Vor einem Jahr wurde die Al-Kuds-Moschee in St. Georg geschlossen. Der größte Teil der Dschihadisten hat jetzt eine neue Pilgerstätte gefunden.

Hamburg. Es dauerte ganze 20 Minuten, bis der Mechaniker des Schlüsselnotdienstes die vergitterte Doppeltür endlich aufgebrochen hatte. Als sich die metallenen Türflügel schließlich öffneten, betraten rund 20 Beamte des Staatsschutzes und der Innenbehörde die ehemalige Al-Kuds-Moschee am Steindamm in St. Georg. Vor einem Jahr endete mit dieser Razzia die Ära des Zentrums der Anschläge vom 11. September 2001. An dem Eingang des unscheinbaren Gebäudes, in dem sich einst die Attentäter um ihren Anführer Mohammed Atta trafen, hing nun ein Zettel mit der Aufschrift: "Mit dem heutigen Datum erlässt die Behörde für Inneres eine Verbotsverfügung gegen den 'Taiba Arabisch-Deutschen Kulturverein e. V.'."

Ein Jahr später bewertet Manfred Murck, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, die Schließung der Al-Kuds-Moschee, die in der Zwischenzeit in Taiba-Moschee umbenannt worden war, als Erfolg. "Die Moschee war der wichtigste Treffpunkt der Hardcore-Islamisten. Sie haben dort Nachwuchs rekrutiert und radikalisiert. Mit der Schließung haben wir das unterbinden können." Der dschihadistische Kern an der Al-Kuds-Moschee bestand aus zuletzt rund 40 Anhängern.

Bestrebungen, die Moschee zu schließen, hatte es bereits kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gegeben. Grundsätzlich schätzten die Sicherheitsbehörden die Begegnungsstätte als verbotswidrig ein. Doch strafrechtliche Ansätze scheiterten. Dann versuchte die Innenbehörde mit Abschiebungen von Islamisten die Gruppe der Radikalen zu schwächen. Aber auch das gelang nur bedingt, da viele Mitglieder einen deutschen Pass besitzen. Zudem befinden sich auch Konvertiten unter den Dschihadisten. Auch die Hoffnung, dass die Moschee pleitegehen würde, erfüllte sich nicht.

Erst über das Vereinsrecht ergab sich für die Sicherheitsbehörden die Möglichkeit, der unerwünschten Klientel beizukommen. Da der Vorstand des Trägervereins der Moschee nach Überzeugung von Verfassungsschutz und Innenbehörde nicht nur duldete, dass in der Moschee Islamisten radikalisiert worden sind, sondern dies auch förderte, konnte der Verein verboten werden.

Den Ausschlag gab schließlich die sogenannte Hamburger Reisegruppe. Bei ihr handelte es sich um neun Männer und zwei Frauen im Alter von 23 bis 52 Jahren, die beseelt davon waren, gegen Ungläubige in den Krieg zu ziehen. Sie haben sich im März 2009 in die Bergregion zwischen Pakistan und Afghanistan aufgemacht. Einige sind mittlerweile nach Hamburg ausgewiesen worden, einige sind bei Drohnenangriffen ums Leben gekommen. Und zwei Männer sitzen jeweils in amerikanischer Militär- und deutscher Untersuchungshaft. Nach Bekanntwerden dieser Aktivitäten begann das Verbotsverfahren. Schließlich stimmte das Oberverwaltungsgericht der Durchsuchung der Moschee vor einem Jahr zu.

Die dschihadistische Klientel verteilte sich daraufhin auf fünf Moscheen in und um Hamburg. "Uns war selbstverständlich bewusst, dass mit der Schließung der Al-Kuds-Moschee die handelnden Personen nicht verschwinden", sagt Murck. Knapp zehn besuchten anschließend regelmäßig eine Moschee in Pinneberg. Nachdem der Vermieter der Räume davon erfuhr, kündigte er den Mietvertrag Anfang dieses Jahres. Das führte noch einmal zu einer Aufsplitterung der Szene, die sich zum Teil wieder nach Hamburg orientierte und bislang unauffällig blieb.

Rund 20 Dschihadisten - und damit die größte Teilgruppe - sind mittlerweile in der Taqwa-Moschee in Harburg untergekommen. Das bedeutet, dass die Islamisten sich dort zu den Freitagsgebeten regelmäßig treffen. "Dieser Moschee gilt nun natürlich ein besonderes Augenmerk", sagt Verfassungsschutzchef Manfred Murck. Es sei wichtig, dass sich diese Moschee nicht zu einem neuen Zentrum entwickle, das weitere Muslime anziehe, die dann zu Dschihadisten radikalisiert würden. Noch allerdings gebe es dafür keine Anhaltspunkte, so Murck. Dem Argument, dass mit der Zerstreuung der Szene die Beobachtung der Islamisten schwieriger geworden sei, widerspricht Murck.

Die Reisegruppe habe sich trotz der Beobachtung der Al-Kuds-Moschee auf den Weg gemacht. Und weder die Polizei noch der Verfassungsschutz oder andere Geheimdienste hätten ihre Pläne rechtzeitig mitbekommen. "Der Grund dafür ist einfach", sagt Murck. "Die Mitglieder der Reisegruppe haben sich zwar in der Moschee getroffen, ihre weiteren Vorhaben haben sie aber nicht dort, sondern konspirativ in Wohnungen geplant."