Der Ausbau jüdischer Siedlungen im Westjordanland wird von der Opposition und westlichen Partnern scharf kritisiert. Sie sehen in dem Siedlungsbau eines der Hindernisse für einen Frieden mit den Palästinensern. Mit neuen Regierungspartnern könnte Netanjahu hier zu einen Kurswechsel gezwungen sein. Palästinenser reagierten zurückhaltend auf das Wahlergebnis. Es überwogen Zweifel, ob mit der neuen Regierung auch die Bereitschaft zu Friedensverhandlungen steigen wird.

Die israelische Börse reagierte positiv auf den Wahlausgang. Der Index Tel Aviv 25 stieg um 1,75 Prozent. Beobachter führten dies auf die Erwartung zurück, dass die Subventionen für ultrareligiöse Gruppen verringert werden. Im vergangenen Jahr lag die Neuverschuldung des Staates bei 4,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Deswegen wird damit gerechnet, dass die neue Regierung Steuern erhöhen und Ausgaben verringern wird.